- Kloster Selbold
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Das Kloster Selbold ist ein ehemaliges Prämonstratenserkloster und befindet sich in Langenselbold. In einer Urkunde von 1108 wird eine auf dem Gelände des Wohnsitzes von Graf Dietmar oberhalb der Kinzig bei „Selboldt“ gelegene und Johannes dem Täufer geweihte Kirche genannt, an der er Kleriker nach der Regel des heiligen Augustinus unter Leitung des Priesters Rabenuld ansiedeln wolle. Als neuer Wohnsitz der dem Adelsgeschlecht der Reginbodonen angehörigen Familie Dietmars entstand eine Burg im nahen Gelnhausen. Statuen Dietmars von Selbold, seiner Gattin Adelheid undseines Sohnes Timo befinden sich - so Wolfgang Hartmann - unter den berühmten Stifterfiguren im Naumburger Dom. Die Beziehungen Dietmars in den sächsisch-thüringischen Raum (insbesondere zu Naumburg (Saale), Camburg und (Bad) Klosterlausnitz entstanden durch seine wahrscheinlich den Ludowingern angehörende Gattin Adelheid, der er die Klosterstiftung in Selbold widmete.
Papst Paschalis II. nahm die Stiftung in seinen Schutz. Aufgabe der Kleriker waren Altardienst und Seelsorge, Unterweisung in den umliegenden Siedlungen und Kolonisation. Sie lebten ehelos, mit gemeinsamem Besitz, gehorsam Vorsteher, Bischof und Papst. Eine Papsturkunde von 1139 nimmt zur Frage der Ordenszugehörigkeit noch keine Stellung, bestätigt dem Stift lediglich Privilegien und Besitz des Peters-Pfarrei in Selbold und von Weingütern in Eltville und bindet die Chorherren ausdrücklich an ihre Gehorsamspflicht gegenüber dem Erzbischof von Mainz, „sofern dieser die Gnade des heiligen Stuhles habe“. – 1143 schenkte König Konrad II. einen bisher reichslehnbaren Zehnten an „Luitold, den Propst der Kirche Johannes des Täufers bei Selbold". 1151 wurde die Stiftung unter dem Abt Gerhard in einer Urkunde des Mainzer Erzbischofs Heinrich erwähnt: Dieser nahm sie in seinen Schutz und unterstellte ihr außer der Peters-Kirche in Selbold die Kirchen St.Maria und St.Peter in Gelnhausen sowie Kapellen in Mittlau, Gondsroth und Hüttengesäß mit allem, was dazugehörte. Im Kampf um seine Selbständigkeit und seinen Einfluss begab sich das Stift 1158 in päpstlichen Schutz und wurde vom Einfluss des Mainzer Stiftes Maria ad Gradus eximiert. Die Statuten des Kanoniker-Ordens, in Gottesfurcht und nach der Regel des heiligen Augustinus zu leben, wurden interpretiert als Regel der Prämonstratenser. Selbold stand zunächst unter der Paternität der Abtei Steinfeld in der Eifel, später wurde es als Tochter des Klosters Prémontré bezeichnet. Der Anschluss Selbolds an den Orden muss in Nachfolge zu der 1135 erfolgten Stiftung des Prämonstratenser-Stiftes Wadgassen an der Saar durch Gisela, die Enkelin von Graf Dietmar von Selbold, und ihren Ehemann Graf Friedrich von Saarbrücken gesehen werden.
Im ausgehenden Mittelalter stand das Stift als Machtfaktor im unteren Kinzigtal, da mit weit verstreutem Besitz bis in den Rheingau und geistlicher Hoheit über das Nonnenkloster Konradsdorf, 1191 gegründet, und ein weiteres Tochterkloster, das aus der für Prämonstratenser anfänglich typischen Doppelung von Männer- und Frauen-Klöstern hervorgegangen war, 1151 nach Tiefenthal im Rheingau und 1173 nach Meerholz auf der anderen Seite der Kinzig verlegt worden war.
Ein beeindruckendes Zeichen klösterlicher Macht findet sich im nahen Gelnhausen, über das der Abt die archidiakonale Gewalt ausübte: Während die Bürger Gelnhausens sich eine Peters-Kirche wünschten wie in Selbold, bestand der Abt auf einer Maria, der Schutzpatronin des Ordens, geweihten Kirche. In der Auseinandersetzung blieb das Kloster Sieger: 1220–1238 ließen die geistlichen Herren die Marien-Kirche bauen. Die Reichsstadt entwand sich der Jurisdiktion des Abtes, wurde 1404 aus dem Archidiakonat Selbold ausgegliedert und dem Dekanat Roßdorf (Bruchköbel) unterstellt. Der Stiftsbezirk wurde 1472 weiter eingegrenzt auf die Dörfer und Siedlungen Selbold, Baumwiesen, Bruderdiebach, Lindenloh, Hüttengesäß, Wiedermus und Gründau, während die Siedlungen im Kinzigtal dem Tochterkloster Meerholz unterstellt wurden.
Die Gründerfamilie des Grafen Dietmar von Selbold bzw. von Gelnhausen – wurde über die von Hardeck und die von Büdingen schließlich beerbt von denen von Isenburg. Infolge eigener Ohnmacht musste das Stift einen Stiftsvogt annehmen; durch die Machtkonstellation kamen nur die Herren von Isenburg infrage. Im Jahre 1372 plünderten die Isenburger Grafen Heinrich und Johann das Kloster unter dem Vorwand, nicht ausreichend die ihnen zustehende Atzung, Speise, Trank und Nachtlager, erhalten zu haben, wobei sie alle Wertgegenstände, besonders die gottesdienstlichen Geräte, mitnahmen. Dieser Handstreich wurde von Freunden des Grafenhauses und später von reformatorischen Eiferern als von oben erzwungene Reform des Klosterlebens angesehen, die geistlichen Herren in Selbold und Mainz sahen den Fall allerdings anders und in den Grafen von Isenburg mit Recht Raubritter, die sich nach kirchlichem und öffentlichem Recht schuldig gemacht hätten, und verklagten sie. In Mainz wurde der Kirchenbann über die Grafen verkündet, das Gericht verurteilte die untreuen Vögte zur Herausgabe der geraubten Güter und zu zusätzlicher Strafe. Die Angelegenheit verlief im Sande: der Bann gegen die Kirchenräuber wurde wegen der Zusage der Genugtuung aufgehoben, aber die geraubten Güter kamen nie in das Kloster zurück. Die Bevölkerung hat diesen Machtkampf teilnahmslos hingenommen: sie war selbst viel zu sehr vom Grafen abhängig, als dass sie es hätte wagen können, gegen ihn Partei zu ergreifen. Eine Reform hat diese Stiftsfehde nicht gebracht.
Luthers Lehre fand in den Isenburger Landen schnell Eingang. Die Landesherren ließen Pfarrer und Gemeinden gewähren, die Konventualen setzten der neuen Lehre keinen Widerstand entgegen, sie scheinen sie oft selbst übernommen zu haben. Dass 1525 aus der näheren Umgebung Bauern kamen und das Kloster plünderten, beschleunigte nur noch seien Verfall. Durch Berufung auf die Ahnen, die das Kloster einst gestiftet hatten, hielten sich die Isenburger für berechtigt, die Auflösung des Klosters zu betreiben. Anfang 1543 übernahmen sie die Klostergüter. Da sämtlicher Grundbesitz des Klosters im Territorium des Landesherrn Anton von Isenburg lag; nahm dieser Häuser und Güter, Äcker, Wiesen, Wälder und alle damit in Zusammenhang stehenden Rechte des Klosters gegenüber den Dorfbewohnern sowie die geistlichen Rechte in seinen Landen an sich. Der Abt Konrad Jäger verzichtete am 28. Februar 1543 zu Gunsten des Magistrats von Gelnhausen auf seine Rechte an der dortigen Marien-Kirche. Das Ende des Stiftes wurde sichtbar dokumentiert dadurch, dass er das Klostersiegel zerbrach und jedem Vertragspartner – Graf und Bürgermeister – eine Hälfte aushändigte. Der Abt setzte sich mit einer jährlichen Pension von l00 Gulden sowie einem gewissen Deputat an Naturalien in Gelnhausen zur Ruhe, wo er 1572 starb. Die übrigen zehn Konventualen bekamen eine Abfindung von zusammen 1 200 Gulden. Das musste ihnen reichen, um im bürgerlichen Leben Fuß zu fassen und sich möglicherweise in einem Pfarrhaus einzurichten. 1543 blieb nur einer im Kloster zurück: Konrad Höhn, der erste Pfarrer der nun evangelischen Gemeinde.
1546 wurde das Kloster zur gräflichen Domäne. Neben der alten Pfarrkirche St.Laurentius und St.Peter an der Gründau mit der Marien-Kapelle auf dem Totenhof stand der Gemeinde noch die ehemalige Stiftskirche auf dem Klosterberg offen. Diese lag abseits und wurde immer weniger genutzt. Es dauerte mehr als 150 Jahre, bis das frühere Kloster einer neuen Verwendung zugefügt wurde. Graf Wolfgang Ernst III. von Isenburg-Birstein hat das Erscheinungsbild des Ortes grundlegend verändert durch den Neubau eines Schlosses und einer Kirche auf dem Klosterberg an Stelle des alten Prämonstratenser-Stiftes. Der Baudirektor der Hanauer Grafen, Christian Hermann, sollte für den zweitgeborenen Sohn des Grafen ein repräsentatives Schloss bauen: er ließ ab 1725 die Klostergebäude dem Erdboden gleichmachen und das Areal für das neue Schloss Langenselbold abstecken, die sich von der Höhe des Klosterberges bis weit in die Kinzigaue erstrecken sollte. Am 23. Mai 1727 war Grundsteinlegung zur neuen Kirche am dorfseitigen Hang des Klosterberges. Am 7. September 1735 konnte die neue Kirche – weniger Hofkirche als Gemeindekirche, aber mit einem herrschaftlichen Stand ausgestattet – im Beisein der gräflichen Familie und vieler Gäste geweiht werden.
Die Kirche auf dem Klosterberg, der die Erinnerung an Roßdorfs Klosterzeit wach hält, ist heute evangelische Gemeindekirche. Im Schlosspark wurde 1969 die römisch-katholische Pfarrkirche „Mariä Namen“ errichtet. Die beiden Schloss-Gebäude sowie die Nebenbauten wurden im 20. Jahrhundert von der Gemeinde bzw. Stadt Langenselbold erworben und beherbergen heute unter anderen die Stadtverwaltung Langenselbold.
Literatur
- Wolfgang Hartmann: Vom Main zur Burg Trifels - vom Kloster Hirsau zum Naumburger Dom. Auf hochmittelalterlichen Spuren des fränkischen Adelsgeschlechts der Reginbodonen. Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e.V., Bd. 52, Aschaffenburg 2004.
- Rainer Haas: Kurzgefasste Kirchengeschichte von Langenselbold. Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2010, ISBN 978-3-88309-592-9.
- Christof Krauskopf: Langenselbold, Main-Kinzig-Kreis - Klosterberg. Archäologische Untersuchungen 1982 im Bereich des ehemaligen Stiftes Selbold. Hrsg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Wiesbaden 1983, ISBN 3-89822-037-0 (Archäologische Denkmäler in Hessen 37).
- Magistrat der Stadt Langenselbold: 875 Jahre Langenselbold. Langenselbold 1983.
Weblinks
50.17419.0375Koordinaten: 50° 10′ 27″ N, 9° 2′ 15″ OKategorien:- Kloster (12. Jahrhundert)
- Ehemaliges Prämonstratenserkloster in Hessen
- Bauwerk im Main-Kinzig-Kreis
- Langenselbold
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