Kolibki

Kolibki

Kolibki (dt.: Koliebken, Kaschub.: Kòlëbki) ist ein Viertel in Gdingens Stadtteil Orłowo (Adlershorst). Koliebken ist heute das südlichste Viertel Gdingens direkt an der Danziger Bucht und dem Katzer Fließ (Kacza). Im Süden bildet das Grenzfließ (auch: Grenzbach / Menzelbach, poln. Swelina) Koliebkens, und damit Gdingens, Grenze zur benachbarten Stadt Zoppot. Im Westen grenzt das Vorwerk Klein-Katz, im Norden Adlershorst an Koliebken, im Osten eben die See.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Koliebken gehörte seit dem frühen 14. Jahrhundert, also zur Zeit seiner Zugehörigkeit zum Deutschordensstaat Preußen, zum Besitz der Zisterzienserabtei in Oliva (Oliwa).[1] Das älteste Dokument, das Colypka (Koliebken) erwähnt, ist eine Beschreibung der Grenzen der Ländereien der Zisterze Oliva von 1323/1324.[2] Später kam Koliebken aber als Rittergut an feudale Grundherren. Am 9. Januar 1383 verlieh der ordenspreußische Danziger Komtur Giesebrecht von Doldesheim dem Landrichter Peter von der Katze die drei Dorfschaften Colipko (Koliebken), Groß Katz (pl. Wielki Kack, kasch. Wiôldżi Kack) und Klein Katz (pl. Mały Kack, kasch. Małë Kack).[3] Seit 1466 war Koliebken Teil Preußens königlichen Anteils. „Der Ort war aber wegen der bewaldeten Lage gefürchtet und einige Male fanden hier Überfälle von Reisenden statt.“[3] 1589 kam das Gut an die Ostromęcki.[3]

Backstein mit der Einprägung Koliebken, ehemalige Seifenfabrik in Oliva, ul. Grunwaldzka 535-537.

1614 entstand eine große Ziegelei, zwei weitere folgten später.[4] Den Ostromęcki folgten die Danziger Patrizier Heyne und Czirenberg/Zierenberg.[3] 1655 saß Matthäus von Liebmann als Verwalter auf Koliebken.[3] Danach erwarb Familie von Weiher das Gut.[5] Als Gutsherren folgten die Radziwiłł,[3] mit deren Tochter Katarzyna Radziwiłł Königin Marie Casimire Louise de la Grange d’Arquien befreundet war. König Johann III. Sobieski war 1677/1678 Gast der Radziwiłłs in Koliebken.[6]

Gutshaus Koliebken.

1685 erwarben König Johann III. und Königin Marie Koliebken.[5] Nach Johanns III. Tod (1696) nutzte die Königinwitwe, oft Marysieńka (dt.: Mariechen) genannt, Koliebken als Wohnsitz bis Herbst 1698.[3] Sie ließ einen Park anlegen, der noch heute besteht.[5] Später kehrte die Königinwitwe nach Frankreich zurück. Ihr Sohn Jakob Louis Heinrich verkaufte Koliebken 1716, und 1720 auch Weihersfrei und Rutzau (pl. Rzucewo, kasch. Rzucéwò) an den Grafen Peter Georg Prebendow (Piotr Jerzy Przebendowski, 1674–1755), Woiwode von Livland.[5] Dessen Nachfahre General Józef Przebendowski ließ 1763 in Koliebken die katholische St. Josefskirche errichten,[6] und zwar „als Haltestelle für die Neustädter Wallfahrts-Kompagnien …, die im Jahre 1794 zur Filiale von Quaschin erhoben wurde.“[7]

Seit 1772 gehörte Koliebken zum Königreich Preußen und zählte laut Kontributionsregister von 1773 14 culmische Hufen und 52 Einwohner.[3] Graf Johann Nepomuk Prebendow veräußerte Koliebken 1793 an Generalleutnant Wilhelm Magnus von Brünneck, der es 1803 wieder weiter an Daniel Gotthilf von Frantzius verkaufte.[3] 1818–1920 gehörte Koliebken zum Kreis Neustadt in Westpreußen. Durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erwarb es Alexander Maaß 1822,[3] der das heutige Gutshaus errichten ließ.[6] 1840 gründete der Fischer Johann Adler in Hochredlau nördlich Koliebkens am Katzer Fließ (Kacza) ein Gasthaus namens Adlershorst (Polnisch Adlerówka), bei dem er auch einen Badebetrieb aufnahm.[8]

„Der Name Adlershorst, als Etablissement von Fremden beigelegt, wurde 1857 als offizielle amtliche Bezeichnung übernommen.“[9] 1861 gehörten zu Koliebken die Ziegelei Jägerhof, die Vorwerke Quarzau (pl. Chwarzno; kasch. Chwôrzno) und Wilhelmswalde, zwei Mühlen und drei Eisenhämmer und maß 57 Hufen und zählte 416 Einwohner.[3] 1862 kaufte Hermann von Bethe Koliebken, der das Pertinens Quarzau abtrennte und weiterverkaufte.[3] Bethe folgte der Kammerherr Wilhelm von Zitzewitz.[3] Im Juli 1919 verkaufte Walter von Schütze Koliebken dem letzten Eigentümer Witold Kukowski (*1882–1939*).[10]

Am 10. Januar 1920 trat Deutschland, wie im Vorjahr durch den Frieden von Versailles vereinbart, Koliebken an die Zweite Polnische Republik ab. Ein kleineres Gebiet Koliebkens, nur 3,34 ha, war bei der Grenzziehung nicht an Polen gekommen und gehört seit 6. Mai 1922 zu Zoppot.[11] Koliebken gehörte weiter zum Kreis mit Sitz in Wejherowo (Neustadt), nunmehr Powiat Wejherowski genannt, kam aber 1927 an den neuen Powiat Morski (Seekreis), beide Woiwodschaft Pommerellen. Koliebken lag nun direkt an der Grenze zum Staatsterritorium der Freien Stadt Danzig. Kukowski beherbergte General Józef Haller 1920 bei seinem Besuch in der Stadt.[6] Kukowski parzellierte und verkaufte große Teile des Gutsterrains für Siedlungszwecke.[6] Mitte der 1920-er ließ er an der Vorderfront einen mittigen Altan anbauen.[6] Durch die Gemeindereform 1934 wurden Koliebken und das Vorwerk Klein-Katz nach Orłowo Morskie (etwa: Adlers Ort an der See, abgeleitet von Orzeł, der polnischen Übersetzung für Adler) eingemeindet, das 1931 aus der Ortslage Adlershorst (Adlerówka) hervorgegangen war. 1935 wurde Orłowo Morskie selbst ins kreisfreie Gdingen eingemeindet.

Einmarsch am Grenzübergang Koliebken, gestellte Aufnahme nach Ende der Kämpfe.

In Koliebken rückte zu Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 die SS-Heimwehr Danzig als erstes ein. Bei der Eroberung Koliebkens wurde die katholische St. Josefskirche zerstört.[5] Soldaten des Zweiten Marineschützen-Regiments (2 Morski Pułk Strzelców) verteidigten Koliebken. Gleich nach Einnahme Gdingens verschleppten die deutschen Invasoren Kukowski, estnischer Honorarkonsul, im Zuge der so genannten Intelligenzaktion und erschossen ihn mit vielen anderen beim Massaker von Piaśnica.[5]

Am 19. März 1945 abends wurde für das benachbarte Zoppot Räumungsbefehl gegeben.[12] Der am 20. März folgende sowjetische Angriff kam schnell voran.[12] Am Morgen des 22. März erreichte die Rote Armee südlich von Koliebken die Danziger Bucht und errang Koliebken selbst noch am gleichen Tage.[12] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Teilen des Gutsparks ein Gartenbaubetrieb mit Gewächshäusern und einem Kesselhaus errichtet, die inzwischen beseitigt sind.[6] Beim Ausbau der aleja Zwycięstwa (Siegesallee, Teil der Droga krajowa 6) zu einer mehrspurigen Kraftfahrstraße wurde der Friedhof um die ehemalige Josefskirche vom Gutskomplex getrennt, da er nun auf dem Mittelstreifen zwischen alter Trasse und neuer Fahrbahn liegt.[6]

Ortsbild

Gut Koliebken und Park Marysieńki

Pferdestall des Gutes Koliebken

Die Anlage des Gutes ist gut erhalten und steht seit 1982 unter Denkmalschutz.[5] Wirtschaftsgebäude aus dem 19. Jahrhundert dienen heute einem Reiterhof. Die einst zum Gut gehörigen Anlagen, wie Ziegelei, Mühle, Schmiedehammer und Papierfabrik bestehen nicht mehr.

Der einst von Königinwitwe Marie (Marysieńka) gestaltete Gutsgarten heißt heute Park Marysieńki (Park Mariechens). Er zeichnet sich durch seinen alten Baumbestand aus.[5] Bekannt ist die über 400-jährige Eiche Dąb Marysieńki sowie eine Esche mit 173 cm Durchmesser.[5] Im Park befindet sich die Ruine der Grota Marysieńki (Liebesgrotte) mit Aussichtspunkt auf 40 m Höhe überm Meeresspiegel.[5] „Die gern besuchte Koliebker Grotte soll eine Anlage des durch seinen feinen Kunstsinn berühmten Danziger Bürgermeisters Czirenberg 1635 gewesen sein.“[3] Der Park reicht bis an die Danziger Bucht, wo die Strandpromenade, die nach Zoppot führt, heute den Namen Witold Kukowskis trägt.

Josefskirche

Andeutung der Umrisse der Josefskirche

Von der zerstörten St. Josefskirche (Kościół pw. św. Józefa) und dem umgebenden Friedhof finden sich heute nur noch Spuren auf dem bewaldeten Mittelstreifen der aleja Zwycięstwa (Siegesallee). Zwischen den Bäumen, die heute auf ihrem einstigen Standort wachsen, deuten niedrige Mauern die Umrisse der einstigen Kirche an. Der Beschädigung im Polenfeldzug folgte der Abriss der Ruine bis Anfang 1940. Das gotische Gemälde "Unserer Lieben Frau vom Sande" aus dem frühen sechzehnten Jahrhundert, wahrscheinlich ein Geschenk der Königin Mariechen, kam in die Kirche in Witomino, wo es 1945 zerstört wurde.

Die Josefskirche wurde nicht wieder aufgebaut. Die katholische Gemeinde übernahm 1945 im Einvernehmen mit dem Bischof von Pelplin die 1568–1572 durch George Rosenberg[13] errichtete und in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts wieder aufgebaute evangelische Kirche Klein-Katz (heute Kirche Unserer Lieben Frau von den sieben Schmerzen) im Vorwerk Klein-Katz, nachdem diese durch Flucht und Vertreibung ihre Gemeinde verloren hatte.[14]

Gefallenenehrenmal Koliebken

Ehrenmal für die in Koliebken gefallenen polnischen Soldaten.

In der aleja Zwycięstwa (Siegesallee) erinnert seit 19. September 1981 ein Denkmal an die Verteidiger vom polnischen Zweiten Marineschützen-Regiment, die beim Überfall der SS-Heimwehr Danzig im September 1939 in Koliebken gefallen waren.[5] Das Ehrenmal steht auf einer Terrasse mit Panoramablick auf die Danziger Bucht.

Motocross-Strecke und ehemalige Flak-Batterie

Auf der westlichen Straßenseite auf dem bewaldeten Moränenhügel besteht eine Motocross-Strecke und die Reste einer deutschen Flak-Batterie.[15]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wojciech Antoszkiewicz, Mariusz Jablonski, Bogdan Kwiatkowski u.a.: Gdynia: Touristen-Vademekum [Einheitssachtitel: 'Gdynia: vademecum turysty'; dt.], Jerzy Dąbrowski (Übs.), Gdynia Turystyczna, Gdingen 2009, ISBN 978-83-929211-0-3, S. 11.
  2. Śladem Królowej Marysieńki - plan wycieczki, auf: Polskie Szlaki, abgerufen am 5. Oktober 2011.
  3. a b c d e f g h i j k l m n Fritz Schulz, "Koliebken (Kreis Neustadt / Westpreußen)", auf: Herzlich Willkommen: Auf den folgenden Seiten wird das nördliche Grenzgebiet zwischen den ehemaligen preußischen Provinzen Pommern und Westpreußen näher behandelt, abgerufen am 6. Oktober 2011.
  4. Historia Gdyni., 1. Abschnitt, abgerufen am 27. September 2011.
  5. a b c d e f g h i j k Wojciech Antoszkiewicz, Mariusz Jablonski, Bogdan Kwiatkowski u.a.: Gdynia: Touristen-Vademekum [Einheitssachtitel: 'Gdynia: vademecum turysty'; dt.], Jerzy Dąbrowski (Übs.), Gdynia Turystyczna, Gdingen 2009, ISBN 978-83-929211-0-3, S. 41.
  6. a b c d e f g h "Historia Kolibek", auf: Ogród 2011, abgerufen am 5. Oktober 2011.
  7. Fritz Schulz, "Koliebken (Kreis Neustadt / Westpreußen)", auf: Herzlich Willkommen: Auf den folgenden Seiten wird das nördliche Grenzgebiet zwischen den ehemaligen preußischen Provinzen Pommern und Westpreußen näher behandelt, abgerufen am 6. Oktober 2011. Auslassung nicht im Original.
  8. Wojciech Antoszkiewicz, Mariusz Jablonski, Bogdan Kwiatkowski u.a., Gdynia: Touristen-Vademekum, Gdingen: Gdynia Turystyczna, 2009, p. 39. ISBN 978-83-929-211-0-3.
  9. Fritz Schulz, "Hochredlau (Kreis Neustadt / Westpreußen)", auf: Herzlich Willkommen: Auf den folgenden Seiten wird das nördliche Grenzgebiet zwischen den ehemaligen preußischen Provinzen Pommern und Westpreußen näher behandelt, abgerufen am 6. Oktober 2011.
  10. "Architecture", auf: Gdynia moje miasto, abgerufen am 5. Oktober 2011.
  11. "Stadtkreis Zoppot", auf: Territoriale Veränderungen in Deutschland und deutsch verwalteten Gebieten: 1874–1945, abgerufen am 7. Oktober 2011.
  12. a b c "Schlacht um Danzig", auf: 389. Infanterie- Division, abgerufen am 6. Oktober 2011.
  13. Bürgermeister Danzigs 1578–1592 und königlich polnischer Burggraf für Danzig.
  14. Mirosław Gawron, "Ogniwa z Dziejów Prezbiterium Poewangelickiej Świątyni w Gdyni Orłowie", auf: Parafia Matki Boskiej Bolesnej w Gdyni Orłowie, Webseite der Pfarrgemeinde, abgerufen am 5. Oktober 2011.
  15. "Kolibki", auf: Fortyfikacje Pomorza Gdańskiego, abgerufen am 5. Oktober 2011.
54.47333333333318.5575

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