Lutz Mackensen

Lutz Mackensen

Lutz Mackensen (* 15. Juni 1901 in Bad Harzburg; † 24. März 1992 in Bremen) war ein deutscher Sprachforscher, Volkskundler und Lexikograph.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Lutz Mackensen war der Sohn eines Gymnasiallehrers. Er studierte an der Universität Breslau und an der Universität Greifswald. Während seines Studiums trat er in die Studentenverbindung Corps Silingia Breslau ein. Er promovierte 1922 in Heidelberg mit einer Arbeit zur Märchenforschung[1].

In Greifswald wirkte Mackensen von 1926 bis 1932 als Dozent für Deutsche und Nordische Philologie. Er gründete dort zunächst das Pommersche Volksliederarchiv und dann 1929 das Volkskundliche Archiv für Pommern. Mackensen gelang es so, das Fach Volkskunde an der Universität Greifswald zu etablieren. Das Volkskundlichen Archiv bezog in seine intensive und engagierte Arbeit auch die älteren, außeruniversitären pommerschen Volkskundler wie Alfred Haas und Otto Knoop mit ein. Mackensens Assistent am Volkskundlichen Archiv war Karl Kaiser, der ihm 1933 in der Leitung des Archivs folgte.[2] Mackensen pflegte in Greifswald auch die internationalen Wissenschaftsbeziehungen seines Fachs: 1932 organisierte er eine Tagung mit schwedischen Volkskundlern, die eine Verbindung zur schwedischen Volkskundeforschung anbahnte.[3]

1932 verließ Mackensen Greifswald und wurde außerordentlicher Professor in Riga.[4]

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten trat er 1933 in die NSDAP ein. 1935 wurde er ordentlicher Professor. 1937 publizierte Mackensen die Abhandlung Volkskunde in der Entscheidung.[4] Während des Zweiten Weltkriegs war er zunächst 1940 Gastprofessor in Gent und lieferte Berichte über andere Dozenten, die „in ihren Vorlesungen mehr oder weniger versteckt Propaganda gegen den großgermanischen Gedanken machen“.[5] Ab 1941 war er Professor für Germanistik an der Reichsuniversität des Warthelandes in Posen und dort direkt verantwortlich für die Re-Germanisierung des zu Polen gehörigen, aber 1939 von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebietes. Mackensen hatte sich durch eine linientreue, d. h. „völkische“ Gesinnung und ein offenes Bekenntnis zum Antisemitismus[6] für diese Aufgabe qualifiziert und war auf Veranlassung des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg auf diese Position gehievt worden.[7] Er war u. a. verantwortlich für die Aufzeichnung von Sagen, Überlieferungen und Sitten, aus denen sich eine Besiedlung der Region durch Germanen bzw. Deutsche seit der Bronzezeit nachweisen lassen sollte.[8] Zugleich betreute er die Maßnahmen zur Eingliederung der Auslandsdeutschen aus dem Gebiet der Sowjetunion, die im Rahmen des Hitler-Stalin-Paktes aus ihren bisherigen Siedlungsgebieten (Wolhynien, Baltikum, Bessarabien, der Bukowina und der Dobrudscha) zwangsweise umgesiedelt und zwecks „Wiederaufdeutschung“ (Mackensen) des Warthelandes u. a. in den Bezirken Langensalza und Posen neu angesiedelt wurden. Im Rahmen der genannten Aufgaben hatten Mackensen und sein Mitarbeiterstab im Auftrag der NS-Gauleitung und des SD zu überprüfen, inwieweit die „Rücksiedler“ ihr Deutschtum noch bewahrt hatten und sich aufgrund ihrer rassischen Eigenschaften dazu eigneten, einen „Neusiedlerstamm“ von wehrbereiten „Grenzlandbauern“ zu bilden.[9]

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Mackensen wieder akademisch Fuß fassen und war zunächst in Göttingen und dann als Professor zur Wiederverwendung in Lübeck tätig.[4] Er verlagerte seinen Schaffensschwerpunkt aber von der Pflege des Deutschtums auf die Pflege der deutschen Sprache. Sein bekanntestes Werk ist ein deutsches Wörterbuch, das 1951 erstmals erschien. Es wurde mehrfach aufgelegt und oft einfach als Mackensen bezeichnet. Ein weiteres wichtiges Werk ist ein etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache [10]. Er verfasste außerdem Nachschlagewerke, Zitatensammlungen[11], Heimatbücher und Stilfibeln und schrieb über einzelne Wörter und Begriffe.

1957 war Mackensen der Begründer und bis 1966 Leiter der Abteilung Deutsche Presseforschung an der Staatsbibliothek Bremen.[4]

Literatur

  • Helmut Henne: Schlag nach bei Mackensen! Er führt dich, wohin du nicht willst... In: Sprachreport, 26. Jahrgang, Heft 4, 2010, S. 2-6. (Kritische Auseinandersetzung mit Mackensen, besonders mit seiner Haltung in der Nazizeit und mit seinem Wörterbuch.)

Einzelnachweise

  1. Vgl. Carola L. Gottzmann und Petra Hörner: Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs, 2007.
  2. Kurt Dröge: Die Entwicklung der volkskundlichen Forschung in Pommern. In: Roderich Schmidt (Hrsg.): Tausend Jahre pommersche Geschichte. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern. Reihe V, Band 31. Böhlau Verlag, Köln Weimar Wien 1999, S. 358–359.
  3. Leopold Magon: Die Geschichte der Nordischen Studien und die Begründung des Nordischen Instituts. In: Festschrift zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald. Band 2. Greifswald 1956, S. 265.
  4. a b c d Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 384.
  5. Zitat bei Ernst Klee: Kulturlexikon, S. 384. mit Bezug auf Ludwig Jäger, Seitenwechsel. Der Fall Schneider/Schwerte und die Diskretion der Germanistik, München 1998..
  6. Der Germanist Utz Maas schrieb rückblickend: „Mackensen bedauert 1937, daß das deutsche Volk im späten Mittelalter bereits rassisch so zersetzt gewesen sei, daß es die Judenfrage mit den damaligen Pogromen nicht endgültig schon gelöst hat […].“ Siehe Maas, "Die Entwicklung der deutschsprachigen Sprachwissenschaft von 1900 bis 1950 zwischen Professionalisierung und Politisierung." In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 16 (1988/89), S. 253-290; hier: S. 282.
  7. Siehe u. a. seinen Aufsatz "Sprache und Rasse". In: Nationalsozialistische Monatshefte 6 (1935), S. 306–315.
  8. Siehe u. a. die Einleitung zu Lutz Mackensen, Sagen der Deutschen im Wartheland. Mit einem Vorwort des Gauhauptmanns. Hg. von der Gauselbstverwaltung und Reichsuniversität Posen. Volkskunde Bd. 8. Posen 1943.
  9. Mackensen, Sagen der Deutschen im Wartheland, S. III-IV.
  10. Lutz Mackensen. Ursprung der Wörter. 4. Auflage, 2004, 446 S., VMA-Vertriebsgesellschaft, ISBN 3-928127-47-0.
  11. Lutz Mackensen. Zitate, Redensarten, Sprichwörter. Genehmigte Sonderausgabe 1992, 887 S., Naumann und Göbel, ISBN 3-625-10106-8.

Weblinks


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