Kommerzielle Koordinierung

Kommerzielle Koordinierung

Der Bereich Kommerzielle Koordinierung (auch unter der Kurzform KoKo bekannt) war eine 1966 im Ministerium für Außenhandel der DDR eingerichtete Abteilung, die vor allem der Beschaffung von Devisen diente.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gründung

Der Bereich Kommerzielle Koordinierung war mit Politbürobeschluss ab 1972 direkt dem Zentralkomitee der SED, speziell Erich Honecker und Wirtschaftssekretär Günter Mittag, untergeordnet und wurde durch die Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung (AG BKK) des Ministerium für Staatssicherheit (MfS) kontrolliert.[1]

Rolle und Bedeutung

Mitte der 1970er Jahre wurde ihr durch Beschluss des Politbüros die wirtschaftliche Lenkung der entgegen den Vorschriften der Militärregierungsverordnung Nr. 53 in der BRD und auch in anderen westlichen Ländern aus Mitteln der DDR errichteten Unternehmen übertragen, die bis dahin von der Abteilung Verkehr des ZK der SED betreut worden waren.

Der seit den 1970er-Jahren stetig ansteigende Lebensstandard in der DDR war nicht zuletzt durch Importe aus dem Westen ermöglicht worden. Die Kosten hierfür konnten nur zum Teil durch reguläre Exporte von laufenden Produktionsgütern erwirtschaftet werden. Im großen Umfang wurden die aus der UdSSR bezogenen Rohöllieferungen veredelt und weiter verkauft. Der Verfall der Ölpreise ließ die Gewinnmargen jedoch stetig sinken.

Während ihres Bestehens konnte KoKo etwa 30 Milliarden DM erwirtschaften und unterhielt etwa 170 Unternehmen mit ca. 3100 Mitarbeitern in der DDR und im kapitalistischen Ausland.

Auflösung

Das KoKo-Geflecht schien bei der Auflösung der Abteilung im März 1990 undurchschaubar, nur wenige hatten Einblick in die geheimen KoKo-Geschäfte. Für DDR-Normalbürger war der Bereich bis zur Wende 1989 völlig unbekannt.

Aufarbeitung

Der Gesamtbereich der Kommerziellen Koordinierung war Gegenstand des 1. Untersuchungsausschusses des 12. Deutschen Bundestages unter dem Vorsitz des CDU-Abgeordneten Friedrich Vogel. Über das Ergebnis der Untersuchungen gibt es umfangreiche Berichte, vor allem Beschlussempfehlung und Bericht Drucksache 12/7600 vom 27. Mai 1994 mit drei Anlagenbänden und einem Anhangband.[2]

Auftrag

Hauptaufgabe war die Devisenbeschaffung mit allen legalen und illegalen Mitteln, über die Möglichkeiten des normalen Außenhandels hinaus.

Beschaffung von Devisen

Die Versorgung mit Devisen zur Deckung der Importe basierte dabei auf mehreren Bereichen:

  • Zum einen konnten mit den Intershops, die sich auf Flughäfen, Bahnhöfen und an Grenzübergängen und Transitstrecken befanden und den Bedarf der Reisenden aus den westlichen Ländern decken sollten, Gelder erwirtschaftet werden. Hierbei war von Vorteil, dass die Reisenden die Waren meist günstiger als im Herstellungsland erwerben konnten.
  • Auch wurden über das Versandhaus Genex Devisen erwirtschaftet. Der Genex-Kataloghandel richtete sich an Bürger Westdeutschlands mit Verwandten und Bekannten in der DDR. Konnten DDR-Bürger nicht alle Produkte kaufen oder mussten sie auf Konsumgüter mitunter Jahre warten, so war eine Lieferung binnen weniger Wochen möglich, wenn die Bestellung über Genex erfolgte und die Rechnungen mit Devisen beglichen wurden. So wurden in den Katalogen Lebensmittel, Kleidung, Häuser und auch Fahrzeuge der Marken Trabant, Wartburg und VW angeboten. Selbst bei den DDR-Fahrzeugen wurden die Autos kurzfristig geliefert, während DDR-Bürger über zehn Jahre warten mussten, sofern die Bezahlung mit Mark der DDR erfolgte.
  • Die Kunst und Antiquitäten GmbH exportierte Kulturgüter aus staatlichem und privatem Besitz gegen harte Devisen. Zum Aufspüren dieser Kunstwerke bei Privatleuten und zur Absicherung der Geschäfte wurde eng mit den Fachabteilungen des MfS, der Zoll- und Steuerfahndung zusammengearbeitet.

Doch die damit erwirtschafteten Gelder konnten den Devisenbedarf nicht decken. So kaufte KoKo auch im westlichen Ausland kleinere Unternehmen auf, verwaltete SED-Parteibetriebe im westlichen Ausland (meist Bundesrepublik, Österreich; Treuhandunternehmen auch in Liechtenstein, Luxemburg, Schweiz) und betrieb Waffenhandel. KoKo profitierte auch von den Geldern aus Häftlingsfreikäufen, Müllimporten aus West-Berlin, Blutplasmaexport, Textil- und Zigarettenschmuggel u. a. Außerdem wurden mit Geldern in Millionenhöhe an westlichen Waren- und Termingeldbörsen spekuliert.

Beschaffung von Embargoware

Ein wesentlicher Geschäftsbereich, für den die erwirtschafteten Devisen wieder ausgegeben wurden, war die Beschaffung von Embargoware aus nichtsozialistischen Staaten und West-Berlin (CoCom-Liste), insbesondere Hochtechnologie für den Aufbau der DDR-Mikroelektronikindustrie, komplette EDV-Anlagen und Militärtechnologie; allein 1986 bis 1990 fanden Käufe für angeblich 900 Mio. DM statt.

Unterstützung von DKP und SEW

Ein weiterer Ausgabenposten der KoKo war die finanzielle Unterstützung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW).[3]

Da die beiden deutschen Staaten aufgrund alliierter Vorbehalte auf dem Territorium des jeweils anderen Staates wirtschaftlich nicht aktiv sein durften, es aber andererseits ein wechselseitiges starkes Bedürfnis nach wirtschaftlichem Austausch und politischer Einflussnahme gab, wurden Handel und Transport z. T. über bundesdeutsche Unternehmen abgewickelt. Diese Unternehmen übernahmen unverzichtbare und von beiden Seiten wertgeschätzte Funktionen im Ost-West-Handel. Unter den gegebenen Bedingungen bedurfte es jedoch komplizierter Gesellschafterstrukturen u. a. auch mit Hilfe liechtensteinischer Stiftungen unter Betreuung und in Regie der KoKo. In Absprache mit der Abteilung Verkehr des ZK der SED waren als Geschäftsführer und Prokuristen solcher Unternehmen auch Mitglieder der DKP tätig, die treuhänderisch Anteile an ihnen hielten.[4] Im Ergebnis war es möglich, z. B. über Anzeigen solcher Unternehmen in Zeitungen und Zeitschriften der DKP Beiträge nicht nur zur Finanzierung dieser Medien, sondern der DKP als Partei zu leisten.

Diese Unterstützung war in Politik und Medien allgemein bekannt, da diese Unternehmen insgesamt als DDR- bzw. DKP-geführt allgemein bekannt waren. Die BStU stellte dazu fest: „Tatsächlich war die westdeutsche Öffentlichkeit über diese Unternehmen gut informiert.“[5]

Organisation

Geleitet wurde der Bereich seit der Gründung von Alexander Schalck-Golodkowski, einem langjährigen Mitarbeiter des Ministeriums für Außenhandel, seit 1975 Staatssekretär für Außenhandel. Dessen langjähriger Stellvertreter war Manfred Seidel, MfS-Oberst, sein Vorgänger Horst Roigk, beide ehemals HA XVIII des MfS, dann genau wie Schalck-Golodkowski selbst, Offiziere im besonderen Einsatz (OibE) der Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung (AG BKK) des MfS.

Der Hauptsitz der KoKo mit 100 Mitarbeitern und Dienstsitz Schalcks befand sich in Berlin-Mitte, Wallstraße 17–22, in einem unscheinbaren Neubau. Die eigentlichen Unternehmen des Bereichs mit jeweils bis zu 900 Mitarbeitern (meist deutlich kleiner) befanden sich in Objekten in und um Berlin. Im Hotel Neptun in Warnemünde beispielsweise unterhielt die KoKo eine ständige Suite.

Für ihre Finanztransaktionen nutzte die KoKo die Deutsche Außenhandelsbank mit Sitz in Ost-Berlin. Diese Bank hatte in der DDR den rechtlichen Status eines Devisenausländers und stand damit außerhalb der Kontrollhoheit des Finanzministers.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. AG BKK auf bstu.bund.de, abgerufen am 11. April 2009
  2. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Drucksache 12/3920. Bonn 9. Dezember 1992, S. 8 (PDF, 6,1MB, abgerufen am 28. Juli 2008).
  3. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Drucksache 12/7600. Bonn, S. 505f. (PDF, 195MB, abgerufen am 28. Juli 2008).
  4. Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Econ Tb., Bonn 1999, ISBN 3548750672, S. 209.
  5. [1]

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