Karin Richert

Karin Richert

Karin Balzer, geb. Richert (* 5. Juni 1938 in Magdeburg), ist eine ehemalige deutsche Leichtathletin.

Die ehemalige Weltrekordlerin gewann bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio die Goldmedaille im 80-Meter-Hürdenlauf und errang als Mitglied des gesamtdeutschen Teams die erste Leichtathletik-Goldmedaille für die DDR. Sie ist die erste Frau der Welt, die über 100 m Hürden unter 13,0 Sek. blieb. Die dreifache Freiluft-Europameisterin und siebenfache DDR-Meisterin gehört zu den erfolgreichsten Hürdensprinterinnen aller Zeiten. 1971 wurde Balzer zur DDR-Sportlerin des Jahres gewählt. Ihr Trainer war ihr Ehemann Karl-Heinz Balzer (1921-2007), der unter anderem Regina Höfer und Christina Heinich zu Weltklasse-Athletinnen entwickelte.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Karin Balzer bei den DDR-Meisterschaften 1963

1957–1962: Ein Multi-Talent auf dem Weg zur Weltspitze

Karin Richert-Balzer startete zu Beginn ihrer Karriere für die BSG Einheit Magdeburg. 1956 wechselte sie zur BSG Chemie Halle-Leuna. Von 1960 bis 1961 gehörte sie der SC DHfK Leipzig an, bevor sie 1962 zum SC Frankfurt wechselte. Von 1966 bis zu ihrem Karriereende startete sie für den SC Leipzig. Bei einer Größe von 1,71 m hatte die geborene Magdeburgerin ein Wettkampfgewicht von 64 Kilogramm.

Auch wenn Karin Balzer vor allem als Hürdenläuferin in Erinnerung blieb, war sie doch insgesamt betrachtet ein Allround-Talent, das auch im Fünfkampf, Weitsprung und im Sprint zu den besten ihres Landes gehörte. Unter ihrem Geburtsnamen Richert gehörte sie schon 1957 im 200-Meter-Lauf (Bestzeit 23,4 Sekunden) und im 80-Meter-Hürdenlauf zur DDR-Spitze. In beiden Disziplinen belegte die 19-Jährige den zweiten Platz der DDR-Meisterschaften. 1958 flüchtete sie mit ihrem Lebensgefährten und Trainer, dem Stabhochspringer Karl-Heinz Balzer, in die Bundesrepublik und ließ sich in Ludwigshafen nieder. Nach mehrmaligen Besuchen durch MfS-Mitarbeiter kehrten beide schon zwei Monate später in die DDR zurück. Ihre Flucht wurde mit einer einjährigen Wettkampfsperre bestraft. Ihr Trainer und späterer Ehemann Karl-Heinz Balzer durfte seine Athletin bis 1966 nicht zu internationalen Wettkämpfen ins Ausland begleiten. Karin Richert und Karl-Heinz Balzer heirateten 1961.

Ihr erster großer internationaler Auftritt fand bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom statt. Die 22-jährige wurde Vierte im Zwischenlauf über 80 Meter Hürden und verpasste knapp das Finale.

Zum Ende des Jahres 1962 hatte Karin Balzer die internationale Spitze erreicht. Über 80 Meter-Hürden, aber auch im Fünfkampf war sie die zweitbeste Athletin der Welt. Bei den Europameisterschaften desselben Jahres nahm die Magdeburgerin aber nur über die Hürden teil, wo sie mit 10,6 Sek. Zweite wurde.

1964–1968: Weltrekord und Olympiasieg

Mit einem Paukenschlag zog die 25-jährige Balzer am 23. Mai 1964 erneut die internationale Aufmerksamkeit auf sich: die Frankfurterin überquerte die Hürden im Rahmen eines Fünfkampfes in 10,5 Sekunden und stellte den Weltrekord ihrer Landsfrau Gisela Birkemeyer und der Britin Betty Moore über 80 Meter Hürden ein. Mit 4790 Punkten setzte sie sich gleichzeitig im Fünfkampf auf den vierten Platz der ewigen Weltbestenliste. Trotz dieser glänzenden Ausgangsposition im Mehrkampf beschränkte sich Karin Balzer bei den Olympischen Spielen von Tokio ausschließlich auf den Kurzhürdensprint. In einem Wimpernschlagfinale, in dem zwischen den ersten drei Plätzen nur 0,02 Sekunden lagen, gewann Balzer die Goldmedaille. Silber ging an die Polin Teresa Cieply. Der Olympiasieg des Jahres 1964 war Balzers größter Karriereerfolg.

1965 legte Karin Balzer für die Geburt ihres ersten Sohnes Andreas eine Pause ein.

1966 wurde Balzer erstmals Europameisterin über 80 Meter Hürden. Die kontinentalen Titelkämpfe in Budapest waren die letzten großen internationalen Meisterschaften auf der 80-Meter-Hürdenstrecke.

Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-Stadt war die in der DDR ungemein populäre Hürdensprinterin Fahnenträgerin ihres Landes. Balzer erreichte erneut den olympischen Endlauf und belegte den fünften Rang.

1969–1971: Vier Weltrekorde über 100 Meter Hürden

Auch nach der im Jahre 1969 erfolgten Umstellung der Hürdendistanz auf 100 Meter blieb sie erfolgreich. Zwischen 1969 und 1971 verbesserte Balzer insgesamt viermal den Weltrekord. Dies ist umso bemerkenswerter, als sich nicht nur die absolute Länge der Strecke veränderte; auch die Abstände zwischen den Hürden und die Hürdenhöhe wechselten. Am 20. Juni 1969 markierte Balzer in Warschau mit 13,3 Sekunden die erste offizielle Bestmarke über die neue Hürden-Distanz. Die nächste Bestleistung gelang Balzer am 27. Juni in Leipzig, als sie sich mit 13,0 Sekunden den Weltrekord von der Polin Teresa Sukniewicz zurückholte und am 5. September in Berlin mit 12,9 als Erste unter der 13 Sekunden-Marke blieb. Zwei Wochen später gewann Karin Balzer in Athen mit 13,29 Sekunden überlegen ihre zweite Europameisterschaft.

Am 20. Juni 1970 verlor Balzer ihren Weltrekord erneut an die Polin Teresa Sukniewicz. Aber schon sechs Tage später revanchierte sich die mittlerweile 32-jährige Deutsche mit 12,7 Sekunden.

1971 gelang es Balzer zum dritten Mal in Folge, den Europameistertitel im Hürdensprint zu gewinnen. Im selben Jahr lief sie innerhalb weniger Tage mit 12,7 und 12,6 Sekunden erneut Weltrekord.

1972: Olympische Bronzemedaille

Ihren letzten großen internationalen Erfolg über die Hürden erreichte die bereits 34-jährige Karin Balzer 1972: Bei den Olympischen Spielen 1972 in München gewann sie mit 12,90 Sekunden noch einmal eine Bronzemedaille hinter ihrer Landsmännin Annelie Ehrhardt und der Rumänin Valeria Bufanu. Ehrhardt war es auch, die Balzers letzten Weltrekord von 12,6 Sekunden am 15. Juni 1972 in Potsdam unterboten hatte.

37 Weltbestleistungen

Einschließlich der Hallen-Weltbestleistungen und der Zeiten auf Yard-Strecken stellte Karin Balzer insgesamt 37 Weltrekorde auf. Sieben dieser Bestleistungen entfielen hierbei auf die offiziellen olympischen Disziplinen 80 und 100 Meter Hürden. Keine andere Hürdensprinterin kann auf eine vergleichbare Zahl an Weltbestzeiten zurückblicken. Balzer ist die einzige Athletin, der Weltrekorde über beide Strecken gelangen.

Weitere Erfolge

Außer ihrer Gold- und Silbermedaille bei Olympischen Spielen gewann Balzer 1966, 1969 und 1971 die Europameisterschaft auf der Bahn; 1962 war sie hinter Teresa Ciepły Zweite geworden. Zwischen 1967 und 1971 wurde sie fünf Mal in Folge Hallen-Europameisterin. Balzer, die international nie im Mehrkampf in Erscheinung trat, war 1962 auch zweitbeste Fünfkämpferin der Welt. 1964 erreichte sie mit 4790 Punkten das viertbeste Resultat aller Zeiten. Ferner war Karin Balzer elf Mal Meisterin der DDR. Hierbei entfielen sieben Titel auf den Hürdensprint, zwei auf den Fünfkampf sowie je ein Titel auf den Weitsprung und den 200 Meter Lauf.

Neben und nach dem Sport

Balzer wurde Mutter zweier Söhne, Andreas (* 7. Oktober 1965; † 7. September 1972 (Verkehrsunfall)) und Falk (* 14. Dezember 1973), der ebenfalls ein erfolgreicher Hürdensprinter wurde. Falk Balzer wurde unter anderem Vize-Europameister und im Jahre 1998 Weltcupsieger.

Karin Balzer durchlief zunächst eine Ausbildung zur Chemie-Facharbeiterin. Später studierte sie Sportwissenschaft und wurde Diplom-Sportlehrerin. In der DDR-Zeit arbeitete sie zunächst als Trainerin. Zu ihrer Trainingsgruppe gehörten unter anderem Kerstin Knabe und Silvia Fröhlich, die 1980 Olympiasiegerin im Rudern wurde. Als sie und ihr Ehemann sich weigerten, Dopingmittel an ihre Athleten zu verabreichen, wurde sie im Jahre 1976 von Leipzig nach Dresden zwangsversetzt. 1976 bekam sie keine Anstellung als Trainerin mehr. Dies kam faktisch einem Berufsverbot gleich. Karin Balzer erhielt schließlich eine Anstellung als Sportlehrerin.

Nach der Wende im Jahre 1989 arbeitete Balzer zunächst als Dozentin für Sozialpädagogik. 1991 geriet ihr Name erneut in die Schlagzeilen, als sich die frühere Weltklasseathletin vor einer Kommission des Deutschen Sportbundes (Ad-hoc-Kommission) offen und kritisch über die Nachwende-Karriere des ehemaligen Verbandsfunktionäres Edwin Tepper äußerte. Ab 1997 arbeitete Karin Balzer wieder als Leichtathletik-Trainerin. Unter anderem betreut die Olympiasiegerin von 1964 ihren Sohn Falk und Anja Rücker, die Zweite der Weltmeisterschaften 1999 im 400-Meter-Lauf. Seit 2006 ist sie als Vorsitzende und Trainerin des RBA Chemnitz tätig.

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