Kunstfreiheit

Kunstfreiheit

Kunstfreiheit ist ein Grundrecht und in Deutschland geschützt durch Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG).

Inhaltsverzeichnis

Grundinhalt nach deutschem Recht

Geschützt sind die künstlerische Betätigung und die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks; der so genannte Werkbereich und der Wirkbereich. Die Kunstfreiheit enthält das Verbot, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeiten einzuwirken, insbesondere den künstlerischen Gestaltungsraum einzuengen oder allgemein verbindliche Regelungen für diesen Schaffungsprozess vorzuschreiben.

Dabei wird heute von der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft ein „offener“ Kunstbegriff vertreten. Kunst ist also nicht nur in den überkommenen Formen wie Literatur, Malerei, Musik etc. existent, sondern ist gekennzeichnet durch einen subjektiven schöpferischen Prozess, dessen Ergebnis vielfältige Interpretationsmöglichkeiten zulässt. Verständlicher: Kunst ist das, was der Künstler als Kunst bezeichnet, wenn auch andere möglicherweise darüber streiten, ob es Kunst ist. In der Literatur wird allerdings auch der materielle und der formelle Kunstbegriff vertreten.

Da die Kunstfreiheit im Brennpunkt zwischen (politischer) Meinungsäußerung und den allgemeinen Persönlichkeitsrechten steht, ist sie auch heute noch von großer Bedeutung: so zum Beispiel bei der Entscheidung des BVerfG zum Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ oder der Darstellung des Schauspielers Gustaf Gründgens in Klaus Manns Roman Mephisto. (so gen. „Mephisto-Entscheidung“). Auch der Veranstalter der „Körperwelten“-Ausstellung Gunther von Hagens beruft sich neben der Wissenschaftsfreiheit auf die Kunstfreiheit.

Ein Kennzeichen der Kunstfreiheit ist, dass sie verfassungsrechtlich vorbehaltlos gewährleistet ist. Im Gegensatz zu anderen Grundrechten sieht das Grundgesetz für sie keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt vor. Der Gesetzgeber ist aber gehalten, durch Gesetze einen Ausgleich mit anderen Grundrechten und Verfassungswerten herzustellen. Damit ist die Kunstfreiheit zwar nicht schrankenlos, es muss aber letztlich in jedem Einzelfall bestimmt werden, ob sie durch eine staatliche Maßnahme verletzt wird. Besondere Probleme ergeben sich hierbei bei Vorschriften zum Schutz der persönlichen Ehre (s.o.) und im Rahmen der politischen Straftaten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vertritt hierbei die Theorie von der Wechselwirkung, d.h. Gesetze, die die Kunstfreiheit beschränken, sind wiederum ihrerseits im Lichte der Kunstfreiheit (kunstfreundlich) auszulegen.

Schutz des Werkbereiches und Wirkbereiches der Kunst

Nach der Mephisto-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird systematisch hinsichtlich der Kunstfreiheit unterschieden zwischen einem Werkbereich (künstlerische Betätigung) und einem Wirkbereich (Verbreitung des Kunstwerks) der Kunst. Beide Bereiche sind untrennbar miteinander verbunden und gegen jedwede Einmischung öffentlicher Gewalt tabuisiert. Das bedeutet, dass das Einkommen, das der anerkannte freischaffende Künstler in seinem "Werk- und Wirkbereich" erzielt, weder der Einkommen- noch der Umsatzsteuer unterliegt. Weil das deutsche Steuerrecht auf dem Nettosteuerprinzip basiert, sind zum Ermitteln der Einkommen- und Umsatzsteuer vorher die Kosten abzuziehen. Die Kosten entstehen dem Künstler sowohl in seinem gegen jedwede Einmischung öffentlicher Gewalt tabuisierten "Werk- als auch Wirkbereich". Im "Werk- und Wirkbereich" bestimmt jedoch niemand anderes als der Künstler selbst, welche Kosten er aufwendet, um freischaffend künstlerisch tätig zu sein. Steuerfrei heißt demzufolge, dass freischaffende Künstler weder einkommen- noch umsatzsteuerpflichtig sind; ihre Kosten aus ihrem jeweiligen "Werk- und Wirkbereich" können deshalb aber auch nicht mit anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Auf diese Weise wird dem Wortlaut des Artikels 5 Abs. 3 Satz 1 GG maximal Rechnung getragen.[1]

Werbung für ein Kunstwerk

Kunst ist als Kommunikationsgrundrecht auf Öffentlichkeit bezogen und auf Wahrnehmung in der Öffentlichkeit angewiesen. Damit liegt auch die Werbung für ein Kunstwerk im „Schutzbereich der Kunstfreiheit“ und ist „vom Wirkbereich der Kunst geschützt“.[2]

Nach einer Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 77, 240) muss die Werbung nicht selbst künstlerischen Ansprüchen genügen, die Kunstfreiheit kann hier unabhängig von der Gestaltung wahrgenommen werden.[3]

Berücksichtigung durch den Gesetzgeber

Die Kunstfreiheit muss auch durch den Gesetzgeber beachtet werden, da dieses Grundrecht gegenüber anderen Grundrechten eben nicht durch Gesetze eingeschränkt werden darf (s.o.). So enthält z.B. das Kunsturheberrechtsgesetz, welches die Veröffentlichung von Bildnissen ohne Einwilligung des Abgebildeten unter Strafe stellt, eine Bestimmung, wonach bei einem höheren Interesse der Kunst eine solche Einwilligung nicht erforderlich ist. Künstler dürfen demnach Porträtgemälde, künstlerische Fotografien und andere Personendarstellungen ungefragt in der Öffentlichkeit ausstellen, ohne hierfür strafrechtlich belangt werden zu können.

Geschichte

Zeit des Nationalsozialismus

Insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Kunstfreiheit stark eingeschränkt, zum Beispiel durch die Bücherverbrennung 1933, verschiedenste Verbote für Künstler (Auftrittsverbot, Ausstellungsverbot usw.) oder Herabwürdigung der Künstler und/oder ihrer Werke, zum Beispiel durch nationalsozialistische Amtsträger, NS-Zeitungen oder gleichgeschaltete Zeitungen oder durch die Ausstellungen "Entartete Kunst".

DDR

Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 schützte in Artikel 34 formal die Kunstfreiheit "Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei."[4]. Diese Kunstfreiheit stand jedoch nur auf dem Papier. In der Praxis war die Kunst den Vorgaben der Partei unterworfen. Neben einem Verbot von Kunstformen, die Kritik an der herrschenden Ordnung ausdrückten schränkte vor allem die Vorgabe, dass Kunst dem Sozialistischer Realismus entsprechen müsse, die Kunstfreiheit massiv ein (siehe hierzu Formalismusstreit).

In der Verfassung von 1968 wurde konsequenterweise die Kunstfreiheit nicht mehr aufgenommen. Artikel 18 erwähnt die Kultur nur noch als "sozialistische Kultur" bzw. "sozialistischen Nationalkultur" und macht so deutlich, dass nur Kunst im Dienste des Sozialismus einem Schutz der Verfassung und einer Förderung durch den Staat unterstand. Eine freie Kulturausübung wurde als zu bekämpfende "imperialistische Unkultur" definiert. Nach der Verfassung galt: "Das künstlerische Schaffen beruht auf einer engen Verbindung der Kulturschaffenden mit dem Leben des Volkes". Welche Kunst diesem Anspruch entsprach, war Entscheidung des Regimes.[5]

Siehe auch: Medienrecht, Mutzenbacher-Entscheidung

Einzelnachweise

  1. BVerfGE 30, 173 - Mephisto [1]; Vgl. Ulrich Karpen, Katrin Hofer: Die Kunstfreiheit des Art 5 III 1 GG in der Rechtsprechung seit 1985. Teil I. In: Juristenzeitung, Heft 47/1992, Seite 952 ff.
  2. Ulrich Karpen, Katrin Hofer aaO.
  3. Ulrich Karpen, Katrin Hofer, aaO.
  4. Art. 34 Verfassung der DDR 1949
  5. Artikel 18 Verfassung der DDR 1968

Literatur

  • Ulrich Karpen, Katrin Hofer: Die Kunstfreiheit des Art 5 III 1GG in der Rechtsprechung seit 1985. Teil I. In: Juristenzeitung. 47, 1992, S. 951–956.

Weblinks

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