- Klatsch
-
Klatsch ist eine Form der gesellschaftlichen Unterhaltung, bei der absichtsvoll Informationen über nicht anwesende Personen ausgetauscht werden. Neben der Bedeutung ‚trivial‘ steht Klatsch aber auch ausdrücklich für ‚Gerücht‘, also Unbelegbares, bis hin zu beabsichtigt Falsches. Dies unterscheidet ihn vom Tratsch, der eher zielloses Schwatzen und Erzählen bezeichnet. (Daher auch das unterscheidende „und“ in der Redensart „Klatsch und Tratsch“.) Der englische Begriff Gossip wird inzwischen auch im Deutschen benutzt, häufig im Zusammenhang mit internationalen Berühmtheiten, und eher mit einer freundlich-harmlosen Konnotation.
In vielen Kulturen, etwa im Judentum, wo er als Lashon hara bezeichnet wird, gilt Klatsch als ein ernstes Vergehen.[1] So straft Gott Mirjam, als diese ihren Bruder Mose wegen dessen kuschitischer Frau verklatscht, mit Aussatz.[2]
Inhaltsverzeichnis
Sozialwissenschaftliche Ansätze
Die Ethnologie und Soziologie, insbesondere die Sozialpsychologie, beschäftigen sich mit dem Thema Klatsch, seinen Kommunikationsformen, seiner sozialen Funktion und gesellschaftlichen Rezeption. Namentlich im Umkreis oder unter Einfluss der Manchester School haben ihr Begründer Max Gluckman sowie J. Clyde Mitchell und Jörg Bergmann u. a. den Klatsch gründlich analysiert.
Soziale Kontrolle durch Klatsch
Der Klatsch an sich und die Furcht vor Klatsch bilden die Grundlage für soziale Kontrolle innerhalb einer Gemeinschaft. Die soziale Kontrolle ist in der Regel wechselseitig, da im Normalfall jeder gleichermaßen Furcht vor Klatsch hat, auch wenn es sich manche nicht eingestehen. Werden Norm- und Wertvorstellungen einer Gemeinschaft verletzt, erleichtert dies den Klatsch; doch kann er auch unzutreffende Gerüchte schaffen und weitergeben. Klatsch ist somit auch ein Mittel der Intrige, also zur Abwicklung von Feindseligkeiten und Rivalitäten, ohne dass, wer hinterrücks klatscht (daher die veraltete Bezeichnung „Afterrede“), mit dem Betroffenen selber konfrontiert ist. Somit dient Klatsch auch der Nivellierung von Macht- und Statusunterschieden.
Klatsch gilt gesellschaftlich als Untugend. In vielen religiösen Gemeinschaften gibt es Regeln, die den Klatsch verbieten. Gleichwohl dient Klatsch als sozialer Kitt, und ist im Rahmen mündlichen Erzählens in jeder Kultur aufgefunden worden. Einfachere Klatschformen in dichten sozialen Netzwerken entsprechen primär dem Begriff Neuigkeiten (über Bekannte und die nähere Gemeinschaft) austauschen („Dorfklatsch“, „Küstenklatsch“).
Klatsch über Prominente ist das Gebiet der Klatschpresse (Boulevardpresse, Yellow Press, Regenbogenpresse) bzw. der Klatschspalten bestimmter Zeitungen, und nimmt heute eine bedeutende globale Rolle ein. Die soziale Funktion, die hinter dem offenbar enormen Bedürfnis, Details auch privater bis intimer Natur über die gesellschaftlichen Leitpersönlichkeiten erfahren zu wollen, ist ein sehr komplexes Phänomen, und wird noch nicht ganz verstanden. Studien über die Sozialstruktur der Menschenaffen legen nahe, dass Einblick in die Spannungen in der Führungshierarchie von großer Wichtigkeit für jedes Gruppenmitglied – und die Gruppe als Gesamtkörper – sind, und genau registriert werden.
Hohe Anforderungen an den Klatsch
Da die erläuterten Funktionen und die Wechselspielchen beim Klatsch sehr komplex sind, erfordert Klatsch nach soziologischer Ansicht eine gewisse kommunikative Kompetenz der redenden Personen. Jörg Bergmann geht sogar so weit, dass er von einer Kunst von Enthüllungen über Dritte spricht. So ist es zu erklären, dass Geheimnisse innerhalb einer Gemeinschaft auch „Geheimnisse“ bleiben können, auch wenn eigentlich jeder davon weiß. Denn Klatsch enthüllt unmittelbar und im Inoffiziellen, im Gegensatz zu Skandalen, die Geheimnisse der öffentlichen Meinung als einem Tribunal vermitteln.
Literatur
- Birgit Althans: Der Klatsch der Frauen und das Sprechen bei der Arbeit. Campus, Frankfurt am Main u. a. 2001, ISBN 3-593-36633-9.
- Cheryll Bernard, Edith Schlaffer: Männerdiskurs und Frauentratsch. Zum Doppelstandard in der Soziologie. In: Soziale Welt 32, 1981, ISSN 0038-6073, S. 119–136.
- Jörg R. Bergmann: Klatsch. Zur Sozialform der diskreten Indiskretion. de Gruyter, Berlin u. a. 1987, ISBN 3-11-011236-1.
- Robin Dunbar: Klatsch und Tratsch. William Goldmann, München 2000, ISBN 3-442-15099-X.
- Andreas Gestrich: Absolutismus und Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, ISBN 3-525-35766-4, (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 103), (Zugleich: Stuttgart, Univ., Habil.-Schr., 1992).
- Max Gluckman: Gossip and Scandal. In: Current Anthropology 4, 1963, ISSN 0011-3204, S. 307–316.
- Edmund Lauf: Gerücht und Klatsch. Die Diffusion der „abgerissenen Hand“. Spiess, Berlin 1990, ISBN 3-89166-102-9, (Hochschul-Skripten - Medien 31).
- Christian Schuldt: Klatsch! Vom Geschwätz im Dorf zum Gezwitscher im Netz. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-458-17457-8.
- Klaus Thiele-Dohrmann: Unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Zur Psychologie des Klatsches. Claassen, Düsseldorf 1975, ISBN 3-546-49096-7.
Siehe auch
Weblinks
- Warum Menschen Klatschgeschichten lieben ("Bild der Wissenschaft", 16. Februar 2006)
Einzelnachweise
Kategorien:- Methode der Kommunikation
- Alltagskultur
Wikimedia Foundation.