Marcus Agrippa

Marcus Agrippa
Agrippa, um 25 v. Chr. (Louvre)

Marcus Vipsanius Agrippa (* 63 v. Chr. oder 64 v. Chr. in Arpinum oder in Dalmatien; † 12 v. Chr. in Kampanien) war ein römischer Feldherr und Politiker, Freund und Schwiegersohn des Augustus sowie Vorfahr der Kaiser Caligula und Nero.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herkunft und Jugend

Agrippa (der nach antiker Auffassung von aegre partus, „unter Schwierigkeit geboren“, abgeleitete Name bezieht sich darauf, dass er mit den Füßen voran auf die Welt kam)[1] stammte aus einer zur Zeit der römischen Republik völlig unbedeutenden Familie; seinen Gentilnamen Vipsanius ließ er stets fort. Sein Vater Lucius Vipsanius gehörte zum Ritterstand. Sein älterer Bruder stand jedoch auf der Seite der Gegner Gaius Iulius Caesars und ging 46 v. Chr. mit Cato Uticensis nach Africa. Nach seiner Gefangennahme bat Octavius Caesar um seine Begnadigung.[2]

Agrippa lernte als junger Mann den etwa gleichaltrigen Gaius Octavius, den späteren Octavian/Augustus, auf der Rhetorenschule in Rom kennen. 46 bis 45 v. Chr. diente Agrippa unter Caesar im Kampf gegen die Pompeianer. Anschließend sandte Caesar ihn mit Octavian nach Apollonia zu den makedonischen Legionen, wo sie die Zeit bis zum Beginn des geplanten Krieges gegen die Parther zum Studium nutzen sollten.

Bürgerkriege

Agrippa auf einem unter Caligula geprägten As

Nach der Ermordung Caesars kehrten die beiden aus Apollonia nach Rom zurück. Agrippa half Octavian in Kampanien Truppen auszuheben. Nach einem ersten erfolgreichen Kampf gegen Marcus Antonius verbündete sich Octavian mit diesem und Marcus Aemilius Lepidus zum Zweiten Triumvirat mit dem Zweck der Verfolgung der Caesargegner. Agrippa wurde mit der Anklage des Cassius betraut.[3] Möglicherweise wurde ihm zu diesem Zweck vom Senat das Amt eines Volkstribuns übertragen. Eventuell hatte er es aber erst später inne.[4]

In den folgenden Bürgerkriegen spielte Agrippa eine entscheidende Rolle an der Seite seines Freundes Octavian als sein wichtigster Feldherr, besonders nach dem Verrat des Quintus Salvidienus Rufus Salvius. Nach der erfolgreichen Beendigung des Perusinischen Krieges gegen Fulvia und Lucius Antonius 40 v. Chr. gelang es Agrippa, zwischen Octavian und Marcus Antonius zu vermitteln. Octavian ernannte Agrippa zum praetor urbanus, verbunden mit dem Auftrag, Italien gegen Sextus Pompeius zu verteidigen. Sextus Pompeius griff tatsächlich an, während Agrippa mit der Ausrichtung der Ludi Apollinares beschäftigt war. Obwohl Pompeius nach einer ersten Niederlage Unterstützung von Marcus Antonius erhielt, wurde er von Agrippa zurückgeschlagen.[5]

Statthalter in Gallien

39/38 v. Chr. war Agrippa erstmals Statthalter des jenseitigen Gallien, wo er einen Aufstand der Aquitanier niederschlug und die Sueben bekämpfte, wozu er erstmals nach Caesar wieder den Rhein überschritt. Die Ubier siedelte er ans linke Rheinufer um. Als ihre Hauptstadt gründete er Oppidum Ubiorum, die später nach seiner Enkelin Agrippina minor benannte Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln). Auch begann er mit der Einrichtung einer Verwaltung, eine Arbeit, die er bei seinen späteren Statthalterschaften weiterführte.

Er ließ das gallische Straßennetz bauen mit dem Ausgangspunkt Lugdunum (Lyon), ohne das schnelle Truppenbewegungen nicht möglich gewesen wären. Die westliche Fernstraße führte an den Atlantik, der nördliche Straßenzug teilte sich auf dem Plateau von Langres in eine in nordwestlicher Richtung an der Kanalküste bei Gesoriacum (Boulogne) ankommenden Straße und eine andere, über Metz, Trier und Köln an den Rhein führenden Straßenzug. Diese neuen Fernstraßen, besonders die an den Rhein führende Straße, wurden das logistische Rückgrat der damals noch im Inneren Galliens stationierten Truppenkontingente.

Aufbau der Flotte

Octavian rief Agrippa zurück, um ihn für das Jahr 37 v. Chr. mit erst 26 Jahren zum Konsul zu ernennen. Er hatte nämlich in der Zwischenzeit eine empfindliche Niederlage gegen Sextus Pompeius erlitten[6] und brauchte dringend einen fähigen Verbündeten an höchster Stelle. Als Konsul errichtete Agrippa als erstes einen sicheren Hafen für die Flotte, den Portus Iulius in der Bucht von Misenum, und ließ neue Schiffe bauen,[7] die größer und stärker waren als die der Gegner und mit neuartigen Entergeräten ausgestattet.[8]

Mit dieser Flotte siegte Agrippa 36 v. Chr. in der Seeschlacht bei Naulochoi über Sextus Pompeius, ebenso wie 31 v. Chr. bei Actium über die Flotten von Marcus Antonius und Kleopatra. Für beide Siege wurde Agrippa hoch geehrt: Er erhielt eine Schiffskrone (Corona Navalis)[9] und ein meerblaues Banner (vexillum caeruleum).

Um 36 v. Chr. heiratete er Caecilia Pomponia Attica (* 51 v. Chr.), die Tochter des Titus Pomponius Atticus. Die Ehe war durch Marcus Antonius vermittelt worden. Mit ihr hatte er die Tochter Vipsania Agrippina. Caecilia starb vermutlich vor 28 v. Chr., denn im Zusammenhang mit Agrippas zweiter Eheschließung wird sie nicht erwähnt.

Im öffentlichen Dienst

Agrippa auf dem Fries der Ara Pacis; die Frau rechts hinter ihm ist seine Schwester Vipsania Polla.

34 v. Chr. kehrte Agrippa nach Rom zurück. Von seinem eigenen Geld finanzierte er die Wiederherstellung der Aqua Marcia. Im Jahr darauf ließ er sich, obwohl er schon Konsul gewesen war, zum Ädil wählen. Cassius Dio lobt seinen Einsatz zum Wohl der Stadt und seiner Bürger. So trieb er die Astrologen und Scharlatane aus der Stadt und ließ die Delphine anschaffen, mit denen im Circus Maximus die Runden gezählt wurden.[10] Seit dieser Zeit bekleidete er als erster das Amt des curator aquarum, des Wasserbeauftragten von Rom.[11]

32 bis 31 v. Chr. kommandierte er im Kampf gegen Marcus Antonius und Kleopatra erneut die Flotte und verhalf Octavian zur Alleinherrschaft.

Als Zeichen seines Danks gab ihm Octavian 28 v. Chr. seine Nichte Claudia Marcella zur Frau und verlieh ihm zum zweiten und im folgenden Jahr zum dritten Mal das Amt des Konsuls, das Octavian gemeinsam mit ihm bekleidete. In diesen Jahren führten sie eine Volkszählung durch.[12] Während Octavian immer mehr Ämter und Macht auf sich vereinte, erklärte er, dass er die traditionelle Republik wiederherstellen wollte. Seit 27 v. Chr. wurde Octavian Augustus genannt. Auch Agrippa wurden diverse Vorrechte verliehen.

Während Augustus von 27 bis 24 v. Chr. in Spanien Krieg führte, verwaltete Agrippa Rom und widmete sich einem ehrgeizigen Bau- und Verschönerungsprogramm. Das sumpfige Marsfeld ließ er entwässern und in eine Parklandschaft mit prunkvollen, öffentlichen Gebäuden umgestalten. In seiner Verantwortung entstanden dort die Saepta Iulia, die große Versammlungshalle.[13] In deren unmittelbaren Nähe ließ er 25 v. Chr. als Erinnerung an den Sieg bei Actium den Vorläuferbau des heutigen Pantheons[14] errichten. Auch Aquädukte wie die Aqua Virgo, die die von ihm gebauten Thermen auf dem Marsfeld versorgten, gehen auf Agrippa zurück. Er trug so dazu bei, dass Augustus sich am Ende seiner Regierungszeit rühmen konnte, eine Stadt, die er aus Ziegeln vorgefunden hatte, als eine marmorne Stadt zu hinterlassen.[15]

Wie auch Augustus gehörte Agrippa zum Priesterkollegium der Quindecimviri sacris faciundis.[16]

Agrippa als Nachfolgekandidat

Agrippa (rechts, mit Corona Navalis) und Augustus (links, mit Corona Civica), Denar.

Agrippa blieb Augustus’ engster Vertrauter, obwohl er, wie Velleius Paterculus berichtet, fürchtete, gegenüber dessem Neffen Marcellus zurückgesetzt zu werden.[17]

24 v. Chr. erkrankte Augustus schwer, und Agrippa übernahm einen Teil seiner Aufgaben. Durch die Verleihung des imperium für das gesamte Reich und der tribunicia potestas wurde er als Vertreter des Augustus und dessen mutmaßlicher Nachfolger herausgestellt. Nach Marcellus’ Tod ließ er sich 21 v. Chr. auf Augustus’ Drängen hin von Marcella scheiden, von der er mehrere Kinder hatte, darunter Vipsania Marcella, die spätere Ehefrau des Publius Quinctilius Varus, und heiratete in dritter Ehe Augustus’ Tochter, Marcellus’ Witwe Iulia. Damit war die engstmögliche Verwandtschaft zu Augustus hergestellt. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor: Gaius Caesar, Iulia, Lucius Caesar, Agrippina und Agrippa Postumus, der erst nach Agrippas Tod geboren wurde. Die beiden älteren Söhne adoptierte Augustus bald nach ihrer Geburt.

Agrippa war im Auftrag des Augustus von 23 bis 21 v. Chr. im Osten des Reiches tätig. Nach seiner Rückkehr half er Augustus in Rom, wo es zu Unruhen gekommen war, weil Augustus nicht als zweiter Konsul neben Marcus Lollius amtieren wollte.

Von 20 bis 18 v. Chr. war Agrippa erneut Statthalter von Gallien, wo er die zwanzig Jahre zuvor begonnene Arbeit fortführte. In Nemausus ließ er einen Tempel, die Maison Carrée, errichten und seinen Söhnen widmen. Im spanischen Emerita Augusta (Mérida) ließ er ein Amphitheater erbauen.

Von 17 bis 13 v. Chr. übernahm Agrippa wieder die Oberaufsicht über die östlichen Provinzen. In Jerusalem besuchte er Herodes, mit dem er seit den Bürgerkriegen befreundet war, und opferte am Tempel von Jerusalem hundert Stiere. Als Zeichen dieser Freundschaft wurde Herodes’ kurz nach Agrippas Tod geborener Enkel Agrippa genannt.

Im Jahr 13 v. Chr., als seine Schwiegersöhne Tiberius und Varus Konsuln waren, weilte er in Rom und beaufsichtigte den Fortschritt seiner ehrgeizigen Bauvorhaben, u. a. den Bau der Porticus Vipsania[18] in der Nähe der Ara Pacis. Dort ließ er eine in Marmor gravierte Weltkarte anbringen, die Plinius in seiner Naturalis historia als Grundlage seiner Geographie angibt.[19] Den Bau ließen nach seinem Tod seine Schwester Vipsania Polla und Augustus vollenden.[20]

12 v. Chr. kämpfte Agrippa in Illyrien gegen aufständische Stämme.[21] Agrippa erkrankte jedoch und kehrte nach Italien zurück, wo er überraschend starb, zweieinhalb Jahrzehnte vor dem oft kranken Augustus. Seinen Besitz vermachte er Augustus. Daneben hinterließ er einen Fonds, der sicherstellen sollte, dass der Besuch der von ihm erbauten Thermen kostenlos bleiben sollte. Er wurde im Mausoleum des Augustus bestattet.

Quellen

Literatur

  • Werner Eck: Marcus Agrippa – der selbstbewußte Parteigänger des Augustus. In: Karl-Joachim Hölkeskamp, Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Von Romulus zu Augustus. Große Gestalten der römischen Republik. Beck, München 2000, ISBN 3-406-46697-4, S. 352–364.
  • Meyer Reinhold: Marcus Agrippa. A biography. The W. F. Humphrey Press, Geneva/New York 1933.
  • Jean Michel Roddaz: Marcus Agrippa. École française, Rom 1984, ISBN 2-7283-0069-0, z. T. unter ISBN 2-7283-0000-0 (formal falsche ISBN)

Weblinks

Anmerkungen

  1. Plinius der Ältere 7,45: In pedes procidere nascentem contra naturam est, quo argumento eos appellavere Agrippas ut aegri partus, qualiter et M. Agrippam ferunt genitum, unico prope felicitatis exemplo in omnibus ad hunc modum genitis. „Dass ein Kind mit den Füßen voran geboren wird, entspricht nicht der Natur. Deshalb nennt man einen so unter Schwierigkeiten Geborenen ‚Agrippa‘. So soll auch M. Agrippa auf die Welt gekommen sein, praktisch das einzige Beispiel für ein glückliches Leben von all denen, die auf diese Weise geboren wurden.“
  2. Nikolaos von Damaskus, Leben des Augustus 7 (englische Übersetzung).
  3. Plutarch, Brutus 27,4; Velleius Paterculus, Historiae Romanae 2,69,5.
  4. Thomas Robert Shannon Broughton, The magistrates of the Roman republic, Bd. 3 (1986), S. 221.
  5. Cassius Dio 48,20.
  6. Appian, Bürgerkriege 5,91.
  7. Velleius Paterculus, Historiae Romanae 2,79,1.
  8. Appian, Bürgerkriege 5,106 f.; 118–120.
  9. Laut Velleius Paterculus, Historiae Romanae 2,81,3 war nie zuvor ein Römer mit dieser Krone ausgezeichnet worden, allerdings erwähnt Plinius (Naturalis Historia 16,3,7), dass Marcus Terentius Varro bereits dreißig Jahre zuvor diese Auszeichnung erhalten habe.
  10. Cassius Dio 49,42–43.
  11. Erst nach Agrippas Tod richtete Augustus dieses Amt offiziell ein. Vgl. Frontin, de aquis 98–99.
  12. Augustus, Res Gestae 1,8.
  13. Saepta Iulia.
  14. Auch auf dem heutigen Bau findet sich noch die Inschrift M. Agrippa L.f. cos tertium fecit „Marcus Agrippa, der Sohn des Lucius, baute es in seinem dritten Konsulat“.
  15. Sueton, Augustus 28.
  16. Augustus, Res Gestae Divi Augusti 1,21.
  17. Velleius Paterculus, Historiae Romanae 2,93,1.
  18. Porticus Vipsania in nl.wikipedia.
  19. Plinius, Naturalis Historia 3,17.
  20. Cassius Dio 55,8,3–4.
  21. Die Einrichtung der Provinz Pannonien gelang erst in den folgenden Jahren durch Tiberius und Drusus.


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