- Köthener Straße
-
Die Köthener Straße ist eine Straße im Berliner Ortsteil Kreuzberg. Sie grenzt direkt an den Potsdamer Platz und erfuhr ebenso wie dieser eine wechselvolle Geschichte aus Berliner Kultur- und Vergnügungsviertel Anfang des 20. Jahrhunderts, Niemandsland nach dem Bau der Berliner Mauer und Wiederaufbau nach 1990.
Benannt nach der sachsen-anhaltischen Stadt Köthen, bildete sie ursprünglich die Verbindung zwischen dem Potsdamer Fernbahnhof und dem Potsdamer und Anhalter Güterbahnhof. Heute liegen an der Straße im Westen die Park Kolonnaden und der U-Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park, im Osten eine Wohn- und Geschäftsbebauung aus verschiedenen Zeiten, darunter ein großes Studentenwohnheim,.
Geschichte
Die Straße wurde in den Jahren 1843/1844 als Verbindung zum Güterbahnhof der Anhalter Bahn – von der Stresemannstraße ausgehend – angelegt. Am 24. Januar 1841 wurde die Straße nach Köthen, dem ersten Endpunkt der in unmittelbarer Nähe beginnenden Anhalter Bahn, benannt. Sie wurde gleichzeitig mit Schelling-, Link- und Eichhornstraße angelegt und Teil des von Peter Joseph Lenné in seinem Tiergartenplan 1832 entworfenen ‚Geheimratsviertels‘[1] zwischen Köthener, Bernburger und Dessauer Straße.[2] Bis Juni 1972 gehörte die westliche Straßenseite – also das Gelände der Potsdamer Bahnhöfe – zum damaligen Verwaltungsbezirk Mitte und damit zur DDR. Durch einen Gebietsaustausch kam dies an West-Berlin und dort zum Verwaltungsbezirk Tiergarten.
1898 begann der Saal der Berliner Philharmonie in der Bernburger Straße zu klein zu werden, die Philharmonie ließ durch den Architekten Franz Heinrich Schwechten in der direkt angrenzenden Köthener Straße 32 den Oberlichtsaal und den Beethoven-Saal errichten, um Ausweichflächen zu haben. Diese wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.[3]
1913 kam der ebenfalls von der Philharmonie bespielte Meistersaal hinzu.[4] Neben philharmonischen Konzerten gab es dort zahlreiche weitere Veranstaltungen wie beispielsweise 1919 einen Propagandaabend von Dadaisten und Künstlern des ebenfalls in der Köthener Straße ansässigen Malik-Verlags.[5] Später folgten Tanzveranstaltungen ebenso wie kulturelles, Kurt Tucholsky las regelmäßig im Meistersaal.[6]
1910 bis 1912 entstand an der Köthener- Ecke Stresemannstraße – wiederum von Schwechten geplant – das Haus Potsdam, das nach der Umbenennung in Haus Vaterland eines der bekanntesten Geschäfts- und Amüsierhäuser des Potsdamer Platzes wurde. Ebenfalls im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört, wurde es erst 1976 komplett abgerissen.[3]
Einer der ersten deutschen Tierfilme und prominentes Beispiel eines Kulturfilms entstand 1920 mit Der Hirschkäfer von Ulrich K.T. Schulz in der Waschküche einer Dreizimmerwohnung. In diese war damals kurzfristig die Kulturabteilung der UFA eingezogen.[7]
Kulturleben fand nicht nur in öffentlichen Einrichtungen statt. Kurz nach dem Bau der Straße veranstaltete Bettina von Arnim hier ihre Salons.[8] Ab 1900 ließ Harry Graf Kessler seine gesamte Wohnung als Jugendstilkunstwerk ausstatten, bevor er nach dem Reichstagsbrand vor den Nationalsozialisten ins Ausland flüchtete. Diese beschlagnahmten seine Habe, das Haus fiel ebenfalls dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer.[9]
1938 bezog die neu gegründete Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) in der Köthener Straße ihre Hauptverwaltung, die aber schon 1943 bei einem Luftangriff zerstört wurde. Sie siedelte sich nicht mehr direkt am Potsdamer Platz an, sondern zog in Gebäude am Kleistpark in der Potsdamer Straße.[10]
Nach dem Bau der Mauer im Jahr 1961 geriet die Straße zunehmend ins Abseits. Als einziges Zeugnis der Vorkriegsbebauung konnte sich der Meistersaal in der Köthener Straße 38 halten, der Teil des Hansa-Tonstudios 2 wurde und als Studio by the wall einige Berühmtheit für die Aufnahmen von David Bowie, Iggy Pop, Depeche Mode und U2 erlangte. Im Film spielte die Straße eine Rolle, da eine Schlüsselszene aus Wim Wenders’ Der Himmel über Berlin daraus besteht, wie ein Hauptcharakter durch die Köthener Straße auf die direkt angrenzende Mauer zuläuft.
Weblinks
- Köthener Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
Einzelnachweise
- ↑ Volker Reitmann: Potsdamer Platz, Fink Wilhelm 2004, ISBN 3770537084, S. 191
- ↑ Elfie Bendikat: Öffentliche Nahverkehrspolitik in Berlin und Paris 1890–1914: Strukturbedingungen, politische Konzeptionen und Realisierungsprobleme, Walter de Gruyter 1999, ISBN 3110153831, S. 507
- ↑ a b Peer Zietz, Uwe H. Rudenburg: Franz Heinrich Schwechten: Ein Architekt zwischen Historismus und Moderne Edition Axel Menges 1999, ISBN 3930698722, S. 50
- ↑ Michael Bienert, Elke Linda Buchholz: Die zwanziger Jahre in Berlin: Ein Wegweiser durch die Stadt, Berlin Story Verlag 2005, ISBN 3929829282, S. 188
- ↑ Hanno Ehrlicher: Die Kunst der Zerstörung: Gewaltphantasien und Manifestationspraktiken europäischer Avantgarden, Akademie Verlag 2001, ISBN 305003646X, S. 227
- ↑ Marika Bent: Real Estate/ Meistersaal. In: Berliner Zeitung vom 8. Februar 2003
- ↑ Deutsches Filminstitut: Ulrich K. T. Schulz
- ↑ Petra Wilhelmy-Dollinger: Die Berliner Salons Walter De Gruyter 2000, ISBN 3110164140, S. 410
- ↑ Ingrid Nowel: Berlin: Die neue Hauptstadt: Architektur und Kunst, Geschichte und Literatur, DuMont 2002, ISBN 3770155777, S. 207
- ↑ Heiko Schützler: Staudämme in U-Bahn-Tunneln – Der Zustand des öffentlichen Personennahverkehrs 1945. In: Berlinische Monatsschrift 1998 bei luise-berlin.de
52.50694444444413.377222222222Koordinaten: 52° 30′ 25″ N, 13° 22′ 38″ OKategorien:- Straße in Berlin
- Berlin-Kreuzberg
Wikimedia Foundation.