Kranzbühler

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Otto Kranzbühler im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher

Otto Heinrich Kranzbühler (* 8. Juli 1907 in Berlin; † 9. August 2004 in Tegernsee) war der Verteidiger von Karl Dönitz bei den Nürnberger Prozessen.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Kranzbühler war der jüngste Sohn des Korvettenkapitäns Heinrich Kranzbühler (geb. 1870) und hatte drei ältere Geschwister: Caroline (1898–1969), Helmuth (1901–1978) und Elisabeth (1904–1981). Nach dem Abitur 1925 studierte er in Freiburg, Bonn, Genf und Kiel Rechtswissenschaften. Bereits 1928 legte er sein Referendarexamen ab. Trotz der kurzen Studienzeit fand er nebenbei Gelegenheit, begeisterter Segler zu werden und 1929 – er arbeitete inzwischen am Institut für Völkerrecht – sein Seeschiffer-Examen an der Seefahrtsschule in Flensburg abzulegen.

Am 1. Januar 1934 meldete er sich freiwillig zur Kriegsmarine. Nach Teilnahme am Spanienkrieg wurde er 1937 als Referent in das Oberkommando der Kriegsmarine nach Berlin versetzt. Nach weiteren Tätigkeiten als Generalreferent wurde er 1943 Marinerichter in Frankreich. Nach dem Rückzug arbeitete er von September bis Dezember 1944 als Marine-Chefrichter in Wilhelmshaven.

Im April 1945 wurde Kranzbühler zusammen mit seinen Mitarbeitern für vier Wochen verhaftet. Danach ging er auf Befehl der Engländer wieder nach Wilhelmshaven, um die Marinegerichtsbarkeit wieder aufzubauen.

Nürnberger Prozesse

Im Oktober 1945 – er tat inzwischen Dienst bei der Minenräumdienstleitung - wurde er über die Engländer von Dönitz gebeten, ihn bei den Nürnberger Prozessen vor dem Internationalen Militärgerichtshof zu verteidigen. Von den deutschen Verteidigern war er derjenige, der am besten mit dem angelsächsischen Gerichtsverfahren zurechtkam und die Technik des Kreuzverhörs sehr gut beherrschte.

Kranzbühlers Mandant Dönitz war wegen der Anklagepunkte 1, 2 und 3, nämlich Verschwörung gegen den Weltfrieden, Planung, Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges und Verbrechen und Verstöße gegen das Kriegsrecht angeklagt. Unter Anklagepunkt 3 stand im Vordergrund das von Dönitz eingeräumte „Versenken feindlicher Handelsschiffe ohne Vorwarnung“, was gegen das Londoner U-Boot-Protokoll von 1936 verstieß. Denn Handelsschiffe mussten nach diesem Abkommen zunächst aufgebracht und die Mannschaft des Schiffes in ihren Rettungsbooten in Sicherheit gebracht werden. Dass hiergegen aber immer häufiger verstoßen wurde, hatte einen Hintergrund: Einige seekriegführende Nationen gingen vermehrt dazu über, Zerstörer als Geleitschutz für Handelsschiffe einzusetzen oder die Handelsschiffe gleich selbst zu Kriegsschiffen umzubauen, ohne dass die Bewaffnung nach außen in Erscheinung trat. Das Aufbringen eines Handelsschiffes wiederum setzte voraus, dass das U-Boot auftauchte. In Konsequenz hierzu konnte es passieren, dass, kaum war das U-Boot an der Wasseroberfläche, die Handelsschiffe abdrehten und die Zerstörer das U-Boot bombardierten oder die Besatzung des Handelsschiffes gleich selbst dessen Versenkung vornahm. In solchen Situationen hatte sich nicht nur die deutsche Marine befunden, auch die amerikanische war im Krieg gegen Japan davon betroffen.

Allerdings konnte für Kranzbühler ein „Ihr macht das doch genauso“, also das „tu quoque“ (lat.: du auch) keinesfalls ein Argument der Verteidigung sein, weil es keine Gleichbehandlung im Unrecht gibt. Er argumentierte daher, dass Handelsschiffe, die sich zu Kriegszwecken als Geleitschutz von Zerstörern einsetzen ließen bzw. solche, die selbst mit Seekriegswaffen ausgestattet waren, keine Handelsschiffe im Sinne des Londoner Abkommens sein könnten. Der Internationale Militärgerichtshof akzeptierte auf seinen Antrag hin das Einreichen eines Fragenkatalogs, mit welchem ermittelt werden sollte, wie die amerikanische Marine in solchen Fällen verfuhr, und übermittelte diesen dem Admiral der US Navy, Nimitz, zur Beantwortung. Nimitz antwortete freimütig, dass die amerikanische Marine unter „Handelsschiff“ nur solche verstehe, die keine Kampfschiffe seien, dass auch die eigenen U-Boote feindliche Handelsschiffe, die nicht Lazarettschiffe waren, ohne Vorwarnung torpedieren würden und dass die Rettung der in Seenot geratenen Personen nur erfolgen würde, wenn eine Gefährdung der U-Boot-Mannschaft auszuschließen sei.

Mit dieser Antwort war der Vorwurf des „Versenkens von feindlichen Handelsschiffen ohne Vorwarnung“ praktisch entkräftet und das drohende Todesurteil abgewendet. Für die Angriffe auf neutrale Schiffe erfolgte jedoch eine Verurteilung wegen des Anklagepunktes „Verbrechen und Verstöße gegen das Kriegsrecht“. Kranzbühler erwirkte für seinen Mandanten in Bezug auf den Anklagepunkt der Verschwörung gegen den Weltfrieden einen Freispruch und insgesamt eine 10-jährige Haftstrafe.

Bei den Folgeprozessen verteidigte Kranzbühler sowohl Friedrich Flick als auch Alfried Krupp von Bohlen und Halbach.

Kranzbühler nach 1945

Nach dem Krieg und den Nürnberger Prozessen blieb Kranzbühler Rechtsanwalt und arbeitete in einer Kanzlei. Dem Rüstungshersteller Rheinmetall blieb er durch einen langjährigen Sitz im Verwaltungsrat verbunden. Sein Einfluss bei der Muttergesellschaft ThyssenKrupp brachte ihm den Beinamen „Graue Eminenz bei Krupp“ ein. Unter anderem koordinierte Kranzbühler in den fünfziger Jahren für Krupp die Abwehrbemühungen der deutschen Industrie gegen die Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter. So initiierte er eine (erfolglose) Lobbykampagne zur Änderung von § 8 Abs. 2 BEG dergestalt, dass Ansprüche ehemaliger Zwangsarbeiter gegen deutsche Industrieunternehmen ausgeschlossen sein würden.

Weiterhin vertrat er die I.G. Farbenindustrie AG i.L. im Verfahren des ehemaligen Sklavenarbeiters Rudolf Wachsmann vor dem amerikanischen Gericht in Mannheim 1953/54 und die Paul Sydow KG, Menden gegen die Forderungen einer ehemaligen Zwangsarbeiterin.

1969/70 vertrat Kranzbühler den ehemaligen Freikorpsleutnant Hermann Souchon in dessen Klage bei dem Landgericht Stuttgart gegen den Süddeutschen Rundfunk; der Sender hatte im Januar 1969 eine Dokumentation zu den Morden an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gesendet, in der Souchon als Todesschütze Rosa Luxemburgs identifiziert wurde. Das Gericht verurteilte den Sender, die Behauptung der Täterschaft Souchons zu widerrufen.[1] Kranzbühler starb am 9. August 2004 in Tegernsee.

Einzelnachweise

  1. Dieser Bericht wurde seitdem auf anderen Sendern erneut gesendet und ist seit 2008 auch auf DVD erhältlich: Der Fall Liebknecht-Luxemburg. Eine Semidokumentation von Dieter Ertel und Gustav Strübel. Fernsehspiel für das Deutsche Fernsehen vom SDR /SWR.

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