V-Motor

V-Motor
V-Motor des Laurin & Klement A von 1905.
Querschnittszeichnung eines V6-Motors

Der V-Motor (früher auch „Gabelmotor“ genannt) ist ein mehrzylindriger Hubkolbenmotor. Die Zylinder sind auf zwei Zylinderbänke aufgeteilt, die Bänke stehen in einem Winkel zueinander. Neben dem Reihenmotor handelt es sich um eine der verbreitetsten Motorbauarten.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die Zylinder sind beim V-Motor in zwei Reihen („Zylinderbänken“) angeordnet. Diese sind um die Kurbelwellenachse zueinander geneigt („Bankwinkel“), in einem Winkel von theoretisch >0° bis 180°. Praktisch ist ein Mindest-Bankwinkel erforderlich, um die Vorteile der V-Anordnung nutzen zu können. Bisher dargestellte Bankwinkel beginnen bei 10°14' im Lancia Appia. Der Bankwinkel wird beeinflusst von der Zylinderzahl (um Massenkräfte niedrig zu halten) bzw. vom verfügbaren Bauraum der vorgesehenen Motoranwendung. Meist werden Winkel zwischen 45° und 90° angewendet. V-Motoren mit sehr kleinem Bankwinkel (< 15°) werden als VR-Motoren bezeichnet.

Vereinzelt wurden auch V-Motoren mit ungerader Zylinderzahl gebaut, bei Motorrädern als V3 (Honda NS 400R) und V5 (Honda RC211V). VW verbaute im Golf IV einen als V5 bezeichneten VR5-Motor.

Einander gegenüberliegende Zylinder sind in der Regel leicht seitlich versetzt, die Pleuel sind direkt nebeneinander an der Kurbelwelle auf einem gemeinsamen Hubzapfen gelagert. Eine Anordnung ohne Versatz erfordert aufwendigere und teurere gegabelte Pleuel und wird daher nach Möglichkeit vermieden. Verschiedene Motoren, z. B. der des Lancia Aurelia, vermeiden die gemeinsame Führung von zwei Pleueln auf einem Hubzapfen. Dadurch besitzt jeder Zylinder seine eigene Kurbelwellenkröpfung, der Motor baut dann leicht länger.

Bei PKW-Motoren werden aus Gründen der Laufruhe fast immer gleichmäßige Zündabstände zwischen den Zylindern hergestellt. Diese betragen - als Kurbelwinkel angegeben - 720° geteilt durch Zylinderzahl, da bei zwei Kurbelwellenumdrehungen jeder Zylinder einmal zündet (bei Viertaktmotoren). Bei einem V8 beträgt der Zündabstand also 90°, bei einem V6 120°. Wenn der Bankwinkel nicht ein Vielfaches des Zündabstandes ist, braucht man unterschiedliche Hubzapfen. Diese können dann entweder direkt nebeneinander sitzen, sofern sie nicht zu stark versetzt sind, oder müssen mit einer Zwischenwange verbunden werden.

Der häufigste Bankwinkel ist 90° für viele V6-, fast alle V8- und einige V10-Motoren. Aus fertigungstechnischen Gründen ist es vorteilhaft, wenn ein V8-Motor mit einem natürlichen Bankwinkel von 90° als Basis einer V-Motorenreihe mit unterschiedlichen Zylinderzahlen (z. B. V6, V8 und V10) verwendet wird, da alle Motoren großteils auf den gleichen Fertigungslinien hergestellt werden können und sich Kostenvorteile infolge von Gleichteilen ergeben. Beispiele dafür sind die V6-, V8- und V10-FSI-Motoren von Audi[1] und V6- und V8-Motoren von Mercedes-Benz.[2] Einige V6 und fast alle V12 haben 60°. V6 mit 120°, die nur drei Hubzapfen brauchen würden, gibt es kaum, denn der Motor baut dann sehr breit.

Die Zündapp-Motorradmodelle KS 600 und KS 601 haben V-Motoren mit dem ungewöhnlichen Zylinderwinkel von 170°.

Bei einem Zylinderwinkel von 180° spricht man von einem 180°-V-Motor, nicht zu verwechseln mit einem Boxermotor, bei dem jedes Pleuel an einer eigenen Kröpfung gelagert ist und die gegenüberliegenden Kolben gegenläufig arbeiten.

Bei Großmotoren und Motoren für besondere Anwendungsfälle (z.B. Rennsport) sind häufig auch andere Gesichtspunkte für die Wahl des Bankwinkels ausschlaggebend, z. B. die Zugänglichkeit für Wartungsarbeiten, der Platzbedarf oder die Höhe des Schwerpunkts.

Sonderfälle

Prinzipskizze V180° - Boxer

Außer dem VR-Motor ist auch der V-Motor mit 180° Bankwinkel ein Sonderfall. Bei der V-Motor typischen Lagerung von zwei Pleueln auf einem gemeinsamen Hubzapfen wird er als „180°-V-Motor“ bezeichnet. Sind dagegen die Pleuel voneinander gegenüberliegenden Zylindern auf eigenen Kurbelwellenkröpfungen gelagert, die um 180° zueinander versetzt sind, handelt es sich um einen Boxermotor. Aufgrund des besseren Massenausgleichs des Boxermotors gegenüber dem 180°-V-Motor ist Letzterer die deutlich seltenere Bauweise.

Eine Ausnahme bilden V12-Motoren. Wenn die Kurbelwellenkröpfungen analog zu einem Reihensechszylinder angeordnet sind (übliche Bauform), dann ergibt sich unabhängig vom Zylinderbankwinkel ein vollständiger Ausgleich sämtlicher Massenkräfte und -momente erster und zweiter Ordnung, da der Motor als doppelter R6 betrachtet werden kann. Somit liegt ein exzellenter Massenausgleich vor. Für gleichmäßige Zündabstände muss der Bankwinkel 60° (üblich bei PKWs) oder 180° (Sportwagen) betragen. Aufgrund der steiferen und kürzeren Kurbelwelle wird bei Sportwagen in der Regel ein 180°-V12 gegenüber einem 12-Zylinder-Boxermotor bevorzugt. Beispiele sind der Ferrari Testarossa oder der Porsche 917.

Konstruktiv interessant ist der Vergleich 180°-V gegen Boxer beim Zweitaktprinzip. Als Boxermotor hat der Zweitaktmotor den besseren Massenausgleich, aber eine größere Unruhe, da immer zwei Zylinder gleichzeitig zünden und bis zur nächsten Zündung ein größerer Kurbelwinkel besteht. Als 180°-V-Motor ist der Massenausgleich zwar nicht optimal, dafür sind die Zündungen gleichmäßiger verteilt.

Bezeichnungen

V-Motoren werden meist mit der Angabe der Zylinderzahl bezeichnet, mit einem vorangestellten „V“ für die Bauform des Motors und angehängter Zahl für die Anzahl Zylinder. „V12“ kennzeichnet somit einen V-Motor mit 12 Zylindern. Bezeichnungen mit vorangestellter Zylinderzahl und nachgestelltem V sind unüblich, da diese Bezeichnungsart in der Regel für Mehrventilmotoren (12V = Motor mit 12 Gaswechselventilen, z. B. Vierzylinder mit zwei Einlass- und einem Auslassventil pro Zylinder) verwendet wird.

Zylinderanordnung

Die Anordnung ist in einem längs eingebauten V8 Motor von der Spritzwand aus gesehen (DIN 73 021):

Kraftabgabe

   4   8
   3   7
   2   6
   1   5

Für einen V8-Motor für allgemeine Verwendung gilt folgende Nummerierung (ISO 1204, ISO 1205 und DIN 6265):

Kraftabgabe

   8   4
   7   3
   6   2
   5   1

Anwendung

V-Motoren werden vielfach eingesetzt, besonders bei höherer Zylinderzahl und begrenztem Bauraum. Bei Motoren mit 8 oder mehr Zylindern kommen heute fast ausschließlich V-Motoren zur Anwendung.

Bei Automobilen kommen vorwiegend V6-, V8- oder V12-Motoren zum Einsatz. V4- und V2-Motoren sind unüblich, auch wenn früher V4- (z. B. verschiedene Ford-Modelle) und vereinzelt auch V2-Motoren (vorwiegend Kleinstmobile wie z. B. Morgan Threewheeler) verwendet wurden. Der erste seriell gefertigte V6-Motor wurde ab 1950 im Lancia Aurelia verbaut. In einzelnen PKW-Modellen wie etwa dem Lamborghini Gallardo oder VW Touareg V10-TDI werden auch V10-Triebwerke eingesetzt – im Motorsport sogar häufiger. Auch der BMW M5 in der E60 Baureihe besitzt einen V10.

Motorräder verwenden den V-Motor als V2 und seltener als V4 (z. B. Yamaha V-Max, Honda VFR 750 R, Ducati Desmosedici). Berühmt wurde der V-Motor auch in den US-amerikanischen Musclecars (z. B. Ford Mustang, Pontiac GTO) und den charakterstarken Motorrädern von Ducati, Moto Guzzi, Harley-Davidson sowie früher auch Indian. Die unregelmäßige Zündfolge der V-Motoren trägt bei Motorrädern wesentlich zu deren originellem Laufgeräusch bei.

In Nutzfahrzeugen (Lkw, Omnibus) ist der Anteil an V-Motoren größer, hier werden vorwiegend V6- und V8-Motoren, gelegentlich auch V10-Motoren eingebaut. Bei Schiffs- und Lokomotivantrieben kommen V8-, V12-, V16-, V18- und V20-Motoren zum Einsatz, die V18-Ausführung ist dabei die seltenste Variante. Auch bei Flugzeugen werden V-Motoren verwendet, hier häufig mit obenliegender Kurbelwelle und hängenden Zylindern.

Vor- und Nachteile

Einer der Hauptvorteile des V-Motors ist seine geringe Baulänge und die halbierte Anzahl an Kurbelwellenkröpfungen – falls es sich um den Normalfall (s. o.) handelt – im Vergleich zum Reihenmotor. Durch die kompakte Bauweise wird auch etwas Material und damit Gewicht gespart. Ein V12 mit einer sechsfach gekröpften Kurbelwelle ist nur unwesentlich länger als ein Reihenmotor mit sechs Zylindern. Ein V-Motor ist dafür immer aufwendiger als ein Reihenmotor mit gleicher Zylinderzahl, da manche Teile doppelt vorhanden sein müssen (Zylinderkopf, Nockenwelle) und das Kurbelgehäuse eine komplexere Form hat. Zudem erfordert ein V-Motor im PKW fast immer zwei Auspuffstränge, für die auch entsprechend Platz vorhanden sein muss.

Nachteile sind bei V4- und V6-Motoren der schlechtere Ausgleich von Massenkräften (V4) und Massenmomenten (V4 und V6). V6-Motoren werden in PKW oft anstelle von R6-Reihenmotoren eingesetzt, weil sie kürzer sind und nicht so hoch bauen. Nachteilig sind Vibrationen und rauerer Klang bei hohen Motordrehzahlen durch freie Massenmomente. Durch die nicht längssymmetrische Kurbelwelle treten freie Massenmomente erster und zweiter Ordnung auf. Eine gegenläufige Ausgleichswelle kann das freie Massenmoment erster Ordnung beseitigen. Das verbleibende freie Massenmoment zweiter Ordnung ist relativ klein. Da ein Ausgleich einen übermäßigen Aufwand zur Folge hätte, wird darauf verzichtet.

Bei Viertakt V8-Motoren kann man bei einem Zylinderwinkel von 90° die Massenkräfte und -momente erster und zweiter Ordnung völlig ausgleichen, ebenso – unabhängig vom Zylinderwinkel – beim V12 und bei den sehr seltenen V16. Der nahezu vollständige Massenausgleich führt zu einem sehr ruhigen Lauf.

Die ursprüngliche V8-Bauform besitzt bei einem Zylinderwinkel von 90° eine Kurbelwelle mit vier Kröpfungen, die um 180° versetzt in einer Ebene liegen (daher der Name flat-plane-Bauweise). Diese Bauform ist einfach und kostengünstig herzustellen. Sie benötigt weniger Gegengewichte, wodurch der Motor leichter und weiter hochdreht. Bei dieser Bauform treten jedoch freie Massenkräfte zweiter Ordnung und somit mehr Vibrationen auf. Alle V8-Motoren bis 1925 waren flat-plane-Motoren. Heute wird die Bauform z. B. noch im Rennsport und durchgängig von Ferrari verwendet.

Crossplane

Bei der cross-plane-Bauweise des V8 liegen die erste und letzte Kröpfung der Kurbelwelle in einer Ebene und die beiden mittleren Kröpfungen in einer dazu senkrechten Ebene. In Blickrichtung der Längsachse bilden die Kröpfungen ein Kreuz. cross-plane-Kurbelwellen sind wesentlich schwieriger zu konstruieren und zu fertigen. Jedoch bieten sie den Vorteil, dass sich die freien Massenkräfte I. und II. Ordnung und das freie Massenmoment II. Ordnung selbstständig ausgleichen. Es tritt ein freies Massenmoment I. Ordnung auf, das sich durch ein Gegengewichtpaar an der Kurbelwelle ausgleichen lässt. Durch den vollständigen Ausgleich der Massenkräfte und Momente ergibt sich ein sehr ruhiger Motorlauf. Das Design wurde 1915 vorgestellt, aber erst 1923 brachten Cadillac und 1924 Peerless die ersten Serienmotoren dieser Bauweise auf den Markt. Sie hat den Nachteil, dass die Zündungen - und damit auch die Ein- und Auslasstakte - nicht abwechselnd in der linken und rechten Zylinderbank, sondern unregelmäßig erfolgen. Dies ist ungünstig für eine gute Zylinderfüllung und eine gleichmäßige Verteilung des Gemischs bzw. der Verbrennungsluft auf alle Zylinder, was sich durch entsprechende Gestaltung des Ansaugkrümmers aber beherrschen lässt. Auch entsteht dadurch das akustisch markante Auspuffgeräusch („V8-Brabbeln“). Bei hoher Motorleistung, z. B. im Rennsport, erfordert die Bauweise sehr aufwendige Auspuffanlagen.

Literatur

  • Jan Trommelmans: Das Auto und seine Technik. 1. Auflage, Motorbuchverlag, Stuttgart, 1992, ISBN 3-613-01288-X
  • Hans Jörg Leyhausen: Die Meisterprüfung im Kfz-Handwerk Teil 1. 12 Auflage, Vogel Buchverlag, Würzburg, 1991, ISBN 3-8023-0857-3
  • Gert Hack: Autos schneller machen. 11. Auflage, Motorbuchverlag, Stuttgart, 1980, ISBN 3-87943-374-7
  • Richard van Basshuysen, Fred Schäfer: Handbuch Verbrennungsmotor Grundlagen, Komponenten, Systeme, Perspektiven. 3. Auflage, Friedrich Vieweg & Sohn Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2005, ISBN 3-528-23933-6

Weblinks

 Commons: V-Motor – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. J. Königstedt et al.: Der neue V10-FSI-Motor von Audi. 27. Internationales Wiener Motorensymposium 2006
  2. Mercedes-Benz M 112 Mercedes-Benz M112

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