- Keilschrifturkunde
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Als Keilschrift bezeichnet man ursprünglich eine sumerische Bilderschrift, deren Formen durch die keilartigen Eindrücke eines Schreibgriffels in den noch weichen Beschreibstoff Ton entstanden. Ihren Namen hat sie von ihren Schriftzeichen, waagrechte, senkrechte und schräge Keile. Die Keilschrift diente zahlreichen Kulturvölkern des alten Orients (Sumerer, Akkader, Babylonier, Assyrer, u. a.) über einen Zeitraum von ca. 3000 v. Chr. bis 400 v. Chr. als bevorzugte Schriftform. Sie entwickelte sich von der anfänglichen Bilderschrift über eine Silbenschrift hin zu einer phonetischen Konsonantenschrift, der Ugaritischen Schrift, bis sie schließlich von anderen Schriftformen (z. B. Phönizische) verdrängt wurde und in Vergessenheit geriet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte und Verbreitung
Die sumerische Keilschrift ist die älteste Schriftform. Sie entstand etwa um 3500 v. Chr. im Reich Sumer in Mesopotamien und konnte ihre Vormachtstellung bis ca. 1800 v. Chr. halten. Zunächst begann die sumerische Keilschrift als reine Bilderschrift, bestehend aus Piktogrammen und Ideogrammen, die in Stein und gebrannten Ton geritzt wurden.
In Kisch wurden Kalksteintäfelchen mit den ältesten Zeichen gefunden. Es waren stark vereinfachte Darstellungen etwa eines Kopfes, eines Dreschhammers, eines Pfeiles, eines Kruges, eines Fußes. Drei Berggipfel standen für Gebirge. Viele Worte entstanden durch einfaches Zusammenschreiben von zwei solcher einfachen Piktogramme. „Weinen“ wurde mit den Zeichen „Auge“ und „Wasser“ ausgedrückt, „Fürstin“ ergab sich aus den Zeichnungen „Frau“ und „Schmuck“. „Strafen“ wurde durch „Stock“ und „Fleisch“ ausgedrückt. „Gebirge“ und „Frau“ ergab „Bergweib“, was Sklavin bedeutete, weil die Sumerer wohl Sklavinnen von den umliegenden Bergvölkern besorgten. „Heuschrecke“ stand für „Heuschrecke“ aber auch für „Vernichtung“. Man hatte wohl durch Heuschreckenschwärme abgefressene Felder und Gärten vor Auge. Ein „Stern“ stand für „Stern“, „Himmel“ (sumerisch „an“) und „Gott“ (sumerisch: „dingir“). Eine Essschale stand für Speise. Ein Kopf und eine Essschale steht für „essen“. Diese Piktogrammschrift blieb aber nicht wie in China bei den einfachen und komplexen Zeichenbedeutungen stehen. Das Piktogramm eines Flusses stand für „Wasser“ sumerisch „a“, der aber als Laut „a“ auch „in“ bedeutete. Statt hier ein neues Zeichen für „in“ zu erfinden, verwendeten die Sumerer das Zeichenpiktogramm „Fluss“ einfach in seiner Lautbedeutung „a“ gleich „in“. Da dieses Schnellverfahren immer öfter verwendet wurde, überwog schließlich die Lautbedeutung der Zeichen.
Die typische Keilschrift-Form erhielt diese Schriftart erst um das Jahr 2700 v. Chr. als die altsumerischen Machtzentren Uruk, Ur, Lagash enorm anwuchsen und deren zentrale Tempelbürokratien einen gesteigerten Schreibbedarf entwickelten, der nach einer Rationalisierung des Schreibprozesses verlangte. Geradezu revolutionär kann die neue Technik bezeichnet werden, bei der mit einem stumpfen Schreibgriffel Keile in den noch weichen Ton gedrückt wurden, der anschließend getrocknet oder auch gebrannt wurde.
Wurde die neue Keilschrift zunächst nur von den Sumerern genutzt, gewann sie bei den übrigen Kulturvölkern des alten Orients schnell an Popularität. Um das Jahr 2350 v. Chr. drang das semitische Volk der Akkader nach Sumer vor, übernahm die Herrschaft über die sumerischen Stadtstaaten und damit auch Schrift und Kultur. Unter der akkadischen Herrscherdynastie Sargons von Akkad breitete sich deren Herrschaftsgebiet und damit auch Sprache, Kultur und Schrift weiter aus.
Etwa zur selben Zeit gelangte die Kenntnis der Keilschrift bis nach Syrien in das Reich Ebla, wo sie mit der einheimischen semitischen Sprache, dem Eblaitischen, verwendet wurde. Bereits ab 2500 v. Chr. löste die Keilschrift im benachbarten Königreich Elam (heutiger Iran) die dort geschriebene proto-elamitische Strichschrift ab, wo sie bis in das Jahr 331 v. Chr. Verwendung fand. Auch die Hethiter, deren indogermanische Sprache sich vom semitischstämmigen Akkadisch sehr unterschied, adaptierten die Keilschrift. Die Hethiter ersetzten zunächst ihre eigenen andersartigen Piktogramme durch die Keilschrift. Dabei verlief die Verbreitung der Keilschrift im Norden bis nach Armenien mit Urartäisch als Landessprache und im Süden bis nach Palästina mit Kanaanäisch als vorherrschende Sprache. Die weiterentwickelte Form der Keilschrift war so anpassungsfähig beim Gebrauch der Symbole als phonetische Zeichen, dass die Schrift in gleicher Weise für die Sprachen der Akkader, Babylonier und Assyrer verwendet werden konnte.
Als Hammurabi 1750 v. Chr. den babylonischen Thron bestieg, bestand Mesopotamien lediglich aus einer Reihe rivalisierender Stadtstaaten. Ihm gelang es jedoch aufgrund seiner Feldzüge, das Herrschaftsgebiet Babylons auf ganz Mesopotamien auszudehnen und weit über die Landesgrenzen hinaus die Sprache und Kultur seines Reiches zu verbreiten.
Mit dem Niedergang des babylonischen Reiches und dem Aufstieg des assyrischen verbreitete sich die Schrift und die Kultur des Zweistromlandes bis in das 7. Jh. v. Chr. von Babylonien und Assyrien über Palästina bis nach Ägypten. In dieser Epoche entwickelte sich die Keilschrift zu ihrer endgültigen Form weiter. Ab dem 8. Jh. v. Chr. drangen langsam neue Schriftsysteme, wie die phönizische oder griechische Lautschrift nach Kleinasien vor, die nach und nach die Keilschrift verdrängten bis ihre Kenntnis vollständig verloren ging.
Eine Sonderform der Keilschrift stellt die persische Keilschrift dar. Zu Beginn der Regierungszeit Dareios I. im Jahr 521 v. Chr. besaßen die Perser noch keine eigene Schrift. Die Verwaltungssprache des persischen Reiches war elamisch, daneben wurde in Reliefs stets auch eine Übersetzung in babylonisch angebracht. Dareios I. ordnete die Schaffung einer eigenen persischen Schrift (altpersisch). Die persische Keilschrift war viel einfacher strukturiert (34 Zeichen) als die Keilschriften der Elamer (ca. 200 Zeichen) und Babylonier (ca. 600 Zeichen), und hatte zur besseren Lesbarkeit Worttrenner.
Die persische Keilschrift wurde später (um 400 v. Chr.) durch das Einführen des Aramäischen verdrängt. Der späteste bekannte Keilschrifttext, eine astronomische Tabelle, stammt aus dem Jahr 75 n. Chr.
Entschlüsselung und Übersetzung der Keilschrift
Nachdem der Italiener Pietro della Valle 1621 in einem Brief fünf Keilschriftzeichen von einem Ziegel aus Persepolis mitgeteilt hatte, setzte die Entschlüsselung dieser vereinfachten persischen Keilschrift anhand der Kopien von Inschriften ein, die der Orient-Forscher Carsten Niebuhr im Jahre 1765 ebenfalls in Persepolis angefertigt hatte. Ihre Veröffentlichung lag den bahnbrechenden Kombinationen des deutschen Philologen Georg Friedrich Grotefend (Göttingen) zu Grunde. Ohne dass er über Kenntnisse von Schrift und Sprache, vor allem aber auch eine parallele Textfassung in anderen Sprachen verfügt hätte, gelang es ihm im Sommer 1802 binnen weniger Wochen, fast ein Drittel des gesamten Zeichen-Inventars zu entschlüsseln. Das war allerdings nur möglich, weil es sich um recht einförmiges Material handelt, das weitgehend aus Königsnamen mit Filiation und Titulatur besteht, auf die historische Kenntnisse angewandt werden konnten; dementsprechend blieben Grotefend auch die – wenigen – sachlichen Teile dieser Inschriften verschlossen.
Fortschritte ergaben sich zunächst durch die Erforschung verwandter Sprachen (Avestisch und Sanskrit), vor allem durch den norwegischen Philologen Christian Lassen. Die Einsichten in diesem Bereich konnten auf persische Inschriften angewandt werden. Auch hier halfen Namen – hier Völkernamen – weiter. Dazu kam vor allem aber weiteres Material, wie es der englische Offizier Henry Creswicke Rawlinson mit der Kopierung (1835–1837) und Veröffentlichung (1846/47 und 1851) der Behistun-Inschrift bereitstellen konnte. Erneut waren es Namen, durch deren Kenntnis die noch fehlenden Zeichen erschlossen werden konnten.
Bei der Inschrift auf dem Felsen von Behistun handelt es sich um eine Trilingue. Nach der Entzifferung des persischen Texten war der Weg frei zur Entzifferung auch der komplexeren Keilschriften in den Sprachen Elams und Babylons.
Anfang des 20. Jahrhunderts entzifferte Bedřich Hrozný die Schriftsprache der Hethiter und legte Grundsteine zur Erforschung deren Sprache und Geschichte.
Schriftgut
Die frühe sumerische Schriftkultur stand zunächst ganz alleine der Tempeladministration zur Verfügung, die sie für das Steuerwesen und die Verwaltung als Instrument staatlicher Kontrolle einzusetzen verstand. Allerdings dauerte es sehr lange, bis sich die Keilschrift des gesamten funktionalen Spektrums bemächtigen konnte, das den Schriftgebrauch der antiken Hochkulturen kennzeichnet. Erst nach religiösen und politischen Dokumenten oder privaten Kaufverträgen entstehen wissenschaftliche Schriften und unterhaltende Literatur. Zu den überlieferten Texten gehören Königsinschriften, Epen, Mythen, Hymnen, Wahrsagesprüche und Klagelieder, darunter auch das Gilgamesch-Epos, eine der ältesten überlieferten Dichtungen der Menschheit, und das berühmteste literarische Werk Altbabylons.
Mit der Adaption der Keilschrift durch andere altorientalische Hochkulturen entstand zwischen den Völkern ein erster Briefwechsel, ein Vorläufer des heutigen Postdienstes, wobei die versandten Tontafeln mit Schutzhüllen aus gebranntem Ton versehen wurden.
Es bildete sich der privilegierte Stand des Schreibers heraus, der über das Ansehen eines Aristokraten verfügte, und aufgrund seines direkten Zuganges zu wichtigen Informationen zum Teil mächtiger wurde, als die meist analphabetischen Herrscher. Schreiberschulen wurden eingerichtet, deren Disziplin und Strenge auch anhand von erhaltenen Hausaufgaben dokumentiert ist.
Schriftentwicklung
Die Entwicklungsgeschichte der Keilschrift ließ sich über Tontafeln mit Abschriften, die Tempelschüler bei ihren Lehrmeistern machten, nachvollziehen. Anfänglich handelte es sich bei den Schriftzeichen um Piktogramme, um vereinfachte bildhafte Darstellungen eines Gegenstandes oder Wesens. Später entwickelte sich die Keilschrift zu Ideogrammen weiter, die komplexe Gedankengänge darstellten.
Ab etwa 2900 v. Chr. verloren die Piktogramme mehr und mehr ihre ehemalige Funktion und ihren ursprünglichen Bezug. Nun konnte ein einzelnes Zeichen je nach Sinnzusammenhang verschiedene Bedeutungen haben. Im nachfolgenden Entwicklungsschritt wurde nur noch eine Bedeutung mit einem Zeichen in Verbindung gebracht. Aus ursprünglich 1500 Piktogrammen entwickelten sich so 600 Zeichen, die regelmäßig verwendet wurden. Diese Zeichen bezogen sich mit der Zeit immer mehr auf die Lautung der Worte, die gesprochen wurden. Es entstanden Bilderrätsel (Rebus), in denen ein Piktogramm nicht mehr für das dargestellte Objekt stand, sondern für ein ähnlich lautendes Wort. Ähnlich wie bei den Hieroglyphen vollzog sich bei der Keilschrift über lange Zeiträume hinweg eine Phonetisierung der Schriftzeichen. Damit ein eindeutiges Lesen möglich war, mussten die Schreiber Determinative einführen, um die Zeichen nach Objektbedeutung und Lautbedeutung klassifizieren zu können.
Struktur und Transliteration
Die babylonische Keilschrift, wie sie für das Sumerische, Akkadische und Hethitische und viele weitere Sprachen gebraucht wurde (die ugaritische Keilschrift stellt ein Alphabet dar und muss hier ausgeklammert werden) verfügt im Wesentlichen über Logogramme, Phonogramme und Determinative. Logogramme stehen für ein Wort, leiten sich zumindest in einigen Fällen aus einem Bild des dargestellten Gegenstandes ab und sind oft für mehrere Sprachen identisch. Logogramme werden in der modernen Assyriologie mit ihrem sumerischen Lautwert transliteriert. Das Zeichen lú, ursprünglich das Abbild einer Person, steht beispielsweise für das sumerische Wort /lu/ „Mann“. Man kann es aber auch in akkadischen Texten benutzen, wo es /awilum/ zu lesen ist (so das akkadische Wort für „Mann“), oder in hethitischen Texten für /antuhšaš/ „Mann“. Die in der Assyriologie übliche Transliteration lautet in allen Fällen lú, wobei für Logogramme eine Wiedergabe in nichtkursiven Minuskeln üblich ist. Solche Logogramme werden in akkadischen und hethitischen Texten gewöhnlich in etwas schiefer Terminologie als Sumerogramm bezeichnet, weil als moderne Transliteration eben für alle Sprachen der sumerische Lautwert üblich ist.
Gewisse Logogramme, deren sumerische Lesung als unbekannt oder ungesichert gilt, setzt man in nichtkursive Majuskeln. So gibt es ein als UŠ transliteriertes Längenmaß, dessen Lesung als ungesichert gilt. Die Transliteration rührt daher, dass dasselbe Zeichen im Akkadischen als Phonogramm für uš gebraucht wird und daher das Längenmaß die Lesung /uš/ zumindest gehabt haben könnte. Großschreibung wird auch eingesetzt, um die Unsicherheit zwischen mehreren möglichen Umschreibungen mehrdeutiger Zeichen anzugeben. Beispielsweise steht ein und dasselbe Zeichen (ursprünglich Bild eines Fußes) für die sumerischen Verben du „gehen“ und gub „stehen“, die man im Regelfall auch so transliteriert. Eine Entscheidung zwischen beiden Lesungen beinhaltet hier also neben der reinen Benennung des Keilschriftzeichens auch noch eine inhaltliche Interpretation des Textes. Wenn ein Textherausgeber sich aber in einem gegebenen Kontext nicht für eine der beiden Lesungen entscheiden will, transliteriert er DU. Die Großschreibung ist hier eine Chiffre, um das Zeichen des Originals zu benennen, deutet aber an, dass man sich nicht konkret auf eine der möglichen Interpretationen festlegen will.
Phonogramme stehen gewöhnlich für Verbindungen der Art Konsonant+Vokal, Vokal+Konsonant oder Konsonant+Vokal+Konsonant. Sie werden in allen Keilschriftsprachen gleich transliteriert und haben wenigstens prinzipiell die gleiche Aussprache. So kann man das Silbenzeichen da als Silbenzeichen für /da/, zum Beispiel in grammatischen Endungen, gleichermaßen im Sumerischen, Akkadischen, Hethitischen und anderen Keilschriftsprachen finden. Bei der Transliteration des Akkadischen und Hethitischen (nicht Sumerischen) ist es üblich, Phonogramme in kursiven Minuskeln zu setzen. Beispielsweise kann der Genitiv des akkadischen Wortes für „Mann“, /awilim/, mit der Kombination des Logogramms lú (= akkadisch /awilum/) und des Phonogramms lim, das die grammatische Form präzisiert, geschrieben werden. Diese Kombination zweier Keilschriftzeichen transliteriert man lú-lim.
Determinative sind oft formal identisch mit Logogrammen, stehen aber nicht alleine für ein Wort oder einen Wortkern, sondern werden einem schon komplett phonographisch oder logographisch ausgeschriebenen Wort noch hinzugesetzt. Beispielsweise kann das schon erwähnte Zeichen lú „Mann“ in sumerischen, akkadischen oder hethitischen Texten bestimmten Personenbezeichnungen, z. B. Berufsbezeichnungen, vorausgehen, ohne dass es als solches lautlich mitzulesen ist. Ein solches Zeichen mit semantischem Wert, aber ohne direkte phonetische Realisierung bezeichnet man als Determinativ; die übliche Transliteration ist die als hochgestellte Minuskel. In diesem Bereich können viele Zweifelsfälle entstehen wie in dem sumerischen Wort lú-érim „Feind“ (wörtlich: Mann-feindlich). Es könnte hier sein, dass auf sumerisch wirklich /luerim/ gesprochen wurde; in diesem Falle lägen zwei Logogramme vor. Vielleicht wurde aber auch nur /erim/ gesprochen und lú hätte nur den Wert eines Determinativs gehabt. Wer dieser Meinung ist, wird das Element lú nach der Konvention hochgestellt transliterieren. Da die Aussprache von Wörtern in Keilschriftsprachen häufig Unsicherheiten der genannten Art aufweist, bleibt die Zeichenklassifikation bis zu einem gewissen Grad unsicher und schwankt auch die Transliterationspraxis zwischen den einzelnen Forschern.
Transliteration mit Akzenten und Indexziffern
Die Transliteration eines Keilschriftzeichens ist im Prinzip eindeutig, d. h. aus dem Transliterat lässt sich, abgesehen von paläographischen Details, das im Original verwendete Keilschriftzeichen immer erschließen. Ein Zeichen wird auch im Prinzip immer gleich transliteriert ohne Rücksicht darauf, ob der Text auf sumerisch, akkadisch, hethitisch etc. geschrieben ist. Um die Eindeutigkeit zu ermöglichen, werden in der Transliteration (1) alle Einzelzeichen durch Bindestrich oder andere typographische Mittel (whitespace, Hochstellung) voneinander getrennt, und (2) Zeichen, für die ein identischer Lautwert vermutet wird, durch Akzente und/oder tiefgestellte Indexziffern voneinander unterschieden. Heute maßgeblich ist hier das von den Assyriologen Borger, Civil und Ellermeier kodifizierte System (BCE-System).[1] So gibt es ein Zeichen lu (häufiges Phonogramm z. B. im Akkadischen). Ein zweites Zeichen, für das – im Sumerischen – ebenfalls der Lautwert /lu/ angesetzt wird, umschreibt man lú mit einem Akut oder alternativ lu2 mit Indexziffer 2 (das oben erwähnte Wort für „Mann“). Weitere Zeichen mit dem Lautwert /lu/ notiert man als lù oder lu3 (u. a. ein sumerisches Verb für „verwirren“), dann mit 4 und höheren Indexziffern. Es ist also insbesondere zu beachten, dass die Akzente keinesfalls als Betonungs- oder ähnliche Angaben missverstanden werden dürfen.
Da das Transliterationssystem für alle Keilschriftsprachen gemeinsam ist und Homophone aus allen Sprachen gleichzeitig berücksichtigen muss, ergeben sich insgesamt sehr viele Zeichen mit gleicher Lesung und eine entsprechend hohe Dichte an Akzenten und Indexziffern bei der Umschreibung zusammenhängender Texte. So ist im Sumerischen zum Beispiel das Zeichen gu10 recht häufig (u. a. Possessivpronomen „mein“), obwohl im Sumerischen selbst die meisten der gu-Zeichen mit niedrigerem Index (gu, gú, gù, gu4, gu5, … gu9) nicht oder wenig gebräuchlich sind. Es ist einmal der Vorschlag gemacht worden, ein rein auf das Sumerische beschränktes Transliterationssystem zu entwickeln,[2] was die Umschrift dieser Sprache von Zusatzzeichen entlasten würde, aber den Vorteil der Verwendbarkeit für alle Keilschriftsprachen aufgäbe.
Schriftmedien
Das bevorzugte Schriftmedium der Keilschrift zur Zeit ihrer Verbreitung (3000 v. Chr. bis 500 v. Chr.) waren vor allem Tafeln aus gebranntem oder ungebranntem, weichem Ton und Stein, in die die Schriftzeichen mittels eines Schilfrohr- oder Holzgriffels eingeprägt wurden. Es wurden aber auch mit einem Stichel in Silberplatten geprägte Texte in Keilschrift gefunden. Bei der so genannten Persischen Mumie, einer archäologischen Fälschung, die im November 2000 entdeckt wurde, waren Keilschriftzeichen auf einem Holzschrein und in einer goldenen Brustplatte der Mumie eingraviert.
Quellen
- ↑ Siehe etwa das unter Literatur erwähnte Borger, Mesopotamisches Zeichenlexikon
- ↑ S. Parpola: Transliteration of Sumerian: Problems and Prospects, in Festschrift Salonen (StOr 46), 1975, 239-257
Siehe auch
Literatur
- Hans Baumann: Im Lande Ur. Die Entdeckung Altmesopotamiens; Ravensburger Taschenbücher 229; Ravensburg: Maier, 19814; ISBN 3-473-39229-4 ( = Gütersloh: Bertelsmann-Jugendbuchverlag, 1968), S. 105
- Rykle Borger: Assyrisch-Babylonische Zeichenliste; Alter Orient und Altes Testament 33/33A; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 19884; ISBN 3-7887-0668-6; und: Kevelaer: Butzon und Bercker, 19884; ISBN 3-7666-9206-2
- Rykle Borger: Mesopotamisches Zeichenlexikon; Alter Orient und Altes Testament 305; Münster: Ugarit-Verlag, 2004; ISBN 3-927120-82-0
- Anton: Deimel: Die Inschriften von Fara, Band 1: Liste der archaischen Keilschriftzeichen; Ausgrabungen der Deutschen Orientgesellschaft in Fara und Abu Hatab 1; Wissenschaftliche Veröffentlichung der Deutschen Orientgesellschaft 4; Osnabrück: Zeller, 1970 ( = Leipzig: J. C. Hinrichs, 1922); Online beim Max-Planck-Institute for the History of Science
- Adam Falkenstein: Archaische Texte aus Uruk; Ausgrabungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Uruk-Warka 2; Berlin: Deutsche Forschungsgemeinschaft; Leipzig: Harrassowitz, 1936; Online beim Max-Planck-Institute for the History of Science
- E. Forrer: Die Keilschrift von Boghazköi; Leipzig: J. C. Hinrichs, 1922 ( = Wissenschaftliche Veröffentlichung der Deutschen Orientgesellschaft 41; Osnabrück: Zeller, 1969)
- Johannes Friedrich: Hethitisches Keilschrift-Lesebuch; Heidelberg: Winter, 1960 (Band 1: 19752, ISBN 3-533-00594-1; Band 2: 19782, ISBN 3-533-00595-X)
- Yvonne Rosengarten: Répertoire commenté des signes présargoniques sumériens de Lagash; Paris, 1967 Online beim Max-Planck-Institute for the History of Science
- Christel Rüster, Erich Neu: Hethitisches Zeichenlexikon (HZL); Studien zu den Boǧazköy-Texten: Beiheft 2; Wiesbaden: Harrasowitz, 1989; ISBN 3-447-02794-0
- Jean-Jacques Glassner: Écrire à Sumer: l’invention du cunéiforme; Seuil, 2001
- englische Ausgabe: The Invention of Cuneiform. Writing in Sumer; Johns Hopkins University Press, 2003; ISBN 978-0-8018-7389-8
- Karoly Földes-Papp: Vom Felsbild zum Alphabet. Die Geschichte der Schrift von ihren frühesten Vorstufen bis zur modernen lateinischen Schreibschrift; Stuttgart: Chr. Belser, 1966; ISBN 3-8112-0007-0
- Harald Haarmann: Geschichte der Schrift; München: C. H. Beck, 2002; ISBN 3-406-47998-7
- Harald Haarmann: Universalgeschichte der Schrift; Frankfurt/Main, New York: Campus, 1990; ISBN 3-593-34346-0
- Gebhard Selz: Altsumerische Verwaltungstexte aus Lagas; Stuttgart: Steiner, 1989ff.; T.1–2; ISBN 3-515-05204-6
- Teil 3: Die altsumerischen Wirtschaftsurkunden aus Berlin, nebst einer Untersuchung. Altsumerische Wirtschaftsurkunden aus Berlin als Dokumente einer redistributiven Ökonomie im Wandel (In Vorbereitung)
- B. André-Leickman, C. Ziegler (Hrsg.): Naissance de l’écriture, cunéiformes et hiéroglyphes; Paris: Éditions de le Réunion des Musées Nationaux, 1982
- J. Bottéro: De l’aide-mémoire à l’écriture; in Mésopotamie, l'Écriture, la Raison et les Dieux, Gallimard, S. 132–163
- Bedřich Hrozný: Keilschrifttexte aus Boghazköi, Heft 5/6, Autographien; Wissenschaftliche Veröffentlichung der Deutschen Orientgesellschaft 36; Leipzig: Hinrichs, 1921 ( =Osnabrück: Zeller, 1970; ISBN 3-7861-1394-7)
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