Schreiber

Schreiber
Schreiber mit diversen Materialien (Darstellung aus dem Mittelalter)

Der Beruf des Schreibers (lat.: Actuarius) als eines der Schreib- und Lesekunst Mächtigen wandelte sich im Laufe der Menschheitsgeschichte in seiner Bedeutung und Bedeutsamkeit mehrfach.

Inhaltsverzeichnis

Mesopotamien

Die Kunst, eigenen oder auch fremden Gedanken, religiösen Texte oder auch schlicht der (land)wirtschaftlichen Buchführung mittels durch Übereinkunft festgesetzter Zeichen (Buchstaben) sichtbaren und dauerhaften Ausdruck zu geben, war eine wesentliche Errungenschaft der frühen Hochkulturen. Im mesopotamischen Sumer haben die Archäologen die ältesten, aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. stammenden Tontafeln mit Schriftzeichen gefunden. Die Ursprünge dieser keilförmigen Schriftzeichen liegen in einer Bilderschrift, die sich zur lautbeschreibenden Schrift weiterentwickelte. Menschen, die diese Fähigkeiten beherrschten, gehörten zur Oberschicht, bzw. stammten daraus, da die Ausbildung aufwändig war und Schreiber vor allem für staatliche Aufgaben benötigt wurden, wie für Steuerlisten. Königliche Schreiber hatten eine Vertrauensposition inne, gaben sie doch oft vertrauliche Nachrichten wieder, und ihre Arbeit war nicht durch jeden überprüfbar. Auch Verträge zwischen Privatpersonen sowie Geldschulden wurden schriftlich festgehalten.

In Mesopotamien war Nabu der Schutzgott der Schreiber. Mehrere Texte preisen den Beruf des Schreibers [1]. "Sei eifrig in der Kunst des Schreibens, sie wird Dich mit Reichtum und Überfluß versehen" fordert ein in mehreren Variationen aus der Bibliothek des des Assurbanipal in Niniveh sowie aus Kiš überlieferte Text [2]. Solche Texte dienten wohl vor allem als Schultexte.

Das Amt vererbte sich oft von den Vater auf den Sohn, es gab jedoch auch Söhne, die sich einer solchen Karriere widersetzen.

In Mesopotamien war Assurbanipal der einzige König der, nach eigenen Angaben, Lesen und Schreiben konnte und selbst seltene und ungewöhnliche Zeichen beherrschte. Wie ein neuassyrischer Brief des Sin-naʿdi belegt[3], in dem er den König bittet, den Statthalter von Arrapḫa oder einen gewissen Aššur-belu-taqqin anzuweisen, ihm einen Schreiber zuzuweisen belegt, konnten aber mehr Leute schreiben, als gemeinhin angenommen. Sin-naʿdis Brief ist lesbar, er benutzt aber ungewöhnliche Silbenzeichen und V-K Zeichen statt der bevorzugten K-V-K-Zeichen[4].

Ägypten

Die Ursprünge der sog. „Schrift der Gottesworte“, deren älteste Funde aus der Zeit um 3500 v. Chr. (Naqada III) in Abydos stammen), liegen in einer Bilderschrift, ähnlich die sich zur lautbeschreibenden Schrift weiterentwickelte. Der Beruf des Schreibers war, wie in der altägyptischen Lehre des Cheti ausgeführt, mit großen Privilegien verbunden. Imhotep, der Schreiber des Königs Djoser, wurde zu göttlichem Rang erhoben[5].

Schriftgelehrte

Ein kleiner dargestellter Schreiber übergibt Gero die auftragsgemäß geschriebene Prunkhandschrift

Als Schriftgelehrte werden weniger die Schreiber, als vielmehr die sich in den Schriften Auskennenden bezeichnet. Sie gehörten der höfischen oder klerikalen Oberschicht an, wobei etwa ab 800 n. Chr. die Klöster, zunächst nur innerhalb ihrer Mauern, maßgeblich an der Verbreitung der Schreibkunst Anteil hatten. Viele Mönche (selten Nonnen) wurden an die Höfe berufen, um als Schreiber der Landesherren tätig zu sein.

Ansehen der Schreiber

Ansehen und Zahl der Schreibkundigen stieg im Hoch- und Spätmittelalter stetig an, bedingt durch die Blüte des Rittertums, das Einsetzen des Fernhandels und damit auch der Geldwirtschaft und das Aufstreben des Bürgertums. Der Schreiber wird zum Chronisten und Protokollanten, zum Urkundenverfasser und Bibelkopierer, manchmal auch zum Literaten und als Stadtschreiber sogar zum höchsten Beamten der Stadt. Mit der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg etwa 1450, also im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, verliert der Beruf des Schreibers schnell an Bedeutung.

Schreiber heute

Schreiber in Puducherry (Indien) warten an einer Straße auf Kunden

Seit Anfang des 16. Jahrhundert gehört in den Ländern mit europäischer Kultur das Schreiben-Können mehr und mehr zum Allgemeingut, so dass es nicht mehr als Kunst im höheren Sinn des Wortes, sondern nur noch als eine Fertigkeit angesehen wird. Der Handschriften verfassende Schreiber verschwindet aus dem Sprachgebrauch, der literarische Schreiber wird zum Redakteur, Schriftsteller, Autor, auch Verfasser genannt. Werke für andere, die unter deren Namen herausgegeben werden, werden von Ghostwritern geschrieben, worunter auch Redenschreiber fallen. Manche Schreiber spezialisieren sich auf Kalligrafie.

In Frankreich gibt es schätzungsweise noch 300 professionelle öffentliche Schreiber, wobei die wenigsten allein von ihrer Schreibtätigkeit leben können. Aufträge sind oft Bewerbungen und Anträge ausländischer Firmen, hin und wieder Beschwerdebriefe verärgerter Kunden, selten persönliche Briefe die besonderes Fingerspitzengefühls erfordern. Auch Auftragsbiografien sind ein Betätigungsfeld. An der Universität Paris III und der Universität Toulon-Var kann das Fach des öffentlichen Schreibers mit Diplom abgeschlossen werden. Dazu kommen viele freiwillige Helfer, die Ausländern und Menschen mit Schreibschwächen bei Behördengängen unterstützen und in Rathäusern Sprechstunden abhalten.[6][7]

In Ländern mit hoher Analphabetenquote ist der Beruf des Schreibers indes noch bekannt. Dort lassen derzeit vor allem allzeits verfügbare Mobiltelefone mit günstigen Tarifen die Aufträge schrumpfen. Im Gegensatz dazu verabredeten sich bei Aufkommen des Festnetztelefons, wo sich meist mehrere Familien einen Apparat teilten, so manche per Brief zum Telefon-Rendezvous. Auch in der Kommunikation mit den Behörden sind heute vielfach Mobiltelefone im Einsatz.[8][9]

Verschiedene Schreiber

Auch heute unterscheidet man Briefeschreiber, Texteschreiber, Zeitungsschreiber. Heutige Berufe, in denen das Schreiben eine wesentliche Rolle spielt, sind etwa der Stenograf, der Protokollführer, der Redenschreiber sowie der Ghostwriter.

Stadtschreiber

In einigen Städten (zum Beispiel Mainz und Frankfurt am Main) gibt es in moderner Zeit einen Stadtschreiber, der für eine festgesetzte Anzahl von Jahren, ausgestattet mit einem festen Gehalt und Wohnung, frei von finanzieller Bedrängnis seinen literarischen Neigungen nachgehen kann.

Schiffsschreiber

Der Kreuzfahrtveranstalter Hapag-Lloyd vergab 2006 erstmals die Stelle eines Schiffsschreibers. Ein ausgewählter Schriftsteller (2006 der Hamburger Autor Matthias Politycki) erhielt hierbei die Möglichkeit, auf einer halbjährigen Weltreise mit dem Fünf-Sterne-Schiff MS Europa Länder und Meere aus der Warte eines schwimmenden Luxushotels kennenzulernen und hinter die Kulissen des offiziellen Bordprogramms blicken zu dürfen.

Gerichtsschreiber

Ein Gerichtsschreiber, auch Actuar oder Sekretär genannt, war ein Beamter, welcher die Verhandlungen einer Behörde oder eines Gerichts schriftlich aufzeichnete.[10] Der Gerichtsschreiber war zunächst lediglich Protokollführer, erhielt jedoch im Laufe der Zeit auch selbständige richterliche Befugnisse, besonders in der freiwilligen Gerichtsbarkeit. In Deutschland wird diese Tätigkeit heute unter anderem vom Urkundsbeamten ausgeführt, darüber hinaus wurden ab 1923 Schreiber, denen zusätzliche Aufgaben übertragen wurden, laut „preußischer Entlastungsverfügung“ als „Rechtspfleger“ bezeichnet. In der Schweiz sind Gerichtsschreiber ausgebildete Juristen, die an der Gerichtsverhandlung mitwirken und an der Entscheidfindung beteiligt sind. Sie verfassen schließlich die schriftliche Begründung des Urteils. [11]

Einzelnachweise

  1. z. B. Åke W. Sjöberg, In Praise of the Scribal Art, Journal of Cuneiform Studies 24/4, 1972, 26-131
  2. AO. 9073; TCL 16 96
  3. K 652 (ABL 151)
  4. Simon Parpola, The Man Without a Scribe and the Question of Literacy in the Assyrian Empire. In: Beate Pongratz- Leisten, Hartmut Kühne, Paolo Xella (Hrsg.), Ana Šadi Labnānî lū allik. Beiträge zu altorientalischen und mittelmeerischen Kulturen. Festschrift für Wolfgang Röllig. AOAT 247, Verlag Butzon & Bercker Kevelaer/Neukirchener Verlag Neukirchen-Vluyn 1997, 315 ff.
  5. Brian E. Colless, Divine Education. Numen 17/2, 1970), 120f.
  6. Uwe Gepp, AP: Öffentliche Schreiber: Nachfahren des Cyrano de Bergerac, stern.de, 16. August 2004
  7. Europas Schreiber suchen Nischen, orf.at, 12. Juni 2011
  8. Thomas Schneider: Rückschau: Marokko - Die letzten öffentlichen Schreiber, ARD-Weltspiegel, 5. Dezember 2010
  9. Siegeszug der Handys, orf.at, 12. Juni 2011
  10. Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 34. hier online auf zeno.org
  11. Der Gerichtsschreiber – mehr Gericht als Schreiber? des Verband St. Gallischer Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber

Siehe auch

Weblinks


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