Knight-Motor

Knight-Motor
Aufgeschnittener Schiebermotor Bristol Perseus

Der Schiebermotor ist eine besondere Bauart eines Zwei- oder Viertaktmotors. Im Gegensatz zum ventilgesteuerten Motor, der linear und vorzugsweise ruckfrei beschleunigte Ein- und Auslassventile hat, wird der Schiebermotor über hin- und hergehende, oder sich drehende Bauteile gesteuert.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Von den Anfängen des Motorenbaus bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gab es unterschiedliche Versuche, den Gaswechsel (ansaugen, ausstoßen) bei Verbrennungsmotoren zu steuern. Als Vorbilder der Motorenbauer dienten die Steuerungen der Dampfmaschinen und die Armaturen als Bedienelemente von Maschinen und Apparaten. Die heute in Verbrennungsmotoren eingebauten Ventile waren in der Anfangszeit des Motorenbaus häufig Ursache von Motorschäden. Sie brachen oft am Übergang von Ventilschaft zum Ventilteller, und der abgerissene Ventilteller zerstörte Kolben und Zylinderkopf. Aber noch andere Nachteile der Ventile waren schon damals erkennbar. Beispielsweise begrenzen sie durch ihre hin- und hergehende Bewegung die Maximaldrehzahl. Wegen dieser und anderer Nachteile von Ventilsteuerungen ersannen viele Motorenbauer Schieber-Konstruktionen, die die teils erheblichen Nachteile der Ventilsteuerung beseitigen sollten. Allen Schieberkonstruktionen gemein ist das Problem der Dichtheit bei den hohen Verbrennungsdrücken in Verbindung mit hohen Temperaturen. Mehrere unterschiedliche Konzepte wurden bis zur Serienreife entwickelt. Der amerikanische Journalist Charles Yale Knight erfand 1903 eine Steuerung mit zwei hin- und herbewegten konzentischen Schieberhülsen, die bis zum Zweiten Weltkrieg in Sport- und Luxuswagen verwendet wurde. 1912 führte der schottische Automobilhersteller Argyll Schiebermotoren ein, die mit einer kreisenden Schieberhülse auskamen und von den Ingenieuren Burt und McCollum konstruiert worden waren. Der britische Hersteller Bristol produzierte in der Zeit des Zweiten Weltkrieges einige Typen von Flugmotoren [1] mit Schiebersteuerung nach Burt-McCollum in Serie. Von BMW wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges ein Flachschieber-Flugmotor (und Torpedomotor [2]) entwickelt, der jedoch nicht zum Einsatz kam, da zu dieser Zeit ebenfalls die ersten Strahltriebwerke entwickelt wurden und diese eine deutlich höhere Leistung erbrachten.

Historisches

Der erste Schiebermotor wurde in Chicago von Charles Yale Knight (1868–1940) ab 1903 entwickelt, 1907 serienreif fertiggestellt und 1908 patentiert. Knight ließ sich dabei vom Prinzip der Schiebersteuerung von Dampfmaschinen führen. Sowohl die Zündgemischzuführung als auch die Abgasabführung erfolgen bei diesem Motor über zwei konzentrisch zur Zylinderachse liegende Schieberbuchsen von 3 mm Dicke, die sich während des Motorbetriebes mit einem Hub von etwa 25 mm auf und ab bewegen. Der Kolben läuft in der inneren Schieberbuchse. Angetrieben werden die Buchsen von einer im Kurbelwellengehäuse liegenden, mit halber Drehzahl laufenden Exzenterwelle über kurze Pleuelstangen. Bei der Bewegung der Schieberbuchsen werden abwechselnd die Ein- und Auslassöffnungen freigegeben. Solche Schiebermotoren waren seinerzeit robuster und weniger störungsanfällig als ventilgesteuerte Motoren und wurden für ihre außergewöhnliche Laufruhe sowie ihre gute Leistungsentfaltung im unteren Drehzahlbereich geschätzt. Darin waren sie gleich großen, ventilgesteuerten Motoren überlegen. Die geringe Höchstdrehzahl des Motors von 1750 U/min verhinderte jedoch seine Weiterentwicklung.

Stammbaum der Schiebersteuerungen

In den Anfängen der Entwicklung von Verbrennungsmotoren wurden unzählige Varianten von Schiebersteuerungen entworfen und gebaut. Viele von ihnen waren schon (nach heutigem Kenntnisstand) von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die folgende Darstellung zeigt eine grundsätzliche Einteilung möglicher Schiebersteuerungen.

Stammbaum der Schiebersteuerungen

Erfolgreiche Schiebersteuerungen waren ausschließlich mit oszillierenden Schieberorganen ausgestattet, weshalb sich die folgende Beschreibung im Wesentlichen auf diese Bauart beschränkt.

Aufbau und Fertigung

Die Motoren waren nur mit einem hohen konstruktiven und technischen Aufwand zu fertigen und ihr Betrieb stellte hohe Ansprüche an die regelmäßige Wartung. Sie verbrauchten viel Öl; Ölmangel führte zu irreparablen Schäden am Motor. Schiebermotoren waren vor allem für Hersteller von Wagen der oberen Preisklasse interessant. Für die Knight-Schiebersteuerung wurden mehr als 30 Fertigungslizenzen erteilt, darunter an Daimler (Mercedes), Panhard & Levassor, Minerva, Hotchkiss, Laurin & Klement und andere. Bei Mercedes wurden ab 1910 drei Motoren entwickelt, von denen der erfolgreichste bis 1924 produziert wurde.

Technische Daten des Mercedes-Knight 16/45 PS:

4 Zylinder
Bohrung: 100 mm, Hub: 130 mm
Hubraum: 4084 cm³
Leistung: 33 kW (45 PS) bei 1300 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 85 km/h

Im letzten Produktionsjahr wurde die Leistung auf 50 PS erhöht. Insgesamt wurden bei Mercedes 5.500 Fahrzeuge mit Knight-Motoren gebaut. Im Jahre 1927 stellte ein Spezialwagen von Gabriel Voisin, der mit einem 12-Zylinder-Knight-Motor mit 8 Litern Hubraum ausgerüstet war, den 24-Stunden-Weltrekord auf. Er fuhr eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 182,5 km/h. Im Jahre 2004 gewann ein Mercedes-Knight von 1912 das vom AvD betreute Gordon-Bennett-Rennen in Bad Homburg vor der Höhe in der Klasse der Oldtimer bis 13,5 Liter Hubraum.

Aufbau des Rohr-/Hülsenschiebers

animiertes Funktionsprinzip eines Flachschiebermotors

Er besteht im einfachsten Falle aus zwei ineinanderlaufenden rohrförmigen Gebilden. Hier dreht sich beispielsweise das innere Rohr im äußeren feststehenden Rohr. Beide Rohre weisen an ihren Anfängen (in einer bestimmten Position) deckungsgleiche gleichgroße Öffnungen auf, die als Durchlass für die Ansauggase dienen. Stehen diese Öffnungen übereinander, dann ist der volle Durchlass der Ansauggase gewährleistet. Ist das innere Rohr nicht mit dem äußeren deckungsleich, dann ist der Einlass geschlossen. Die Ansaugsteuerung dreht sich daher synchron mit den Verbrennungstakten. Diese Steuerung von Ansauggasen ist auch für Abgase möglich; wegen der hohen Wärmeentwicklung wird dies jedoch nur in seltenen Fällen (nur für Spezialmotoren) realisiert.

Vorteile und Nachteile

Der Vorteil gegenüber der konventionellen (oszillierenden) Ventilsteuerung beim Verbrennungsmotor ist die Rotationsbewegung des Drehschiebers. Durch diese entstehen keine hin- und hergehenden Massen, die die Höchstdrehzahl begrenzen. Weiterhin werden die zu steuernden Gase nicht durch das strömungsungünstige Ventil abgebremst und mehrmals umgelenkt. Durch die geradlinige Gasführung und die kurzen Strömungswege entstehen nur geringe Turbulenzen sowie nur eine geringe Erwärmung. Das kommt einer deutlich besseren Füllung und damit einer höheren Motorleistung zugute. Je nach Ausführung entstehen weitere Vorteile.

Nachteilig wirkt sich der höhere Aufwand für die Abdichtung der rotierenden Teile auf die Kosten und die Haltbarkeit des Systems aus. Es besteht die Gefahr der Leckage (hoher Ölverbrauch) und dadurch besonders unter hohen Betriebstemperaturen die Gefahr des Fressens oder Klemmens der Schieberteile. Weil diese Schwierigkeiten nicht überwunden werden konnten, erreichten Drehschieber außer bei der Voreinlasssteuerung von Zweitaktmotoren nie Serienreife.

Flugmotoren

Motoren mit Schiebersteuerung haben i.d.R. ein geringeres Gewicht und eine höhere Leistung als vergleichbare Motoren mit Ventilsteuerung. Die britische Bristol Aircraft Company baute ab Mitte der 1930er-Jahre erfolgreich Schiebermotoren für Flugzeuge in Serie, wie etwa den Hercules. Diese Triebwerke wurden in der Nord Noratlas bis Anfang der 1970er-Jahre verwendet. Sie hatten einen Schieber in der Bauart nach Burt-McCollum pro Zylinder, der auf einer annähernd kreisförmigen Bahn bewegt wurde und abwechselnd die Auspuff- und Ansaugöffnung freigab oder sie während des Verdichtungs- und des Arbeitstaktes geschlossen hielt.

Schiebersteuerung bei Zweitaktmotoren

Bei Schieber-Zweitaktmotoren, wie sie in Motorrädern verwendet werden, wird der Gemischeinlass in das Kurbelwellengehäuse durch einen direkt von der Kurbelwelle angetriebenen scheibenförmigen Drehschieber gesteuert. Da hier der Schieber nicht mit hohen Drücken, Temperaturen und auch nicht mit den abrasiven Verbrennungsgasen in Berührung kommt unterliegt er im Vergleich mit Schiebern bei Viertakt-Motoren praktisch keinem Verschleiß.

Mit einem solchen Motor wurde 1938 Ewald Kluge auf einer DKW-Rennmaschine Deutscher und auch Europameister sowie TT-Sieger in der Klasse bis 250 cm³. Kawasaki baute kleinere Drehschieber-Zweitakter bis in die 1980er-Jahre. Auch beim Motor des PKW Trabant wirkte eine Aussparung in der Kurbelwange als Einlassdrehschieber. Die von der Kolbenstellung unabhängige Einlasssteuerung war immer wieder ein beliebter Angriffspunkt für Tuner. Es gab auch Zweitaktmotoren mit Auslassdrehschiebern (z. B. Yamaha), die für den Gaswechsel Vorteile haben (unsymmetrisches Steuerdiagramm), aber wegen der hohen Abgastemperaturen teuer und anfällig sind.

Literatur

  • Peter Gerigk, Detlev Bruhn, Dietmar Danner: Kraftfahrzeugtechnik. 3. Auflage, Westermann Schulbuchverlag GmbH, Braunschweig 2000, ISBN 3-14-221500-X.
  • Max Bohner, Richard Fischer, Rolf Gscheidle: Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik. 27. Auflage. Verlag Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten 2001, ISBN 3-8085-2067-1.
  • Peter A. Wellers, Hermann Strobel, Erich Auch-Schwelk: Fachkunde Fahrzeugtechnik. 5. Auflage. Holland+Josenhans Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-7782-3520-6.

Weblinks


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