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Cro-Magnon-Mensch Schädel eines Cro-Magnon-Menschen
Systematik Überfamilie: Menschenartige (Hominoidea) Familie: Menschenaffen (Hominidae) Tribus: Hominini Gattung: Homo Art: Mensch (Homo sapiens) Cro-Magnon-Mensch Wissenschaftlicher Name Homo sapiens Cro-Magnon-Mensch (,kro:maˈɲɔ̃) ist eine – in der europäischen Forschungstradition begründete – Bezeichnung für die anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) der letzten Eiszeit (Weichseleiszeit / Würmeiszeit). Als Epoche der Cro-Magnon-Menschen gilt die Zeitspanne vom ersten Nachweis von Homo sapiens in Europa vor etwa 40.000 Jahren bis zum Übergang vom Pleistozän zum Holozän vor etwa 12.000 Jahren.[1]
Inhaltsverzeichnis
Typusexemplar Cro-Magnon 1
Der Holotyp Cro-Magnon 1 war der erste von fünf Schädeln und postcranialen Skelettresten, die 1868 durch Louis Lartet, den Sohn von Édouard Lartet, im Abri de Cro-Magnon (Dordogne) bei Ausgrabungen entdeckt wurden.[2][3] Jean Louis Armand de Quatrefages und Ernest Hamy definierten auf Basis dieser Funde im Jahre 1877 den Cro-Magnon-Menschen.[4]
Versuche im späten 20. Jahrhundert, die Menschenreste mittels 14C-Methode direkt zu datieren, scheiterten entweder am zu geringen Kollagengehalt oder an der Tatsache, dass die postcranialen Skelettteile in den Sammlungsbeständen des Musée de l’Homme nicht mehr eindeutig den Schädeln zuzuordnen sind. So wurden die Gräber bislang nur indirekt durch die Beigaben datiert: Eine durchbohrte Meeresschnecke (Littorina littorea), die als Teil einer Halskette einem der Gräber von Cro-Magnon zuzuordnen ist, wurde mit der AMS-Methode auf 27.680 ± 270 BP (Beta 157439) datiert.[5][6] Damit stammen auch die Menschenreste wahrscheinlich aus dem Gravettien, sofern – zum derzeitigen Publikationsstand – keine Störungen des Befundzusammenhangs in Betracht gezogen werden. Da das Gravettien als Kulturstufe erst um die Mitte des 20. Jahrhunderts etabliert wurde, entspricht es der alten Klassifikation des Oberen Aurignacien und nicht – wie ursprünglich für die Menschenreste von Cro-Magnon angenommen wurde – dem älteren Aurignacien typique.
1899 wurde das Fossil Cro-Magnon 1 von Georges Vacher de Lapouge als Typusexemplar für die von ihm vorgeschlagene Art Homo spelaeus („Höhlenmensch“) benannt.
Fossilreport
Die beiden ältesten gefundenen Fossilien des Cro-Magnon-Menschen (im Sinne des europäischen Homo sapiens) stammen aus der Grotta del Cavallo (Apulien)[7] und der Kents Cavern (England).[8] Aus dem selben Zeithorizönt wurden auch in der Peștera cu Oase (Rumänien) zwei Schädel gefunden, allerdings ohne Werkzeuge oder Jagdreste des Menschen.[9] Der Unterkiefer Oase 1 ergab ein radiometrisches Alter von zirka 36 000 – 34 000 BP (kalibriert etwa 40 500 Kalenderjahre),[10][11] der Schädel Oase 2+3 ebenfalls ein Alter von etwa 35 000 BP.[12]
Weitere Menschenreste, die älter als 30 000 BP datieren, stammen von Mladeč in Mähren (zirka 31.000 BP)[13][14] und Kostenki am Don.[15][16] Zwei morphologische Varianten der Menschen des Jungpaläolithikums – eine hochwüchsige und eine grazile – lassen sich deutlich unterscheiden. Die Menschen der Grotte des Enfants 4, Barma Grande 5, Předmosti 3, Pavlov und Sungir 1 gehörten dem sehr hochwüchsigen Typus an, diejenigen von Arene Candide 2, 3, 5 und Riparo Continenza dem ausgesprochen grazilen.[17][18] Eine Mittelstellung nehmen der Cro-Magnon 2, Předmosti 9, Předmosti 14, Paviland, Ohalo 2, und Wadi Kubbaniya ein und, etwas kleiner, die Menschen von Předmosti 5, Arene Candide 12, Riparo Continenza und das weit jüngere Skelett aus der bayerischen Klausenhöhle (zirka 18 000 BP). Von einigen Bearbeitern wird daher der Cro-Magnon-Typ dem Brünn-Typ (früher: „Brünn-Rasse“) gegenübergestellt.[19][20]
Am Skelett Paglicci 23 aus der Paglicci-Höhle (Italien) wurde die Cambridge reference sequence der mtDNA eines Cro-Magnon-Menschen erstellt.[21] Eine weitere mtDNA-Sequenz liegt vom Grab aus Kostenki 14 vor, das der Haplogruppe U2 angehört.[22]
Lange Zeit galt die Zuordnung des 1909 entdeckten Grabes von Combe Capelle[23] zum Châtelperronien als gesichert, da Artefakte in der Umgebung des Skeletts als Grabbeigaben interpretiert wurden.[24] Im Jahre 2011 wurden neue AMS-Daten bekannt, die die Bestattung wesentlich jünger ins Mesolithikum datieren.[25]
Beschreibung
Homo sapiens ist als Taxon vor zirka 200.000 – 150.000 Jahren in Afrika entstanden (siehe archaischer Homo sapiens). Die Verwendung des Begriffs Cro-Magnon-Mensch im Sinne einer Chronospezies ist weder mit anatomischen Merkmalen noch aufgrund der Untersuchung alter DNA haltbar. Trotz eines so genannten genetischen Flaschenhalses der Homo sapiens-Populationen während der letzten Eiszeit konnte in einer 2011 publizierten Studie am menschlichen Genom nachgewiesen werden, dass ein genetischer Austausch der Populationen in Europa, Asien und Afrika bis vor etwa 40-20 Tausend Jahren stattfand.[26]
Cro-Magnon-Menschen waren Jäger und Sammler und lebten überwiegend nomadisch. Viele Fundstellen zeigen lediglich kurzfristige oder über einen längeren Zeitraum jeweils saisonal genutzte Lagerplätze des Menschen an. Länger als ein Jahr wahrscheinlich permanent besiedelte Lagerplätze sind frühestens seit dem Gravettien bekannt, zum Beispiel in Dolní Věstonice und Pavlov (beide Mähren).
Replacement-Theorien
Das Ob und Wie seines Zusammentreffens mit dem Neandertaler in Europa und dem Vorderen Orient ist Gegenstand zahlreicher Theorien. Obwohl im Genom anatomisch moderner Menschen Eurasiens ein Anteil von bis zu 4 % Neandertaler-spezifischer Gene festgestellt wurde,[27] ist eine Speziation des Cro-Magnon-Menschen auf der Basis von Hybriden anatomisch nicht nachweisbar. Selbst wenn es Hybriden gegeben hat (vgl. diesbezüglich umstrittene Belege aus der Peștera cu Oase), gibt es keine hinreichende Datenbasis einer allgemeinen Vermischung, die den Cro-Magnon-Menschen als Art aufgrund von Hybriden begründen ließe. Darüber hinaus ist ein biologisches Artkonzept auf der Basis genetischer Befunde bislang nicht eingeführt worden.
Der europäische Cro-Magnon-Mensch tritt in seiner materiellen Kultur als Träger des Jungpaläolithikums mit der Klingenkultur des Aurignaciens in Erscheinung. Diese ist im Vorderen Orient bereits 5000 Jahre früher als in Mitteleuropa nachgewiesen. Wahrscheinlich drangen moderne Menschen erstmals vor etwa 36.000 Jahren BP (kalibriert 40.000 – 42.000 v. Chr.) nach Europa vor. Einen starken Bevölkerungsrückgang gab es während des Kältemaximums der Weichseleiszeit (bzw. Würmeiszeit im alpinen Raum) vor etwa 22.000 – 18.000 Jahren.[28]
Die naheliegende Überlegung, dass die Cro-Magnon-Menschen, von Südosten kommend, die kältegewohnten Neandertaler in der Zeit vor diesem Temperaturminimum in nördliche Refugien abgedrängt hätten, scheint jedoch irrig. Kurz vor ihrem Aussterben sind Neandertaler stattdessen nur noch in Südeuropa nachgewiesen, während Siedlungsplätze der Cro-Magnon-Menschen vielfach nördlich der Alpen belegt sind.
Auch in Westeuropa befand sich ein bevorzugter Siedlungsraum der Cro-Magnon-Menschen im Süden Frankreichs und im nördlichen Teil der Iberischen Halbinsel („Franko-Kantabrien“), während die Neandertaler den Süden der Iberischen Halbinsel bis nach Gibraltar besiedelten. Von hier, aus der Vindija-Höhle (Kroatien) und dem Kaukasus stammen die jüngsten 14C-Daten von Neandertalerskeletten (jünger als 40.000 BP). Andere Bearbeiter bestreiten die Relevanz von Neandertalern-Datierungen, die deutlich jünger als 40.000 BP ausfallen, da diese ohne Probenaufbereitung mit Ultrafiltration jeweils nur als Minimalalter anzusehen seien.[29][30] Demnach markieren die Fossilien aus der kaukasischen Mesmaiskaja-Höhle (39.700 ± 1.100 BP) die jüngsten Neandertalerfunde mit gesicherter 14C-Datierung.[30]
In Osteuropa ergibt sich ein ähnliches Bild mit dem relativ nördlich gelegenen Fundort früher moderner Menschen bei Kostenki am Don und in Sungir am Stadtrand von Wladimir. Zu dieser Zeit lagen die bisher erkennbaren hauptsächlichen Siedlungsgebiete der Cro-Magnon-Menschen in Europa daher im Grenzgebiet zwischen Tundren-, Kaltsteppen- und Nadelbaumvegetation, während die Neandertaler im klimatisch günstigeren Grenzgebiet zwischen Nadelbaum- und Laubbaumvegetation siedelten.
Die Ablösung der wildbeuterisch lebenden Bevölkerung und damit der Cro-Magnon-Menschen durch eingewanderte Neolithiker wird anhand der DNA-Forschung zunehmend wahrscheinlicher.[31] Untersuchungen der mtDNA zufolge entstammen die spätglazialen und holozänen europäischen Wildbeuter des Mesolithikums überwiegend der Haplogruppe U (mtDNA), während bei frühneolithischen wie auch heutigen europäischen Menschen die Haplogruppe H dominiert.[32] Beim geographisch unscharf definierten Begriff des Cro-Magnon-Menschen als eiszeitlichem, europäischem Typen lässt sich daraus zwar ableiten, dass es in Mitteleuropa einen Bevölkerungswandel gab. Dieser bezieht sich jedoch nur auf Populationen des modernen Menschen, deren Haplogruppen aus Skelettmaterial der letzten 20.000 Jahre rekonstruiert wurden.
Subsistenz
Die Subsistenz der größtenteils nomadisch lebenden Gruppen beruhte auf Jagd und Sammelwirtschaft. Untersuchungen stabiler Isotope (13C- und 15N-Gehalt) im Kollagen der Knochen von Cro-Magnon-Menschen konnten zeigen, dass sich das Nahrungsangebot im Vergleich zu den Neandertalern vervielfältigt hat. Während Neandertaler überwiegend Fleisch großer Herbivoren verzehrten,[33] ist bei Cro-Magnon-Menschen des mittleren Jungpaläolithikums (Gravettien) ein erhöhter Anteil von Eiweiß aquatischer Ressourcen (Fisch, Muscheln) gemessen worden.[34][35][36] Einen prominenten Fall stellt die Analyse am „Prinzen“ aus der Höhle Arene Candide (bei Finale Ligure) dar. Bei diesem Jugendlichen (Datierung 23.440 + 190 BP) konnte Ernährung mit Fischarten aus dem Mittelmeer nachgewiesen werden, die heute nur noch im Atlantik vorkommen.[37] Der Anteil von Fisch an der Gesamtdiät wird mit 20 bis 25 % beziffert. Ernährung mit einem hohen Anteil von Großwild und Fisch (Lachse) wurde auch bei der Magdalénien-Bestattung einer Frau von Saint-Germain-de-la-Rivière festgestellt.[38]
Bei den britischen Fundplätzen Gough’s Cave und Sun Hole Cave wurde hingegen noch im Spätpaläolithikum (Creswellien) eine stark von der Großwildjagd geprägte Diät festgestellt, die auf Wildrind und Rothirsch basierte.[39] Dasselbe gilt für den spanischen Fundplatz Balma Guilanyà im südöstlichen Vorland der Pyrenäen.[40]
Archäologische Kulturen
→ Hauptartikel: Jungpaläolithikum, Aurignacien, Gravettien, Solutréen, Magdalénien
Mit dem Auftreten des „modernen Menschen“ beginnt zugleich die Periode des Jungpaläolithikums. Während die Koexistenz mit dem Neandertaler meist auf zirka 10.000 Jahre zwischen 40.000 und 30.000 Jahre beziffert wird,[41] deuten 14C-Daten unter Einbeziehung von Kalibrationsmodellen nur eine recht kurze Koexistenz von Werkzeugkulturen später Neandertaler und des frühen Jungpaläolithikums in einem Zeitfenster von zwei- bis dreitausend Jahren an.[42][43]
Die Werkzeuge und Waffen der Cro-Magnon-Menschen des Aurignacien waren denjenigen der letzten Neandertaler (Szeletien, Châtelperronien bis etwa 35.000 BP) nicht signifikant überlegen, weisen jedoch spezifisch neue Merkmale auf. Eine wechselseitige Beeinflussung der materiellen Kultur (Steinwerkzeuge, Schmuck) wird diskutiert, kann jedoch nur im Fall der Typuslokalität Châtelperron (Département de l'Allier) durch Interstratifikation der Schichten belegt werden.[44][45]
Mit dem Gravettien ist eine erhebliche technische Verfeinerung der Artefakte des Cro-Magnon-Menschen zu verzeichnen, wie das Einkleben von Rückenmessern in Speere, die spätestens seit dem Solutréen mit Speerschleudern abgeworfen wurden. Die Speerschleuder war im Magdalénien Südwesteuropas massenhaft verbreitet und zu dieser Zeit die wichtigste Jagdwaffe. Am Ende des Jungpaläolithikums ist mit zunehmender Bewaldung erstmals der Bogen als Waffe nachgewiesen.
Kunst
→ Hauptartikel: Felsbilder, Höhlenmalerei, Petroglyphen, Jungpaläolithische Kleinkunst, Venusfigurinen
Von Cro-Magnon-Menschen des Aurignacien sind die ältesten Höhlenmalereien bekannt (Chauvet-Höhle), wobei als gemaltes Motiv Tierdarstellungen bei weitem überwiegen. Zur selben Zeit treten Petroglyphen (Felsritzungen) auf (La Ferrassie, Höhle von Pair-non-Pair), die es bis in die Gegenwart gibt. Der quantitative Höhepunkt der Felsbildkunst wird im Magdalénien erreicht (zum Beispiel Höhle von Lascaux, Höhle von Altamira).
Neben den Felsbildern (Art parietal) ist seit dem Aurignacien eine Vielzahl jungpaläolithischer Kleinkunst (Art mobilier) überliefert, wie Elfenbeinschnitzereien, Stein- und Knochenskulpturen.[46] Kunstwerke aus anderen organischen Materialien (zum Beispiel Holz) waren wahrscheinlich ebenfalls in Gebrauch, sind archäologisch aber nicht nachweisbar. Auf Tätowierung und/ oder Körperbemalung kann aus den oberflächigen Verzierungen einiger figürlicher Darstellungen geschlossen werden. Als mögliche Beispiele können Kerbmuster auf dem Oberarm des Löwenmenschen vom Hohlenstein-Stadel oder der Venus vom Hohlen Fels angeführt werden. Die Interpretation ist hier insofern unsicher, als auch gleich alte Tierfiguren aus der Vogelherdhöhle und dem Geißenklösterle solche Ornamente aufweisen. Sofern es sich um Totem-Darstellungen handelt, wäre die Übertragung menschlicher Merkmale jedoch plausibel.[47][48]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ www.talkorigins.org
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- ↑ Louis Lartet: Mémoire sur une sépulture des anciens troglodytes de Périgord. In: Annales des sciences naturelles II Zoologie, 5ème Série, X, 1868, 141 S., 6 Tafeln
- ↑ Jean Louis Armand de Quatrefages, Ernest Hamy: L'Espèce humaine. 1877
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Literatur
- Friedemann Schrenk: Die Frühzeit des Menschen. Der Weg zum Homo sapiens. CH Beck, 1997, S. 114, ISBN 3-406-41059-6
- H. V. Vallois: La Découverte des hommes de Cro-Magnon, son importance anthropologique. In: Gabriel Camps, Georges Olivier (Hrsg.): L'homme de Cro-Magnon. Anthropologie et archaéologie 1868–1968. Paris 1970.
Weblinks
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