- Corps Rhenania Tübingen
-
Das Corps Rhenania Tübingen ist ein Corps (Studentenverbindung) im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV), dem ältesten Dachverband deutscher Studentenverbindungen. Das Corps ist pflichtschlagend und farbentragend. Es vereint Studenten und ehemalige Studenten der Eberhard Karls Universität Tübingen. Die Corpsmitglieder werden „Tübinger Rhenanen“ genannt.
Inhaltsverzeichnis
Couleur
Rhenania hat die Farben „blau-weiß-rot“ mit silberner Perkussion. Trotz der Bezeichnung als „blau“ ist das getragene Blau ein helles Blau. Dazu wird eine (hell-) blaue Mütze getragen. Die Rhenanenfüchse tragen ein Fuchsenband in „blau-rot“ mit silberner Perkussion. Der Wahlspruch lautet „Omnes pro uno et unus pro omnibus!“ (Alle für einen und einer für alle) sowie „Concordia firmat fortes!“ (Einigkeit stärkt die Kräfte).
Geschichte
Das Wappen des Corps Rhenania zu Tübingen.Das Corps Rhenania wurde am 7. Juli 1827 von Karl Widmann und anderen Studenten an der Universität Tübingen als Lebenscorps gestiftet. Die erste Constitution ist in einer Fassung des Jahres 1834 überliefert[1]. Rhenania ist seit 1857 Mitglied im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV), der im Jahre 1848 entstand.
Das Corpshaus der Rhenania Tübingen gilt als das älteste, zu diesem Zweck gebaute Verbindungshaus Deutschlands. Bis dato waren Verbindungen und auch das Corps Rhenania in Gaststätten zusammengetroffen und unterlagen damit dem Gutdünken der Wirte. Insofern stellt die räumliche Emanzipation ein Novum dar. Das Rhenanenhaus liegt im Grünen über der Stadt Tübingen in der Stauffenbergstraße 4 auf dem Österberg. Der erste Teil des Hauses wurde bereits 1886 für die Tübinger Rhenanen erbaut und erfuhr 1912 einen Anbau, der den steigenden Mitgliederzahlen Rechnung trug. Dieser letzte Bauabschnitt bestimmt das Gesicht des Corpshauses bis heute.
Nachdem das Corps den ersten Weltkrieg unter Verlust vieler Corpsbrüder überstanden hatte, reagierten die Mitglieder auf die Gleichschaltungsversuche zu Beginn des Dritten Reiches mit der vorübergehenden Suspension des Aktivenbetriebes. Dessen ungeachtet bestand das Corps in einer getarnten Organisation weiter, die ihre jüdischen Mitglieder nicht ausschliessen musste. Erst 1949 reconstituierte Rhenania. Da das Haus von Franzosen besetzt blieb, wichen die Mitglieder in eine Übergangsbleibe aus. Das Haus wurde 1956 als eine der letzten beschlagnahmten Immobilien zurückgegeben und bedurfte nach der Fremdnutzung intensiver Renovierungsarbeiten.
Im Januar 1950 gehörte Rhenania Tübingen zu den 22 Corps, die sich in der „Interessengemeinschaft“ zusammenschlossen und die Rekonstitution des KSCV vorbereiteten.
1959 war Rhenania präsidierendes Vorortcorps und stellte auch 2000 den Kieler Vorortsprecher.
Zielsetzung
Von der Aufklärung beeinflusst und durch den klassischen Idealismus weiterentwickelt, sind in der Constitution folgende Ziele verankert: Weiterbildung in charakterlicher und akademischer Hinsicht, gegenseitige Hilfe vom ersten Tag des Studiums an bei brüderlichem Umgang miteinander. Weiterhin sind „Politische oder religiöse Tendenzen […] unserem Corps fern“.
Beziehungen zu Corps an anderen Universitäten
Das Corps Rhenania Tübingen unterhält zu folgenden Corps Kartellbeziehungen: Corps Rhenania Freiburg, Corps Teutonia Marburg, Corps Rheno-Guestphalia Münster und Corps Marchia Berlin. Mit den drei Erstgenannten bildet es das sogenannte Eiserne Kartell, früher auch als „Kohlekartell“ bekannt, da viele Mitglieder anschließend an ihre Aktivenzeit den Ort ihres Corps verließen und Bergbauwissenschaften studierten. Sie bekleideten vielfach führende Positionen im Bergbau und der Schwerindustrie. Des Weiteren bestehen befreundete Verhältnisse mit Corps Austria Frankfurt und Corps Hannovera Göttingen.
Das Corps wird aufgrund der Struktur seiner Verhältnisse zu anderen Corps zum "Blauen Kreis" innerhalb des KSCV gezählt.
Bekannte Mitglieder
- Erich Bauer (1890-1970), Studentenhistoriker
- Joachim Bergmann (Jurist), Strafverteidiger im Wilhelmstraßen-Prozess
- Uwe Biester (* 1948), Mitglied des Niedersächsischen Landtags (Seit 1998)
- Carl Deilmann (1894-1985), Industrieller
- Karl Ebermaier (1862-1943), letzter Kaiserlicher Gouverneur von Kamerun
- Heyo Johannes Friedrich Eckel (*1935), Präsident der Ärztekammer Niedersachsen
- Klaus Esser (* 1947), letzter Vorstandsvorsitzender der Mannesmann AG
- Moritz Fünfstück (1856-1925), Botaniker und Rektor der TH Stuttgart
- Gerhard Gaul (1909-1982), Kommunal- und Landespolitiker in Schleswig-Holstein und Stadtpräsident der Hansestadt Lübeck
- Friedrich Ludwig von Geß, Richter am Reichsgericht
- Karl Hennig (Ingenieur) (1890-1973)
- Gottwalt Christian Hirsch (1888-1972), Zellbiologe
- Franz von Hofmeister (1867-1926), Chirurg
- Friedrich-Wilhelm Holland (1903-1979), Oberlandesgerichtspräsident in Braunschweig, Präsident des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes
- Christoph Kaempf (1913-2001), Mitgründer und Direktor des Deutsch-Japanischen Kulturinstituts in Kyoto (von 1956 bis 1978).
- Ludwig von Köhler (1868-1953), Innenminister von Württemberg
- Siegfried Körte (1879-1919), Oberbürgermeister von Königsberg i. Pr., Mitglied des Preußischen Herrenhauses
- Max Kohlhaas (1909-1985), Bundesanwalt
- Augustin Krämer (1865-1941), Ethnologie, Südseeforscher, Begründer der Ethnologie an der Universität Tübingen
- Fritz Lindenmaier (1981-1960), Vorsitzender des 1. Zivilsenats am Bundesgerichtshof, Begründer des Kommentars zur BGH-Rechtsprechung „Lindenmaier-Möhring“
- Hans-Otto Mayer (1903-1983) Buchhändler, Thomas-Mann-Forscher und Sammler
- Fritz Mooshake (1877-1969) Präsident der preußischen Bau- und Finanzdirektion
- Ernst Mutschler (* 1931), Pharmakologe und Träger der höchsten Auszeichnung des Welt-Apotheker-Verbandes
- Emil Niethammer (1869-1956), Landtagsabgeordneter
- Kurt Noack (Botaniker)
- Reinhard Pahlke (1866-1937), Landeshauptmann Schleswig-Holstein
- Reza Parwaresch (1940-2005), Hämatopathologe
- Willy Pfeiffer (1879-1937), HNO-Arzt und Leiter der Universitäts-Poliklinik für Hals- und Nasenleiden in Frankfurt
- Gisbert Poensgen (1923–2011), Botschafter
- Helmuth Poensgen (1887-1945), Vorstand der Vereinigten Stahlwerke
- Klaus Pohle, Präsident des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committees, ehem. Vorstand der Schering AG
- Ernst von Richter (1862-1935), DVP-Politiker in Preußen
- Valentin Salzmann (1820-1890), Gründer des Schwäbischen Albvereins
- Hugo Schottmüller (1867-1936), Arzt und Bakteriologe
- Werner Schröder (Theologe) (* 1924)
- Hans Joachim Schulten (1899-1965), Internist und Hochschullehrer
- Albert Stadler (1817-1890), Schweizer Oberstdivisionär
- Gustav Stein (CDU) (1903-1979), Mitglied des Bundestags
- Hermann Voith (1862-1943), Mitinhaber und Leiter der Voith AG
- Ernst Volkmann (Senator) (1881-1953), Finanzsenator der Hansestadt Danzig
- Karl Widmann (Jurist) (1805-1876), Domänendirektor
- Franz Wieacker (1908-1994), Rechtshistoriker und Romanist, Träger des Pour le mérite
- Joachim Zahn (1914-2002), 1970-1979 Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG
- Alfred-Maurice de Zayas (* 1947), Völkerrechtler, Vorsitzender des P.E.N.-Clubs der Romandie
Träger der Klinggräff-Medaille
Mit der Klinggräff-Medaille des Stiftervereins Alter Corpsstudenten wurde ausgezeichnet:
- Dr. med. Roman Klein (2011)
Siehe auch
Literatur
- Ulrich C. Kleyser: „Ältestes aufbewahrt mit Treue - freundlich aufgefasstes Neue“: zur Geschichte des Rhenanenhauses, in: Wilhelm G. Neusel (Hrsg.): Kleine Burgen, große Villen - Tübinger Verbindungshäuser im Porträt, Tübingen 2009, S. 188-197, ISBN 978-3-924123-70-3
- Martin Biastoch: Duell und Mensur im Kaiserreich (am Beispiel der Tübinger Corps Franconia, Rhenania, Suevia und Borussia zwischen 1871 und 1895). Vierow 1995. ISBN 3-89498-020-6.
- Martin Biastoch: Tübinger Studenten im Kaiserreich. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung, Sigmaringen 1996 (Contubernium - Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte Bd. 44) ISBN 3-515-08022-8
Quellen
- ↑ abgedruckt bei Rainer Assmann: Constitutionen der Corps III in Sonderheft Einst und Jetzt 1988, S.153-158
Weblinks
- Corps Rhenania Tübingen
- Literatur von und über Corps Rhenania Tübingen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Informationen zu Corps Rhenania Tübingen im BAM-Portal
- Geschichte der Corps im 18. Jahrhundert
Siehe auch: Corps, Kösener Senioren-Convents-Verband, Studentenverbindung, Liste Kösener Corps
Wikimedia Foundation.