Klausenhöhle

Klausenhöhle
Klausenhöhle
Eingang der Klausenhöhle

Eingang der Klausenhöhle

Lage: Essing im Altmühltal
Höhe: 398 m ü. NN
Geographische Lage: 48° 56′ 4,8″ N, 11° 47′ 4,4″ O48.93466666666711.784569444444398Koordinaten: 48° 56′ 4,8″ N, 11° 47′ 4,4″ O
Klausenhöhle (Bayern)
Klausenhöhle
Gesamtlänge: 330 mdep1

Die Klausenhöhle ist eine öffentlich zugängliche Höhle im Altmühltal bei Essing in Bayern. Die ca. 330 Meter lange Höhle im Jurakalk befindet sich zwischen 25 und 55 Meter über der Talsohle. Die Höhle besteht aus mehreren dicht beieinander liegenden Felsnischen in vier unterschiedlichen Höhenlagen. Als archäologische Fundstellen werden sie (von unten nach oben) in die Untere Klause, die Klausennische sowie die Mittlere und Obere Klause unterschieden. Von der Mittleren zur Oberen Klause gibt es einen Verbindungsgang, den sogenannten „Kamin“.

Inhaltsverzeichnis

Forschungsgeschichte

Zwischen 1900 und 1908 grub hier der Lokalforscher Joseph Fraunholz, der hauptberuflich Rentamtmann war, sich jedoch große Verdienste um die Erforschung der Höhlenfundstellen im Naab- und Altmühltal erworben hatte. Durch die Vermittlung Hugo Obermaiers wurde von 1912 bis 1913 eine Ausgrabung durch das Institut de Paléontologie Humaine (Paris) durchgeführt, bei der neben Obermaier und Fraunholz auch Professor Ferdinand Birkner (Grabungsleiter), Gero von Merhart und Paul Wernert beteiligt waren.[1] Weitere Untersuchungen in der Unteren und Mittleren Klause fanden 1960/61 durch die Erlanger Prähistoriker Gisela Freund und Lothar Zotz statt.

Untere Klause

Die Untere Klause wurde um 1860 bis auf geringe Reste der Sedimente ausgeräumt und in einen Bierkeller verwandelt. Sinterleisten an den Wänden markieren die ursprüngliche Sedimenthöhe. Bei den Nachgrabungen 1960 konnten keinerlei archäologische Funde gemacht werden. Nur am Höhlenvorplatz wurden noch zwei Schichten angetroffen, wobei Steingeräte des Mittel- und Jungpaläolithikums sowie des Neolithikums vermischt an der Grenze zwischen den beiden Schichten gefunden wurden. Die aussagefähigsten Stücke hatten sich längs der Felswand in Karsttaschen erhalten.

1962 fand hier Manfred Moser aus Regensburg ein stark s-förmig gekrümmtes Schlüsselbeinfragment, für das das Kürzel „Neuessing 3“ vorgeschlagen wurde und das möglicherweise einem Neandertaler zuzuschreiben ist.[2]

Klausennische

In dem heute 4 Meter breiten und bis 2,7 Meter hohen Abri wurde 1860 ein Biergarten eingerichtet. Dabei ging ein Großteil der Fundschichten verloren. Von den beiden oberen Schichten konnten nur noch geringe Reste untersucht werden. Sie enthielten Funde aus der Jungsteinzeit (Schicht 1) und einer nicht mehr näher datierbaren Phase des Jungpaläolithikums (Schicht 2). Unter einem schmalen Moustérien-Horizont (Schicht 3) folgt ein graugelber Lehm mit zahlreichen Artefakten, Tierknochen und Feuerstellen, die zunächst von Birkner ins Acheuléen gestellt und als „Klausennischenkultur“ bezeichnet wurde (Schicht 4). Ein fundleerer roter Lehm schließt die Schichtenfolge nach unten ab.

In der Hauptfundschicht – der graugelben Lehmschicht 4 – wurden während der Grabungen 1912/1913 verschiedene Micoquekeile gefunden (damals noch Acheuléen-Keile genannt), außerdem Faustkeile, viele Faustkeilblätter, Keilmesser, wenige Blattspitzen und verschiedene Schaber, von denen viele aus Plattensilex hergestellt sind. Dieser Komplex wurde von Gerhard Bosinski anhand der zahlreichen Keilmesser dem Micoquien vom „Typ Klausennische“ zugeordnet und in eine frühe Phase der Würmeiszeit gestellt.[3] Ein menschlicher Zahn aus dieser Schicht wurde 1936 von Wolfgang Abel als rechter oberer Milchschneidezahn eines Neandertalerkindes bestimmt.[4] Der Zahn (offizielles Kürzel: Neuessing 1)[5] wurde als „seit dem Krieg verschollen“ bezeichnet,[6] wird von Erhard Schoch jedoch in seiner Sammlung befindlich geführt.[7]

Die Tierwelt der Fundschicht ist kaltzeitlich, es kommen z. B. Wollhaarmammut, Wollnashorn und Wildpferd vor.

Mittlere Klause

Die Mittlere Klause ist eine 21 Meter lange und 18 Meter breite, niedrige Halle, deren Wände durch mehrere Nischen gegliedert sind. Von den Grabungen durch Fraunholz und das Institut de Paléontologie Humaine ist die Kulturabfolge überliefert, wobei nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Schichten weitgehend vermischt waren. In der obersten Schicht lagen Funde der Jungsteinzeit. Es folgt ein graubrauner Lehm mit einem vielleicht zweiphasigen Magdalénien. Der Fundkomplex enthält neben der üblichen Silexindustrie eine einreihige Harpune, Knochenspitzen mit doppelt abgeschrägter Basis, eine Nadel, gravierte Elfenbeinplättchen und Kalkplatten mit roten Farbspuren sowie eine Kalkplatte mit der Gravierung eines Pferdes und einen skulpierten Lochstab mit Bisonkopf en face.

Die schön gearbeiteten Blattspitzen aus der Höhle stellte man ursprünglich in das Solutréen. Nach heutiger Erkenntnis handelt es sich jedoch um Blattspitzen des späten Mittelpaläolithikums. Das Mittelpaläolithikum ist weiterhin mit gekerbten und gezähnten Stücken, wenigen Schabern und Faustkeilen vertreten. Ein Skelett, das 1913 gefunden, später auf 18.590 ± 260 BP (OxA-9856) (14C-Jahre)[8] und damit noch vor den Beginn des Magdaléniens in Mitteleuropa datiert wurde, ist die älteste Bestattung Deutschlands und zugleich der früheste Fossilbeleg moderner Menschen in Bayern (vgl. Cro-Magnon-Mensch).[9] Der ca. 30-jährige Tote lag vom Becken abwärts in Rückenlage, der Rumpf auf der linken Seite. Er war in eine mächtige Packung aus Rötel eingehüllt, was im Jungpaläolithikum als typische Bestattungssitte bekannt ist. Unter und über dem Schädel fand man Stoßzahnbruchstücke vom Mammut, Beigaben fehlten. Trotz der sehr dünnen menschlichen Besiedlung Mitteleuropas in der Phase kurz nach dem letzten Kältemaximum gibt es einige Vergleichsfundplätze, wie Wiesbaden-Igstadt[10] oder den Fundplatz Grubgraben bei Kammern (Niederösterreich).[11]

Ein Teil der Funde, darunter eine Stielspitze, stammt aus dem Gravettien, was durch die Radiokohlenstoffdatierung eines bearbeiteten Knochens aus der Oberen Klause auf 24.680 ± 360 BP[9] bestätigt wurde.

Obere Klause

Der 27 Meter lange, 15,5 Meter breite und bis 5 Meter hohe Saal gehört zu den eindrucksvollsten Höhlenräumen der Altmühlalb. Aus Schichten des Oberen Magdalénien gibt es einreihige Harpunen, verschiedene Knochenspitzen, drei Lochstäbe, Nadeln, verschiedene Elfenbeingegenstände, Steingeräte und durchbohrte Tierzähne. Außerdem wurden mehrere mit roten Punktreihen verzierte Kalkplatten gefunden, was ein typisches Verzierungselement des späten Magdaléniens ist. Vergleichbare Funde in Süddeutschland gibt es aus dem Hohlen Felsen bei Schelklingen und aus der „Kleinen Scheuer“, der mittleren Halbhöhle des Hohlensteins. Große Zahlen solcher rot gepunkteten Steine gibt es in Birseck (Schweiz) und Mas d’Azil (Südfrankreich). Ein Mammutstoßzahnfragment mit der Ritzzeichnung eines Mammuts gehört wahrscheinlich ebenfalls in das Magdalénien. Das Moustérien der unteren Schicht mit diversen Schabern ordnete Gerhard Bosinski seinem Inventartyp Kartstein zu.

Siehe auch

Literatur

  • Brigitte Kaulich: Die Klausenhöhle. In: Rolf K. F. Meyer, Hermann Schmidt-Kaler: Wanderungen in die Erdgeschichte 6: Unteres Altmühltal und Weltenburger Enge. Pfeil, München 1994, S. 81–86.
  • Michael Rind, Ruth Sandner: Klausenhöhlen – Schutz für altsteinzeitliche Jäger und Sammler. In: Archäologiepark Altmühltal: Ein Reiseführer in die Vorzeit. Schnell und Steiner, Regensburg 2008, ISBN 978-3-7954-2106-9, S. 61–67.
  • Christian Züchner: Die Klausenhöhlen bei Neuessing. Landkreis Kelheim. In: Hugo Obermaier-Gesellschaft (Hrsg.): 50. Jahrestagung in Erlangen. PrintCom, Erlangen 2008, ISBN 978-3-937852-02-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bericht: Jahrbuch der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Verlag der K. B. Akademie der Wissenschaften in Kommission des G. Franz´schen Verlags, München 1915.
  2. Thomas Rathgeber: Fossile Menschenreste aus der Sesselfelsgrotte im unteren Altmühltal (Bayern, Bundesrepublik Deutschland). Quartär 53/54, 2006, S. 33–59, hier speziell Text und Fußnote 2 auf S. 36.
  3. Gerhard Bosinski: Die mittelpaläolithischen Funde im westlichen Mitteleuropa. Dissertation Universität Köln 1963. Böhlau, Köln/Graz 1967.
  4. Wolfgang Abel: Ein menschlicher Milchschneidezahn aus der Klausenhöhle (Ndb.) – Mit einem Fundbericht von H. Obermaier. Zeitschrift für Ethnologie 68, 1936, S. 256ff.
  5. W. Gieseler: Germany. In: Kenneth P. Oakley (Hrsg.) (u. a.): Catalogue of Fossil Hominids: Europe Pt. 2. Smithsonian Institution Proceedings, 1971, S. 189–215.
  6. Hansjürgen Müller-Beck: Das obere Altpaläolithikum in Süddeutschland. T. 1. Text, Habelt in Kommission, Bonn 1957, S. 38.
  7. Erhard Otto Schoch: Fossile Menschenreste. Der Weg zum Homo sapiens (= Die neue Brehm-Bücherei. Band 450). 3. Auflage, unveränderter Nachdruck der 2. Auflage. Westarp Wissenschaftenverlagsgesellschaft, Hohenwarsleben 2011, ISBN 978-3-89432-811-5, S. 88–89.
  8. Martin Street, Thomas Terberger, Jörg Orschiedt: A critical review of the German Paleolithic hominin record. Journal of Human Evolution, Band 51 (6), 2006, S. 551–579, doi:10.1016/j.jhevol.2006.04.014; Volltext S. 71. (PDF)
  9. a b C. Sebastian Sommer (Hrsg.): Archäologie in Bayern – Fenster zur Vergangenheit. Pustet, Regensburg 2006, ISBN 3-7917-2002-3, S. 42f.
  10. Martin Street, Thomas Terberger: The last Pleniglacial and the human settlement of Central Europe. New information from the Rhineland site Wiesbaden-Igstadt. Antiquity 73, 1999, S. 259–272.
  11. Martin Street, Thomas Terberger: Jungpaläolithische Menschenreste im westlichen Mitteleuropa und ihr Kontext. In: Dietrich Mania, Jan Michal Burdukiewicz (Hrsg.): Erkenntnisjäger: Kultur und Umwelt des frühen Menschen. Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte 57 (1 & 2), Halle 2003, ISBN 3-910010-69-5, S. 579–591.

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