Antike Bibliothek

Antike Bibliothek

Bibliotheken sind in der klassischen Antike seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. bezeugt.

Inhaltsverzeichnis

Griechenland

Anfänge

In Griechenland wurden die ältesten Bibliotheken, die literarisch überliefert sind, von den Tyrannen Peisistratos (in Athen) und Polykrates (in Samos) eingerichtet. Allerdings verstand man zum damaligen Zeitpunkt unter einer Bibliothek eine Sammlung von Büchern Homers. Die Bibliothek des Peisistratos soll im Jahre 480 v. Chr. bei der Einnahme Athens durch die Perser als Beute nach Persien gebracht worden sein. Erst nach der Zerschlagung des persischen Reiches durch Alexander den Großen soll sie nach Athen zurückgekommen sein. Auch private Büchersammlungen sind bezeugt. Solche besaßen in Athen in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. beispielsweise ein von Xenophon erwähnter Euthydemos und der große Dramatiker Euripides. Über keine der frühen griechischen Bibliotheken ist Näheres bekannt. Die ersten als sicher bezeugten Sammlungen von Büchern wurden von Philosophen zusammengetragen. Aristoteles und Epikur sollen die ersten gewesen sein, die ihre Sammlungen den jeweiligen Nachfolgern hinterließen. Diese wuchsen durch Zukäufe und Schenkungen oder Nachlässe zu den ersten Bibliotheken, die allerdings nur von Schülern und Lehrern der Schule sowie Philosophen anderer Schulen benutzt wurden. Die Buchaufbewahrung diente somit in erster Linie dazu, die von der jeweiligen (Philosophen-)Schule erstellten Texte zu erhalten. Dies wirkte einer raschen Verbreitung von Texten entgegen, was dazu beigetragen hat, dass so wenige antike Werke erhalten geblieben sind, da mit dem Verlust einer Bibliothek in der Regel der vollständige Verlust vieler Werke einherging.

Die Bibliotheken der klassischen Philosophenschulen Athens (Akademie, Lykeion, Kepos)

Über Bibliotheken verfügten seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. die Schulen der großen Philosophen in Athen. Verschiedene antike Autoren überliefern Bücherkäufe Platons, des Begründers der Akademie. Platons Bibliothek umfasste nicht nur philosophische Schriften, sondern auch Werke der Geschichtsschreibung und Theaterstücke. Eine bedeutende Büchersammlung trug auch Aristoteles, der Begründer des Lykeion, zusammen. Er vererbte sie an Theophrast, der als Schulleiter sein Nachfolger wurde. Da in der nächsten Generation der Erbe der Bücher nicht zum Schulleiter gewählt wurde, ging die Bibliothek dem Lykeion verloren. Sie gelangte nach Skepsis in Kleinasien und von dort später zurück nach Athen, von wo sie der römische Feldherr Sulla zwei Jahrhunderte später nach Rom brachte. Ein Teil der Bücher scheint allerdings zuvor von der alexandrinischen Bibliothek erworben worden zu sein. In Athen sorgten die späteren Leiter des Lykeion wieder für eine Bibliothek. Das geht aus ihren Testamenten hervor, aus denen Diogenes Laertios in seiner Philosophiegeschichte zitiert. Derselbe Autor erwähnt auch die Bibliothek Epikurs, der mit seinem Kepos (griech.: „Garten“) neben der Akademie und dem Lykeion eine dritte Philosophenschule in Athen betrieb. Nichts weist darauf hin, dass diese Bibliotheken für einen öffentlichen Gebrauch bestimmt waren. Ausgegrabene Baureste in Athen sind mit den Bibliotheken der Akademie und des Lykeion identifiziert worden. Die Identifizierung ist allerdings unsicher. Auch dies wirkte einer raschen Verbreitung von Texten entgegen.

Die großen königlichen Bibliotheken des Hellenismus

Großbibliotheken von überörtlicher Bedeutung entstanden seit der Diadochenzeit an den Höfen der hellenistischen Könige. Die bedeutendste von ihnen war die Bibliothek von Alexandria, gefolgt von der Bibliothek des kleinasiatischen Königreichs Pergamon. Die großen Büchersammlungen waren meist Bestandteil größerer kultureller Einrichtungen. In Alexandria gehörte die spätestens von Ptolemaios II. (283–246 v.Chr.) gegründete Bibliothek zum Museion, einer Forschungsstätte für sämtliche Wissenschaften. Gesammelt wurde nicht nur griechische Literatur, sondern auch fremdsprachige Werke, die eigens für Alexandria übersetzt wurden. Die alexandrinische Bibliothek war berüchtigt für rigorose Formen der Bücherbeschaffung. Man beschlagnahmte Bücher von im Hafen liegenden Schiffen oder gab anderweitig ausgeliehene Bestände nicht zurück. Die Bibliotheken wurden zwar als öffentlich bezeichnet, es hatte aber nur ein sehr kleiner Kreis von Personen Zugang. „Öffentlich“ ist so zu verstehen, dass zu ihrer Entstehung und zu ihrem Unterhalt öffentliche Mittel verwendet wurden. So waren die einzigen, die die Buchsammlung in Alexandria benutzen durften, die Angehörigen des Museions. Damit stellten die Bibliotheken in erster Linie die Herrschermacht anschaulich dar.

Römische Inschrift aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., die die Existenz einer Bibliothek von Alexandria bestätigt

Sehr bald erreichte die alexandrinische Bibliothek einen Bestand von beinahe einer halben Million Buchrollen. Die Gebäude von Museion und Bibliothek haben sich archäologisch nicht nachweisen lassen. Ihre Lage wird im Residenzviertel (in der nördlichen Region der Stadt) vermutet. Die Überlieferung, dass die Bibliothek im Jahr 48/47 v. Chr. während des sogenannten alexandrinischen Krieges durch einen von Caesar verursachten Brand zerstört worden sei, wird heute allgemein skeptisch beurteilt, da die Existenz der Bibliothek bis in die römische Kaiserzeit nachweisbar ist. Heute wird davon ausgegangen dass die im Hafenviertel gelegenen Lagerhäuser der Bibliothek vom Brand betroffen waren.

In Pergamon befand sich die Bibliothek, wenn ihre Lage zutreffend bestimmt ist, im Athenaheiligtum auf dem Burgberg der Stadt. Die pergamenische Bibliothek war jünger als die alexandrinische. Sie war ebenfalls sehr berühmt, erreichte aber nie die Bedeutung der Bibliothek von Alexandria. Die Konkurrenz der beiden Bibliotheken wurde für das Aufkommen von Bücherfälschungen verantwortlich gemacht. Der Prestigestreit der beiden Bibliotheken wurde als Ursache dafür angesehen, dass Ägypten die Lieferung von Papyrus nach Pergamon einstellte. Daraufhin soll man in Pergamon das Pergament erfunden haben, was sich allerdings nicht bestätigen lässt. Dass Marcus Antonius der Kleopatra aus den Beständen der pergamenischen Bibliothek 200.000 Buchrollen geschenkt habe, wurde zwar nur als eine üble Nachrede verbreitet, lässt aber erkennen, welche Vorstellung von der Größe der pergamenischen Bibliothek herrschte. Ob die Bibliothek von Pergamon öffentlich zugänglich war – wie aus einer beiläufigen Bemerkung des römischen Architekturschriftstellers Vitruv hervorzugehen scheint – ist nicht bekannt.

Öffentlich war nach einer antiken Quelle die Bibliothek in Antiochia, der Hauptstadt des Seleukidenreiches. König Antiochos der Große (223–187 v. Chr.) ernannte den Dichter Euphorion von Chalkis zu ihrem Leiter.

Bibliotheken waren beliebte Beute römischer Feldherren. So brachte Lucius Aemilius Paullus Macedonicus die Bibliothek des Makedonenkönigs Perseus, den er 168 v. Chr. besiegt hatte, nach Rom. Im 1. Jahrhundert v. Chr. erbeutete Lucullus die Bibliothek Königs Mithridates VI. von Pontos.

Eine fürstliche Bibliothek wurde am Rand des griechischen Kulturgebiets gefunden: In Ai Khanoum im heutigen Afghanistan wurden in den Ruinen eines Palastes, der möglicherweise dem baktrischen König Eukratides (2. Jahrhundert v. Chr.) gehörte, Abdrücke von Buchrollen festgestellt, die sogar die Bestimmung einzelner Texte erlaubten: philosophische Schriften und ein Theaterstück.

Hellenistische Gymnasialbibliotheken

Nicht durch literarische Überlieferung, sondern durch Inschriftenfunde nachgewiesen sind eine Reihe von Gymnasialbibliotheken hellenistischer Zeit. Sie dienten in den Gymnasien (öffentlichen Sport- und Bildungsstätten) dem Unterricht der jungen Männer (Epheben). Die Bestände dieser Bibliotheken, die mit denen der königlichen Bibliotheken sicher nicht vergleichbar waren, kamen oft durch Stiftungen zustande. Für ein Athener Gymnasion zum Beispiel hatte jeder Ephebenjahrgang zum Abschluss seiner Ausbildung 100 Buchrollen zu stiften. In Einzelfällen sind in Gymnasien inschriftliche Bücherlisten gefunden worden, zum Beispiel im Wandputz einer Säulenhalle des Gymnasions von Tauromenion (Taormina auf Sizilien) eine Liste von Werken griechischer Historiker.

Bürgerliche Privatbibliotheken im Hellenismus

Vitruv erwähnt im 1. Jahrhundert v. Chr. die Bibliothek als Bestandteil eines aufwendigeren griechischen Privathauses. Weitere Nachrichten über bürgerliche Privatbibliotheken sind nicht bekannt.

Rom

Die Anfänge: Privatbibliotheken der späten Republik

In einer Schriftrolle lesender Römer

Die römische Bibliotheksgeschichte beginnt in der Spätzeit der Republik mit den Privatbibliotheken römischer Adelsfamilien, deren Lebensstil zunehmend von griechischer Kunst und Kultur beeinflusst wurde. Zunächst gelangten griechische Bibliotheken (seit dem 2. Jahrhundert v. Chr.) als Kriegsbeute in den Besitz römischer Adelsfamilien (s. o.). Im 1. Jahrhundert v. Chr. besaß der gebildete Römer in der Regel eine Bibliothek. Von Cicero wissen wir, dass er für eine größere Summe griechische Bücher über seinen Freund Atticus in Athen erwarb; eine Bibliothek, die ihm geschenkt wurde, enthielt auch lateinische Schriften. Es wurde üblich, sowohl eine griechische als auch eine lateinische Bibliothek im Hause zu haben. Diese Ausstattung wurde in der frühen Kaiserzeit zum unverzichtbaren Prestigeobjekt des reichen römischen Hauses. Selbst ungebildete Emporkömmlinge wie Trimalchio in Petrons Satyricon brüsteten sich mit einem derart anspruchsvollen Bücherbesitz.

Der Dichter Persius besaß, als er 62 n. Chr. im Alter von 28 Jahren starb, 700 Buchrollen. Im 3. Jahrhundert n. Chr. soll der Philologe Marcus Mettius Epaphroditus dem Kaiser Gordian II. eine Bibliothek von 62.000 Rollen, die er selbst bereits geerbt hatte, vermacht haben. Einzigartig ist der Fund einer Villa in der Nähe von Herculaneum, die nach den zahlreichen dort aufgefundenen Buchrollen den Namen Villa der Papyri trägt. Die 79 n. Chr. vom Vesuv verschüttete Villa wurde bereits in spätrepublikanischer Zeit erbaut und benutzt. In einem 3 mal 3 Meter großen Raum lagen die verkohlten Papyrusrollen einer griechischen Bibliothek. Sie waren in der Mitte des Raumes und an den Wänden in Regalen gelagert. Die Büchersammlung – offenbar eine Spezialbibliothek – enthielt neben Werken Epikurs und seiner Schüler zahlreiche Schriften des epikureischen Philosophen Philodemos von Gadara (1. Jahrhundert v. Chr.). Man hat vermutet, dass es sich um die persönliche Bibliothek des Philodemos handelt, der sich nachweislich in der Region aufgehalten hat. Da man in anderen Räumen der Villa jüngere griechische und auch einige lateinische Papyri fand, kann angenommen werden, dass in der reich ausgestatteten, großen Villa zusätzlich die übliche griechische und lateinische Bibliothek vorhanden war.

Öffentliche Bibliotheken in Rom

Caesar plante, wie Sueton berichtet, in Rom eine große griechische und lateinische Bibliothek für den allgemeinen Gebrauch einzurichten. Infolge der Ermordung des Diktators im Jahre 44 v. Chr. blieb der Plan unausgeführt. Wenig später, aber jedenfalls nach 39 v. Chr., gründete Gaius Asinius Pollio im Atrium Libertatis die erste öffentliche Bibliothek der Stadt. Es war üblich, aus der Beute siegreicher Feldzüge öffentliche Einrichtungen zu finanzieren. Diesem Brauch folgend nutzte Pollio den Erlös aus der Beute eines Krieges auf dem nördlichen Balkan für die Stiftung der Bibliothek. Der Bibliothekssaal war mit plastischen Portraits der Autoren geschmückt: unter ihnen – als der einzige noch Lebende – auch der große Gelehrte Varro.

Die zweite öffentliche Bibliothek Roms ließ Kaiser Augustus in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts v. Chr. in der Nähe des Apollontempels auf dem Palatin errichten. Auch sie besaß eine griechische und eine lateinische Abteilung und war mit den Bildnissen großer Geister geschmückt. Die Einrichtung der Bibliothek hatte der Kaiser dem Gnaeus Pompeius Macer anvertraut, einem sonst wenig bekannten Literaten. Geleitet wurde sie später von dem Gelehrten Gaius Iulius Hyginus. Da die palatinische Bibliothek in der Nähe seiner Residenz lag, ließ Augustus im Alter dort auch Senatssitzungen abhalten. Unter Nero (54–68) oder Titus (79–81) wurde die Bibliothek durch einen Brand zerstört, unter Domitian (81–96) neu errichtet. Die Einzeichnung in einem antiken Stadtplan Roms und ausgegrabene Reste der Bibliothek vermitteln eine Vorstellung des Neubaus: Von zwei nebeneinander liegenden Sälen (20 mal 30 Meter) enthielt vermutlich der eine die griechische, der andere die lateinische Bibliothek. Auch das Wohnhaus des Augustus, das in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Palatin ausgegraben wurde, besaß offenbar zwei getrennte, spiegelbildlich angeordnete Bibliotheksräume. Die typische Zweiteilung für griechische und lateinische Literatur wies auch eine weitere öffentliche Bibliothek auf, die Augustus in Rom in der Porticus Octaviae einrichtete. Auch diese Bibliothek musste von Domitian erneuert werden. Die heute sichtbaren Reste der Porticus Octaviae stammen erst aus dem 3. Jahrhundert n. Chr.; Bibliothekssäle können nicht identifiziert werden.

Auch spätere Kaiser gründeten in Rom Bibliotheken. Eine Beschreibung der Regionen Roms aus dem 4. Jahrhundert nach Chr. nennt eine Zahl von 28 Bibliotheken, unter denen sich allerdings auch unselbständige Einrichtungen (z. B. in Thermen) befinden können. Von herausragender Bedeutung waren die griechische und die lateinische Bibliothek, die Kaiser Trajan (98–117) auf dem von ihm angelegten Trajansforum einrichten ließ. Auf den gegenüberliegenden Seiten eines Hofs, auf dem die noch heute aufrechtstehende Trajanssäule stand, lagen zwei jeweils 17 mal 27 Meter messende Bibliothekssäle, deren Reste bis zu zwei Meter hoch erhalten sind. Die Schranknischen sind 2 Meter breit und haben eine Tiefe von 65 cm. In einem Stockwerk waren zwei Reihen mit jeweils 18 Schranknischen übereinander. Die Einrichtung hieß offiziell Bibliothecae Divi Traiani („Bibliotheken des vergöttlichten Trajan“), erscheint aber auch als Bibliotheca templi Traiani („Bibliothek des Trajanstempels“) oder mit dem Familiennamen des Kaisers als Bibliotheca Ulpia. Die Bibliothek muss noch im 5. Jahrhundert n. Chr. in Betrieb gewesen sein. Zu dieser Zeit wurde den auch hier aufgestellten Portraits ein Bildnis des Literaten und Politikers Sidonius Apollinaris hinzugefügt, des späteren Bischofs von Clermont-Ferrand.

Das römische Bibliothekswesen muss somit das 4. Jahrhundert überdauert haben. Die vielzitierte Klage des um 395 gestorbenen Ammianus Marcellinus, die Bibliotheken seien wie die Grabdenkmäler für immer geschlossen, bezieht sich nicht auf die öffentlichen Bibliotheken, sondern gilt dem Verschwinden der privaten Büchersammlungen, worin der Historiker ein Zeichen des (vermeintlich) allgemein gesunkenen Bildungsniveaus sieht.

Bibliotheken im Römischen Reich

In der Kaiserzeit sind auch außerhalb Roms – nicht nur in Italien, sondern auch in den entfernteren Reichsteilen – zahlreiche Bibliotheken bezeugt. Sie entstanden in Städten und Heiligtümern meist als private, nicht selten auch als kaiserliche Stiftungen. So hat beispielsweise Plinius der Jüngere (62–ca.114) in seiner Heimatstadt Comum (Como) für eine Million Sesterzen eine Bibliothek erbaut und eingerichtet, für deren Betrieb er noch einmal 100 000 Sesterzen zur Verfügung stellte. Im griechischen Kulturgebiet werden hellenistische Hofbibliotheken weitergeführt. Auch die Tradition der Gymnasialbibliotheken scheint fortbestanden haben. Zusätzlich werden in der Kaiserzeit selbständige Bibliotheken eingerichtet. Gaius Stertinius Xenophon, der ehemalige Leibarzt des Kaisers Claudius (41–54), gründete nach dessen Tod eine Bibliothek auf der Insel Kos. In Dyrrhachion (Durazzo oder heute Durres in Albanien) stellte ein Offizier Trajans 170.000 Sesterzen für den gleichen Zweck bereit. In Athen wurde unter Trajan an der Agora die Pantainos-Bibliothek als private Stiftung eingerichtet. Wenig später gründete Kaiser Hadrian (117–138) nicht weit davon die nach ihm benannte große Hadriansbibliothek. Die Reste der prächtigen Architektur liegen heute vollständig frei, die Säulenfassade des Peristyls steht weitgehend aufrecht.

Aus der Zeit Trajans stammt auch die Celsus-Bibliothek in Ephesos, deren zweigeschossige Säulenfassade von österreichischen Archäologen wiederaufgerichtet wurde. Die Bibliothek war dem Andenken des Tiberius Iulius Celsus Polemaeanus gewidmet, der im Inneren der Bibliothek in einem Steinsarkophag bestattet war. Der Sohn des Geehrten und Stifter der Bibliothek hinterließ eine Summe von 25.000 Denaren für den Betrieb der Einrichtung. Ebenfalls in trajanischer Zeit wollte der Redner Dion Chrysostomos im Peristyl einer von ihm in Prusa (Kleinasien) gestifteten Bibliothek ein Grabmal für seine Frau und seinen Sohn errichten lassen; dies führte zu einem Rechtsstreit, von dem wir durch Plinius den Jüngeren unterrichtet sind.

Die Bibliothek von Konstantinopel wurde von Kaiser Constantius II. (337–361) mit einem Skriptorium ausgestattet, das die gesamte erreichbare griechische Literatur kopieren sollte, um sie vor dem Untergang zu bewahren. Kaiser Valens veranlasste im Jahr 372 die Beschäftigung von vier griechischen und drei lateinischen Kalligraphen. Man hat vermutet, dass zu dieser Zeit in Konstantinopel die Papyrusrollen auf Pergamentkodizes umgeschrieben wurden, wie es für die theologische Bibliothek von Caesarea Maritima (in Judäa) bezeugt ist. Die Bibliothek von Konstantinopel brannte 473 mit einem Bestand von 120.000 Büchern ab.

Erste Christliche Bibliotheken

Wie während des Hellenismus standen in der griechischsprachigen Hälfte des römischen Imperiums viele Bibliotheken nur einer Elite offen und dienten in erster Linie der „internen“ Buchproduktion. Beispiele hierfür sind die von Origenes erwähnte Bibliothek des Didaskaleion oder die von Bischof Alexander 212 n. Chr. gegründete Bibliothek von Jerusalem. Auch die von Cassiodor gegründete Bibliothek von Vivarium weist dieselben Merkmale auf. Die erste christliche Bibliothek Roms ließ Papst Hilarius (461–468) im Lateran erbauen. Da der Liber Pontificalis (eine Sammlung von frühen Papstbiographien) von „zwei Bibliotheken am selben Platz“ spricht, wurde offenbar auch hier die Tradition der griechisch-lateinischen Doppelbibliothek fortgeführt.

Anlage, Einrichtung und Betrieb

Über die Architektur griechischer Bibliotheken ist wenig bekannt. Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass Bibliotheken Bestandteil größerer Gebäudekomplexe waren. In Pergamon ist eine Raumgruppe im Obergeschoss einer Säulenhalle des Athenaheiligtums mit der Bibliothek identifiziert worden. Über die Nutzung der einzelnen Räume besteht keine Einigkeit. Die Identifizierung als Bibliothek ist allerdings grundsätzlich bestritten worden. Im Palast von Ai Khanoum wurden die Buchrollen in einem Magazin am Peristyl gelagert. Auch römische Privatbibliotheken wurden in der Regel in unrepräsentativen, nicht für die Lektüre bestimmten Räumen aufbewahrt. Eine Ausnahme bildet der als Bibliothek gedeutete Raum des Hanghauses VI 17,41 in Pompeji; in dem Zimmer mit repräsentativer Säulenveranda und Fernblick nach Westen befinden sich eine Bücherschranknische sowie als Wandgemälde die gemalten Portraits zweier nicht identifizierter Literaten. Vitruv empfiehlt, die Hausbibliothek so anzulegen, dass sie nach Osten blickt; diese Lage sichere ihr das für die Benutzung günstige Morgenlicht und schütze die Buchrollen vor Schimmel und Bücherwurm.

Erst die öffentlichen Bibliotheken der Kaiserzeit entwickelten charakteristische Bauformen, die allerdings nicht einheitlich waren. Auch weiterhin waren Bibliotheken meist Bestandteil übergeordneter Baukomplexe (Forum, Heiligtum, Thermen). Auf die Celsus-Bibliothek in Ephesus trifft das nicht zu. Es handelt sich um eine freistehende Anlage, die als Denkmal konzipiert wurde. Bibliotheken in der Stadt Rom zeigen oft zwei nebeneinanderliegende Säle, die für griechische bzw. lateinische Literatur bestimmt waren. Der Grundrisstypus ist nicht festgelegt; er kann zum Beispiel die Form einer halbkreisförmigen oder rechteckigen Exedra (eines einseitig breit sich öffnenden Saals) haben. Ein Merkmal, an dem Bibliothekräume erkannt werden, sind reihenweise angeordnete Wandnischen für die Bücherschränke. Typisch ist eine Wandgliederung mit Säulen auf einem Podium. Eine naturmaßstäbliche Modellrekonstruktion der Bibliothek in der Hadriansvilla in Tivoli (nahe Roms) zeigt das Museo della Civiltà Romana in Rom.

Verschließbarer Bücherschrank; Mosaik im Mausoleum der Galla Placidia

Für die Lagerung einer kleineren Anzahl von Buchrollen genügte eine Kiste bzw. Truhe oder ein eimerartiger Lederbehälter (latein.: capsa). Ein offenes Regal mit Buchrollen ist auf einem kaiserzeitlichen Relief aus Neumagen an der Mosel dargestellt, das heute verschollen ist. Im Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna zeigt ein spätantikes Mosaik einen verschließbaren Schrank mit Kodices der vier Evangelien. Es darf vermutet werden, dass es in den öffentlichen Bibliotheken der römischen Kaiserzeit aufwendige Bücherschränke gegeben hat. Die Bücherschränke der Bibliothek von Pergamon hat man rekonstruiert und nachgeschreinert; ob die antike Form getroffen ist, bleibt unsicher.

Die Bibliotheksbestände müssen durch Kataloge erschlossen worden sein. Außer den Pinakes des Kallimachos für Alexandria gab es solche im späten 3. oder frühen 4.Jahrhundert n. Chr. in der theologischen Bibliothek von Caesarea. Bücherverzeichnisse (indices), die nach Literaturgattungen gegliedert waren, gab es auch in größeren römischen Privatbibliotheken. Über eventuelle Signatursysteme ist nichts bekannt. In der Bibliotheca Ulpia in Rom waren offensichtlich die Bücherschränke nummeriert; der anonyme Autor der Historia Augusta (einer teils sehr unzuverlässigen Kaisergeschichte) fand dort die von ihm gesuchten Quellenschriften angeblich im Bücherschrank Nr. 6. Verschiedentlich werden Etiketten erwähnt, die an den Buchrollen befestigt waren (griech.: sillyboi); ob sie Signaturen trugen oder nur Angaben zu Autor und Werk, ist nicht bekannt.

In Athen hat sich das Fragment einer inschriftlichen Benutzungsordnung der Pantainos-Bibliothek erhalten. Daraus geht hervor, dass die Bibliothek während der ersten sechs Stunden des Tages geöffnet war. Das Personal wurde unter Eid verpflichtet, kein Buch auszuleihen. Auch die öffentlichen Bibliotheken Roms scheinen Präsenzbibliotheken gewesen zu sein. Ausgehändigt wurden die Bücher dem Benutzer durch angestellte Bibliothekssklaven. Wegen der Zweisprachigkeit der römischen Buchkultur wurden auch Bibliothekssklaven benötigt, die Griechisch konnten: eine Grabinschrift nennt ausdrücklich den Obersklaven der griechischen Abteilung einer Thermenbibliothek. Über den Verdienst von Bibliothekspersonal ist wenig bekannt. Hyginus, ein Freigelassener des Kaisers Augustus, blieb als Leiter der palatinischen Bibliothek unterstützungsbedürftig und starb in Armut. Später gab es hochdotierte kaiserliche Beamte, die im Rang eines Procurators über mehrere Bibliotheken Roms die Oberaufsicht führten. Überliefert sind ein Procurator „der Bibliotheken aller Kaiser von Tiberius bis Claudius“ und ein Prokurator der beiden Bibliotheken des Trajansforums.

Siehe auch

Literatur

  • Horst Blanck: Das Buch in der Antike. C. H. Beck, München 1992, ISBN 3-406-36686-4.
  • Gianfilippo Carettoni: Das Haus des Augustus auf dem Palatin. von Zabern, Mainz 1983, ISBN 3-8053-0755-1.
  • Severin Corsten, Günther Pflug, Friedrich Adolf Schmidt-Künsemüller (Hrsg.): Lexikon des gesamten Buchwesens. Bd. 1. 2., völlig neubearbeitete Auflage. Hiersemann, Stuttgart 1987, ISBN 3-7772-8721-0.
  • Karl DziatzkoBibliotheken. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,1, Stuttgart 1897, Sp. 405–424.
  • Pierre Gros: L’architecture romaine du début du IIIe siècle av. J.-C. à la fin du Haut-Empire. I. Les monuments publiques. Picard, Paris 1996, ISBN 2-7084-0500-4 (Les Manuels D’Art Et D’Archéologie Antiques).
  • Wolfram Hoepfner (Hrsg.): Antike Bibliotheken. von Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2846-X (Zaberns Bildbände zur Archäologie; Sonderbände der Antiken Welt).
  • Uwe Jochum: Kleine Bibliotheksgeschichte. 3., verb. u. erw. Aufl. Reclam, Stuttgart 2007.
  • Heinz-Günther Nesselrath (Hrsg.): Einleitung in die griechische Philologie. B. G. Teubner, Stuttgart und Leipzig 1997, ISBN 3-519-07435-4.
  • Volker Michael Strocka: Pompeji VI 17,41: Ein Haus mit Privatbibliothek. In: Mitteilungen des Deutschen Archaeologischen Instituts, Roemische Abteilung. Bd. 100. von Zabern, Mainz 1993, S. 321–351.

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