Kastell Kösching

Kastell Kösching
Kastell Kösching
Alternativname Germanicum
Limes ORL 74 (RLK)
Strecke (RLK) Rätischer Limes,
Strecke 15
Datierung (Belegung) Frühjahr 80 n. Chr.,
bis um 242/243 n. Chr.
Typ Alenkastell
Einheit a) Ala I Augusta Thracum (?)
b) Ala I Flavia Gemelliana
Größe 216 × 197 m = 4,3 ha
Bauweise a) Holz-Erde
b) Steinkastell
Erhaltungszustand vollständig überbaut
Ort Kösching
Geographische Lage 48° 48′ 39″ N, 11° 29′ 59″ O48.81083333333311.499722222222388Koordinaten: 48° 48′ 39″ N, 11° 29′ 59″ O
Höhe 388 m ü. NHN
Vorhergehend Kastell Pfünz (nordwestlich)
Anschließend Kastell Pförring (östlich)
Vorgelagert Kleinkastell Güßgraben (nördlich)
Kleinkastell am Hinteren Seeberg (nordnordwestlich)

Das Kastell Kösching (antiker Name Castra Germanicum) ist ein ehemaliges römisches Militärlager auf dem Gebiet des heutigen Marktes Kösching im Landkreis Eichstätt in Bayern. Das Alenkastell wurde als Standort einer berittenen römischen Einheit zur Limesverteidigung im Frühjahr 80 n. Chr. errichtet.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Kastell in seiner Lage zum Limes
Das Alenkastell mitten im Ort Kösching ist vollkommen überbaut

Die Anlage liegt am nördlichen Hochufer der Donau. Heutige Erkenntnisse zum Kastell Kösching gehen durch die vollständige Überbauung weitgehend auf stichpunktartige Grabungen zurück. Schon dem bayerischen Geschichtsschreiber Johannes Aventinus (1477–1534) waren 1509 Inschriften aus Kösching bekannt. Eine klare Lokalisierung gelang aber erst ab 1889 in der Flur „Gemäuert“, als dort Teile eines großen repräsentativen Gebäudes mit 31 Räumen zum Vorschein kamen, dessen Funktion seitdem verschieden interpretiert wurde. Einhellig ist man sich nur bei seiner militärischen Nutzung. Während die einen im Mitteltrakt des Gebäudes ein Bad zu lokalisieren glauben,[1] sprechen andere die Mauerreste als Valetudinarium (Lagerlazarett) an.[2] Daneben wird auch die These geäußert, es handle sich um den Teil eines größeren Speicherbaus.[3]

Forschungsgeschichte

Ab 1903 schnitt die Reichs-Limes-Kommission (RLK) unter dem Streckenkommissar Josef Fink (1850–1929) unter jeweils schwierigen Umständen an unterschiedlichen Stellen den doppelten Kastellgraben an, konnte Teile der Wehrmauer identifizieren und Überreste des Westturms am Südtor beobachten. Modernere Nachgrabungen konnten die Ergebnisse der RLK jedoch nicht immer bestätigen.[4]

Baugeschichte

Durch den Fund einer im Zweiten Weltkrieg in München zerstörten, zweiseitig beschriebenen Bauinschrift, von der jedoch ein Abguss erhalten blieb, wurde das ursprüngliche Holz-Erde-Lager auf die Regierungszeit von Kaiser Titus (79–81) ins Frühjahr 80 datiert. Damit stand in Kösching das älteste bezeugte Lager nördlich der Donau. Der bei Nachgrabungen aufgefundene Graben des Holzkastells bestätigte Vermutungen, dass dieser eine von der späteren steinernen Befestigung abweichenden Lage einnimmt.[4] Die Prätorialfront, die dem Feind zugewandte Seite des rund 4 Hektar großen Steinkastells wird nach Süden, zur Donau hin, angenommen.

Über den einstigen römischen Principia (Stabsgebäude) erhebt sich heute die Köschinger Pfarrkirche.

Bauinschrift

Die Bauinschrift aus den Herrschaftjahren von Kaiser Antoninus Pius (138–161) lautet:

Vorderseite:[5]

[Imp(eratori) Tito Caesari divi Vespasi]
[a]ni f(ilio) Vespasia[no Aug(usto) pontifici maximo]
trib(unicia) pot(estate) VIIII imp(eratori) [XV co(n)s(uli) VIII p(atri) p(atriae) censori et]
Caesare(!) divi Ves[pasiani filio Domitiano co(n)s(uli) VII]
collegioru[m omnium

Rückseite:[6]

[Imp(eratore) Tito Caesare divi Vespasiani filio Vespasiano Augusto pontifice maximo trib(unicia) pot(estate) VIIII imp(eratore)] XV co(n)s(ule) VIII p(atre) p(atriae) censori(!)
[et Caesare divi V]espasiani f(ilio) Domi
[tiano co(n)s(ule) VII] collegior(um) omnium
[sacerdote pr]oc(uratore) C(aio) Saturio

Die nur als Kopie erhaltene Inschrift wird heute in der Hauptschule Kösching verwahrt.

Truppe

Die durch ein Weißenburger Militärdiplom für das Jahr 107 n. Chr in Rätien nachgewiesene Ala I Augusta Thracum könnte für den Bau des Holzkastells verantwortlich gewesen sein. Leider hatte sich an der Bauinschrift der Truppenname nicht erhalten, so dass man auf Spekulationen angewiesen ist. Fest steht, dass diese thrakische Reitereinheit die erste Stammbelegung der Garnison bildete. Spätestens 121 bis 125 wurde diese Truppe aus Raetien abkommandiert und durch die Ala I Flavia Gemelliana ersetzt, die bis zum zerstörerischen Alamanneneinfall um 242/243 blieb. Diese Truppe lässt sich erstmals für das Jahr 141 durch eine von Aventinus gefundene Bauinschrift am Steinkastell nachweisen. Es ist möglich, dass diese Bauinschrift auch für den erst jetzt vorgenommenen Steinausbau des Lagers steht.

Die in Kösching entdeckten Ziegelstempel der Cohors I Flavia Canathenorum[7] wurden auch in Eining,[8] Pförring, Regensburg[9][10] und Straubing[11][12][13] aufgefunden. In der Forschung wird davon ausgegangen daß diese Kohorte Ziegelmaterial für Bautätigkeiten zu verschiedenen Kastellen lieferte oder sogar Handwerkertrupps mit diesen Lieferungen entsandt.

Vicus und Brandgräberfeld

Durch die schwierige Zugänglichkeit des Geländes aufgrund der Überbauung konnten bisher nur geringe Spuren des sich im Süden, Westen und Nordwesten des Reiterkastells ausbreitenden Lagerdorfes festgestellt werden. Südwestlich des Kastells lag ein Rasthaus (mansio) mit Bad, wie es sich beispielsweise am Kastell Eining sichtbar dokumentieren lässt. Das Brandgräberfeld wurde nordwestlich des Kastells lokalisiert.[14]

Fundgut

Terra Sigillata

In Kösching wurde unter anderem Terra Sigillata eines Dagodu(b)nus gefunden. Dessen Produktionsstätte ist noch unbekannt und könnte entweder im gallischen Lezoux bei Clermont-Ferrand oder in Rheinzabern (Tabernae) liegen.[15] Beides waren Manufakturzentren der Sigillata-Herstellung. Ware von Dagodubnus taucht auch in Regensburg, Pfünz und Großbritannien auf.

Schatzfund

Ein Schatzfund von 240 Denaren rund 125 m östlich der Kastellmauer enthält eine im Sommer 241 geprägte Schlussmünze von Kaiser Gordian III. (238–244).[16] Nachdem damit alle Münzreihen – auch aus dem Vicus – abbrechen, geht man davon aus, dass sowohl das Kastell als auch die Siedlung in dieser Zeit aufgegeben bzw. zerstört worden sind. Die Köschinger Schlussmünze deckt sich mit einem 1953 entdeckten Münzfund, der im Kastell Gunzenhausen gemacht wurde. Die dortige Schlußmünze, ein Antoninian, wurde 242 geprägt.[17] Der Archäologe und Numismatiker Hans-Jörg Kellner ermittelte aus dieser Jahreszahl den Zeitpunkt des zweiten Alamanneneinfalls um das Jahr 242/243. Der erste, 233, hat höchstwahrscheinlich unter anderem das Kastell Pfünz und Straubing ausgelöscht. Da 242/243 auch das Regensburger Kastell Großprüfening,[18] Künzing sowie die ausgedehnte römische Siedlung bei Pöcking, Landkreis Passau und andere Plätze überrannt worden sein müssen,[19] geht die Forschung von einem auf breiter Front vorgetragenen Großangriff gegen den rätischen und obergermanischen Limes sowie gegen die rätische Donaugrenze aus.. In Pöcking barg die abschließende Brandschicht einen nur kurze Zeit im Umlauf gewesenen Antoninian von 241/243 bzw. 240. Für die Zeit des Wiederaufbaus nach diesem Ansturm steht die Bauinschrift aus dem kleinen Bad des Kastells Jagsthausen, die in die Jahre 244 bis 247 entstand.[20]

Römerstraße

Kösching wurde über eine Römerstraße mit den Kastellen Pfünz und Pförring verbunden. Dieser antike Straßenkörper ist an vielen Stellen noch in einem ausgezeichneten Zustand. 1984 konnte rund 1 km von der Pfarrkirche Kösching entfernt bei einem Neubau in der Siedlung Gänsäcker ein vollständig erhaltener, 2,20 m hoher Meilenstein[21] aus dem Jahr 201 – damals regierte Kaiser Septimius Severus (193–211) – direkt unter der Grasnarbe aufgedeckt werden. Ein weiterer Meilenstein,[22] den die Köschinger Bewohner auf ihrem Friedhof aufstellten und mit einem Kruzifix aus Eisenblech bekrönten, wurde bereits 1760 auf kurfürstlichen Befehl hin geborgen und nach München gebracht. Das Formular des Steines trägt eine Datierung für das Jahr 195 und eine weitere für 215, als bereits Kaiser Caracalla (211–217) herrschte. Vielleicht mußte die unter Septimius Severus bereits erneuerte Straße zumindest stellenweise unter seinem Nachfolger nochmals saniert werden oder die vollständige Sanierung war erst 215 abgeschlossen. Der Stein wurde während des Krieges 1944 durch einen Brand zerstört.

Villa rustica

In einer Entfernung von eineinhalb römischen Meilen liegt östlich des Kastells ein nur durch die Luftbildarchäologie gesicherter kleiner römischer Gutshof (villa rustica), der zusammen mit vielen anderen für die Versorgung von Militär und Dorfeinwohnern zuständig war. Der Hof ist in der üblichen Bauform mit deutlichen Eckrisaliten an der repräsentativen Front ausgeführt. Neben dem Hauptgebäude, das in einer Apsis den unverzichtbaren römischen Luxus eines eigenen heizbaren Bades bot, konnten weitere Nebengebäude ausgemacht werden. Wie Militärlager und Vicus von Kösching ist auch diese Villa rustica im 3. Jahrhundert zerstört worden.[23]

Denkmalschutz

Das Kastell Kösching und die erwähnten Anlagen sind geschützt als eingetragene Bodendenkmale im Sinne des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind erlaubnispflichtig, Zufallsfunde sind den Denkmalbehörden anzuzeigen.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Günter Ulbert, Thomas Fischer: Der Limes in Bayern. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-8062-0-351-2, S. 113.
  2. Ausgrabungen im römischen Kastell VW. Theiss, Stuttgart, 1996, S. 34ff.
  3. Neue Grabungen in VW. Zabern, Mainz, 2001, S 200
  4. a b Thomas Fischer, Erika Riedmeier Fischer: Der römische Limes in Bayern. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2008. ISBN 978-3-7917-2120-0. S. 142
  5. AE 1907, 00186
  6. AE 1907, 00187
  7. CIL 03, 06001
  8. CIL 03, 11992b
  9. CIL 03, 11992d
  10. CIL 03, 11992e
  11. AE 2005, 01152
  12. CIL 03, 11992f
  13. CIL 03, 11992g
  14. Thomas Fischer, Erika Riedmeier Fischer: Der römische Limes in Bayern. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2008. ISBN 978-3-7917-2120-0. S. 143
  15. Andrea Faber: Das römische Auxiliarkastell und der Vicus von Regensburg-Kumpfmühl, C.H. Beck Verlag, München 1994, ISBN 3406356427. S. 372, Marginalie.
  16. Robert Roeren: Zur Archäologie und Geschichte Südwestdeutschlands im 3. bis 5. Jahrhundert n. Chr. In: Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz. 7. Jahrgang. Verlag Rudolf Habelt, Bonn 1960. S. 217.
  17. Dietwulf Baatz: Römerstraßen im Ries. In: Führer zu den vorgeschichtlichen Denkmälern 41. Band 2. Nördlingen, Bopfingen, Oettingen, Harburg. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979. S. 264.
  18. Thomas Fischer, Michael Altjohann: Die römischen Provinzen. Eine Einführung in ihre Archäologie. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2001. ISBN 380621591X. S. 132.
  19. Hans-Jörg Kellner: Die römische Ansiedlung bei Pöcking (Niederbayern) und ihr Ende. In: Bayerische Vorgeschichtsblätter 25. 1960. S. 132–164.
  20. CIL 13, 6562 (Abbildung).
  21. CIL 17, 04, 00070
  22. CIL 03, 05999
  23. Rainer Christlein, Otto Braasch: Das unterirdische Bayern. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-8062-0855-7, S. 200.

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