- Klirrfaktor
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Der Klirrfaktor, Oberschwingungsgehalt oder auch Verzerrungsgehalt ist ein Maß für unerwünschte Verzerrungen eines ursprünglich sinusförmigen Wechselsignals, welche durch nichtlineares Verhalten einer Baugruppe (Verstärker, Analog-Digital-Umsetzer, Digital-Analog-Umsetzer) oder eines Gerätes (Lautsprecher, Mikrofon, Spulentonbandgerät) verursacht werden. Der Klirrfaktor wird als dimensionslose Verhältniszahl angegeben; alternativ wird das logarithmische Klirrdämpfungsmaß verwendet.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Der Klirrfaktor k gibt an, in welchem Maße die Oberschwingungen (Harmonischen), die eine sinusförmige Grundschwingung überlagern, Anteil am Gesamtsignal haben. Kennzeichnet man den Effektivwert einer elektrischen Spannung mit U, den Effektivwert ihrer Grundschwingung mit U1 und den Effektivwert der Oberschwingung mit der n-fachen Frequenz mit Un , so wird der Klirrfaktor definiert durch:[1][2]
Für die elektrische Stromstärke gilt Entsprechendes.
Häufig werden die Anteile der einzelnen Oberschwingungen getrennt bestimmt:
Die Gleichung für kn mit n = 1 ergibt den Grundschwingungsgehalt.
Der Klirrfaktor k ist immer kleiner eins und wird daher meistens in Prozent angegeben. Häufig wird der Klirrfaktor in einem logarithmischen Maß als Klirrdämpfungsmaß in Dezibel (dB) angegeben:[2]
Ein Klirrdämpfungsmaß von 20 dB entspricht also einem Klirrfaktor von 10–1 = 0,1 = 10 %; 40 dB entspricht 10–2 = 0,01 = 1 %; 60 dB bedeutet 10–3 = 0,001 = 0,1 %. Das Klirrdämpfungsmaß hat einen positiven Wert; das Klirrverstärkungsmaß ist mit gleichem Zahlenwert negativ (weniger gebräuchlich).
Neben dem Klirrfaktor werden zu Kennzeichnung der Abweichung vom Sinusverlauf u. a. die Begriffe Grundschwingungsgehalt, Scheitelfaktor oder im englischen Sprachraum Total Harmonic Distortion (THD) verwendet.
Klirrfaktor und THD sind ähnlich definiert. Während der Klirrfaktor das Verhältnis des Oberschwingungsanteils eines Signals zum Gesamtsignal U darstellt, wird mit THD das Verhältnis des Oberschwingungsanteils zum Grundschwingungsanteil U1 angegeben. Beide Größen gehen für geringe Werte ineinander über.
Herkunft des Wortes Klirren
Die durch die nichtlinearen Verzerrungen des Audiosignals verursachten unerwünschten Oberschwingungen werden als unangenehme, höherfrequente Geräusche wahrgenommen, die an ein Klirren erinnern. Das Wort Klirren ist der Versuch der Wiedergabe eines nichtsprachlichen Geräuschs als lautmalendes Wort (Onomatopoesie).
Wie entsteht das Klirren?
Das Klirren entsteht in jeder Baugruppe, da die verwendeten Bauteile, insbesondere Halbleiter und Röhren, nichtideale Eigenschaften (Nichtlinearitäten) aufweisen. Insbesondere bei Leistungsverstärkern muss ein Kompromiss zwischen Klirrfaktor und Verlustleistung bzw. Schaltungsaufwand gefunden werden. Oft spielen thermische Prozesse durch Eigenerwärmung sowie Alterung eine Rolle, die durch Arbeitspunktverschiebung zu Verzerrungen führen.
Bauelemente mit stark nichtlinearen Eigenschaften:
- Transistoren (z. B. nichtlineare Kennlinie, temperaturabhängige Parameter)
- Transformatoren, Spulen mit Eisenkern (z. B. Hysterese beim ferromagnetischen Kern-Material)
- Varistoren
- Dioden
Bauelemente mit schwächer nichtlinearen Eigenschaften:
- Kondensatoren, insbesondere Elektrolytkondensatoren (z. B. feldstärkeabhängige Permittivitätszahl)
- eisenlose Induktivitäten
- Draht- und Schicht-Widerstände (z. B. Frequenz- und Temperaturabhängigkeit des Widerstandes (siehe ohmscher Widerstand, dem eine idealisierte Materialeigenschaft zugeordnet wird))
Durch Gegenkopplung kann der Einfluss der nichtlinearen Bauteile auf die Nichtlinearität der Baugruppe verringert werden.
Der Oberschwingungsgehalt lässt sich mit Hilfe der Fouriertransformation (in trivialeren Fällen mit der Fourierreihenentwicklung) spektral darstellen.
Praxis
Das menschliche Gehör ist, in Abhängigkeit von der Frequenz, für Verzerrungen (Klirr) empfindlich. 5 % Klirrfaktor im Bassbereich sind meistens nicht wahrnehmbar. Im Präsenz- bzw. Brillianzbereich (1 bis 4 kHz), wo das Gehör am empfindlichsten ist, können unter bestimmten Bedingungen Verzerrungen auch noch unter 0,5 % hörbar sein. Die Hörbarkeit von Klirr in der elektroakustischen Übertragung (Hifi) hängt jedoch auch stark von der Beschaffenheit des Nutzsignales (Musik, Sprache) und dessen Spektrum ab. Mehrere sinusähnliche Klänge gelten als am empfindlichsten für Klirr. Etwa beim Zusammenspiel mehrerer Flöten kann Klirr schon ab 0,5 % gehört werden, da hier sehr obertonarme Klänge vorliegen. Bei Sprache oder anderen spektral „dichten“ Klängen und Geräuschen, wie beispielsweise Schlagzeug, ist Klirr erst bei deutlich größeren Klirrfaktoren hörbar.
Elektroakustische Geräte erzeugen unterschiedlich starken Klirr. Hifi-Verstärker sind heute meistens so konstruiert, dass der von ihnen erzeugte Klirrfaktor in weiten Bereichen völlig unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt (Klirrfaktoren unter 0,1 %), es sei denn, man nähert den Verstärker seiner Leistungsgrenze. Klirr entsteht zumeist bei der Schallwandlung im Lautsprecher. Diese erzeugen frequenzabhängig, gerade bei höheren Pegeln (>95 dBSPL) oft hörbaren Klirr. Auch Tonabnehmer für Langspielplatten sowie die Rille selbst klirren mit Werten oberhalb der Wahrnehmungsschwelle.
Weiteres
Der Klirrfaktor bleibt gering, wenn ein Verstärker keine Nebengeräusche bzw. -Nebensignale produziert. Der Klirrfaktor beschreibt nur „Nebengeräusche“, deren Frequenzen ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz haben. Bei Audio-Verstärkern wird mit sehr kleinen Klirrfaktoren Werbung gemacht. Dabei kommen harmonische Oberschwingungen in der Natur sehr häufig vor und werden vom menschlichen Ohr nur sehr schwer wahrgenommen oder auch als angenehm empfunden. Mit ungeschultem Gehör kann man einen Klirrfaktor von unter 5 %, mit einem empfindlicheren unter 1 % oft nicht mehr wahrnehmen. Darüber hinaus kann es zu nicht-harmonischen Störungen des Audiosignals kommen, die durch Transientenintermodulation (TIM) oder auch Frequenzintermodulation (FIM) entstehen.
Bei Verzerrungen wird zwischen quadratischem Klirrfaktor einer unsymmetrischen Kennlinie mit den geradzahligen Anteilen k2, k4, … und dem kubischem Klirrfaktor einer symmetrischen Kennlinie mit den ungeradzahligen Anteilen k3, k5, … unterschieden (Weiterführendes siehe Weblink).
Literatur
- Thomas Görne: Tontechnik. 1. Auflage, Carl Hanser Verlag, Leipzig, 2006, ISBN 3-446-40198-9
- Roland Enders: Das Homerecording Handbuch. 3. Auflage, Carstensen Verlag, München, 2003, ISBN 3-910098-25-8
- Gustav Büscher, A. Wiegemann: Kleines ABC der Elektroakustik. 6. Auflage, Franzis Verlag, München, 1972, ISBN 3-7723-0296-3
- Helmut Röder, Heinz Ruckriegel, Heinz Häberle: Elektronik 3. Teil, Nachrichtenelektronik. 5. Auflage, Verlag Europa Lehrmittel, Wuppertal, 1980, ISBN 3-8085-3225-4
- Horst Clausert, Gunther Wiesemann: Grundgebiete der Elektrotechnik 2 9. Auflage, Oldenbourg Verlag, München, 2005, ISBN 3-486-27582-8
Quellen
- ↑ DIN 40110-1 „Wechselstromgrößen; Zweileiter-Stromkreise“
- ↑ a b DIN 40148-3 „Übertragungssysteme und Vierpole; Spezielle Dämpfungsmaße“
Siehe auch
Weblinks
Wiktionary: Klirrfaktor – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenKategorien:- Verstärker (Audio)
- Theoretische Elektrotechnik
- Messgrößen zur elektromagnetischen Verträglichkeit
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