Lenné-Dreieck

Lenné-Dreieck
Moderne Architektur im Lenné-Dreieck,
Ebert- Ecke Lennéstraße
Columbushaus, 1932: links Bellevuestraße, rechts Ebertstraße
Beisheim-Center von der Bellevuestraße aus, links die Lennéstraße

Als Lenné-Dreieck wird die Fläche zwischen Lennéstraße, Bellevuestraße und Ebertstraße am Potsdamer Platz im Berliner Ortsteil Tiergarten (Bezirk Mitte) bezeichnet. Dieser inoffizielle Name kommt von der Lennéstraße; diese wiederum ist benannt nach Peter Joseph Lenné, der im 19. Jahrhundert den Großen Tiergarten zum Landschaftspark umgestaltet hatte. Bekanntheit erlangte das Areal durch den an dieser Stelle ungewöhnlichen Grenzverlauf zwischen Ost- und West-Berlin und seine Besetzung im Jahr 1988 durch politische Aktivisten. Heute befindet sich hier das Beisheim Center und der Henriette-Herz-Park.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vor der Teilung Deutschlands

Entstanden ist die Fläche mit der Erweiterung der Berliner Stadtmauer um 1735. Nördlich vor dem Potsdamer Tor wurde ein Exerzierplatz angelegt, der durch die Akzisemauer (heute Ebertstraße), die Allee nach Charlottenburg (heute Bellevuestraße) und den Kanonenweg (heute Lennéstraße) begrenzt war. Ein vergleichbarer, aber erheblich größerer Exerzierplatz entstand vor dem Brandenburger Tor – der heutige Platz der Republik. Unter Friedrich II. wurde das Gelände am Potsdamer Tor jedoch als zu klein für die militärischen Übungen befunden. Der König schenkte es 1749 als Schulgarten der Ökonomisch-Mathematischen Realschule, geleitet durch Johann Julius Hecker.

Um 1825 war die Schulbotanik Vergnügungslokalen[1] gewichen. Bald darauf entstanden auf dem Gelände Villen in Fortsetzung des „Geheimratsviertels“. In den Gründerjahren ab 1870 wurden sie durch repräsentative vierstöckige Hotels und Geschäftshäuser ersetzt. Ein architekturgeschichtlicher Höhepunkt war 1931 das Columbushaus von Mendelssohn als Eckgebäude zwischen Bellevuestraße und Ebertstraße. Dieses Hochhaus sollte der Auftakt einer völligen Neugestaltung des Potsdamer Platzes werden.[2]

Während der Teilung Deutschlands

Im Rahmen einer Reform der Verwaltungsbezirke war das Lenné-Dreieck am 1. April 1938 vom damaligen Bezirk Tiergarten zum Bezirk Mitte gekommen. Während der Teilung Berlins gehörte das Grundstück deshalb zu Ost-Berlin. Im kriegsbeschädigten Columbushaus wurde eine Dienststelle der Volkspolizei eingerichtet, die beim Aufstand am 17. Juni 1953 gestürmt und angezündet wurde. Als damit das letzte Gebäude des Lenné-Dreiecks unbenutzbar geworden war, wurde es abgerissen und 1956/1957 die gesamte Ruinenfläche des Lenné-Dreiecks eingeebnet. 1961 wurde die Berliner Mauer im Verlauf der Ebertstraße errichtet. Am vor der Mauer liegenden Lenné-Dreieck wurde hingegen von der DDR der eigentliche Grenzverlauf nur durch einen einfachen Zaun dargestellt. Dieser Zaun wurde von West-Berlinern an mehreren Stellen niedergetreten. So entstanden Trampelpfade als Abkürzung über das zu Ost-Berlin gehörende Territorium.

Am 31. März 1988 wurde eine Vereinbarung zwischen West-Berlin und der DDR über einen Gebietstausch geschlossen, durch den 96,7 Hektar (zu denen das Lenné-Dreieck gehörte) mit Wirkung zum 1. Juli 1988 an West-Berlin gingen. Die DDR erhielt im Gegenzug Grundstücke mit einer Gesamtgröße von 87,3 Hektar und eine Ausgleichszahlung von 76 Mio. DM. West-Berlin wollte auf dem Lenné-Dreieck eine Verbindungsstraße (laut den ursprünglichen Plänen ein Teilstück der Westtangente) errichten.

Am 26. Mai 1988 – d. h. noch vor der Wirksamkeit der Übergabe – wurde das Lenné-Dreieck von linksalternativen West-Berlinern besetzt und ein Zeltdorf errichtet. Dies sollte vermeintlich dem Schutz der dort weitgehend unberührten Natur dienen. Die Besetzung wurde durch die komplizierte politische Lage begünstigt, da die West-Berliner Polizei das Ost-Berliner Territorium nicht betreten durfte und die Behörden der DDR an dem Konflikt nicht interessiert waren. Im Zuge der Besetzung wurde der Platz von den Besetzern in Kubat-Dreieck umbenannt. Norbert Kubat war am Morgen des 2. Mai 1987 festgenommen worden. Ihm wurde Landfriedensbruch im Rahmen der Unruhen am Ersten Mai 1987 vorgeworfen. Am 26. Mai nahm sich Norbert Kubat in der Untersuchungshaft das Leben. Eine Haftverschonung war abgelehnt worden.[3][4]

Mit Wirksamkeit der Übergabe am 1. Juli 1988 wurde das Lenné-Dreieck sofort von mehreren Hundertschaften der West-Berliner Polizei geräumt. 182 der Besetzer kletterten als Mauerspringer über Barrikaden an der Mauer nach Ost-Berlin. Im Todesstreifen standen Lastwagen bereit, die die flüchtigen Besetzer aufnahmen. Die Besetzer wurden in eine Betriebskantine in Ost-Berlin gebracht, wo ihnen ein Frühstück serviert wurde. Anschließend verließen sie in kleineren Gruppen die DDR über reguläre Grenzübergänge. Im Vorfeld der „Fluchtaktion“ hatten Vertreter der Demonstranten Kontakt zum MfS aufgenommen, das sich auf den Übertritt vorbereitete, ohne ihn aktiv zu unterstützen.[5]

Nach der Wiedervereinigung

Das Lenné-Dreieck steht seit der abschließenden Neugestaltung des Potsdamer Platzes im Jahr 2004 in unmittelbarer Nachbarschaft zum Sony Center und dem Bahntower. Im östlichen Bereich, auf einem Großteil des Geländes wurde das Beisheim Center errichtet, in dem sich unter anderem das Ritz-Carlton- sowie ein Marriott-Hotel befinden, in der westlich gelegen Dreiecksspitze wurde der Henriette-Herz-Park angelegt.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bericht von Friedrich Tietz um 1826
  2. Columbushaus am Potsdamer Platz in Berlin. Erich Mendelsohn. In: Bauwelt, Jg. 22 (1931) Heft 46, Kupfertiefdruckbeilage, S. 29–32
  3. Peter Pragal: Fünf Wochen im Juni. In Berliner Zeitung, 20. Juni 1998.
  4. Rübergemacht in die DDR. In: Der Tagesspiegel, 2. Juli 2003
  5. Martin Schaad: „Dann geh doch rüber“: über die Mauer in den Osten; Ch. Links, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-516-4. S. 139ff.
52.51083333333313.375

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