- Marienbibliothek
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Die Marienbibliothek zu Halle an der Saale ist eine historisch-wissenschaftliche evangelische Kirchenbibliothek. Sie ist die älteste ihrer Art in Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Marienbibliothek wurde 1552 von Sebastian Boetius, dem Oberpfarrer der St. Marienkirche, der heutigen Marktkirche Unser Lieben Frauen, begründet. Boetius kaufte dazu auf der Leipziger Messe mit dem Geld aus einer Spende einige Bücher. Durch Schenkungen und Ankäufe vergrößerte sich der Buchbestand sehr rasch. Die Marienbibliothek war bis zur Gründung der Universitätsbibliothek Halle im Jahr 1696 die einzige öffentlich-wissenschaftliche Büchersammlung der Stadt, die bis dahin auch von den Studenten und Professoren der neu gegründeten Universität benutzt werden musste.
Gebäude
Die Bestände der Bibliothek waren ursprünglich im südlichen Hausmannsturm der Marktkirche untergebracht. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war der Bestand jedoch so weit angewachsen, dass man 1607–1609 südlich der Kirche ein neues Bibliotheksgebäude baute. Dieses neben der Marktkirche gelegene Renaissancehaus, in dessen Obergeschoss sich der von einem Gewölbe getragene Bibliothekssaal befand, diente auch als Pfarrhaus und Superintendentur.
In den Jahren 1887/88 erfolgte durch Reinhard Knoch & Friedrich Kallmeyer ein Neubau An der Marienkirche 1 (im Hof der Pfarrhäuser der Marktkirche). Dieser machte das alte Bibliotheksgebäude überflüssig, und es wurde 1889 abgebrochen. Im neuen zweigeschossigen Backsteinrohbau befinden sich im Erdgeschoss die als Traukirche errichtete Gertraudenkapelle und im Obergeschoss hinter großen Rundbogenfenstern das Magazin. Das selbsttragende Regalsystem erstreckt sich über drei Zwischengeschosse. Es wurde platzsparend mit gusseisernen Stützen und Eisenrosten als Geschossböden bzw. -decken nach dem seinerzeit neuen und modernen französischen Magazinsystem angelegt.
Bestände
Die Bibliothek umfasst heute ca. 30.000 Bände vorwiegend aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Darunter befinden sich über 435 Inkunabeln, 308 Handschriften und 229 Urkunden aus dem 13. bis 18. Jahrhundert.[1] Von besonderem Interesse sind die umfangreichen Sammlungen von Flugschriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Zum Bestand gehören außerdem Bibeldrucke (darunter solche mit eigenhändigen Eintragungen Luthers), theologische Literatur aber auch frühe Editionen zur Philosophie, Jura, Medizin, Astronomie und Astrologie. Auch die Kirchenbücher der Marktkirche lagern hier, u. a. mit Händels Taufeintrag.
Die Marienbibliothek besitzt weiterhin vier umfangreiche geschlossen erhalten gebliebene Gelehrtenbibliotheken aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Es sind die Bibliotheken von Friedrich Hoffmann (1660–1742) mit 760 Bänden, von Johann Christlieb Kemme (1738–1815) mit 3650 Bänden, von Christian Gottlob Zschackwitz (1720–1767) mit 2000 Bänden und von Joachim Oelhafen (1603–1690). Außerdem besitzt sie mit der Bibliothek von Karl Christian Lebrecht Franke (1796–1879) eine Pfarrerbibliothek aus dem 19. Jahrhundert.
Seit 1986 verwahrt die Bibliothek als Depositum die historischen Buchbestände der drei Kirchenbibliotheken von Sangerhausen (St. Ulrici), Weißenfels (St. Marien) und Schneidlingen (St. Sixti).
2009 kamen als Folge der Vereinigung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland die Gesangbuchsammlung des Evangelischen Konsistoriums Magdeburg und mit der Auflösung der Evangelischen Kirche der Union die Gesangbuchsammlung dieser Kirche mit zusammen ca. 6.000 Bänden als Depositum in die Marienbibliothek. Zusätzlich kommt zu den schon vorhandenen ca. 1.400 halleschen Gesangbüchern noch die Thüringer Sammlung mit 700 Gesangbüchern. Dann wird die Marienbibliothek mit rund 8.000 Exemplaren eine der größten Gesangbuchsammlungen Deutschlands besitzen.[2]
Die Marienbibliothek ist eine Präsenzbibliothek. Sie zählt zusammen mit der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen und der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt zu den drei bedeutendsten Büchersammlungen der Saalestadt.
Ausstellung
- 2011: Religions-Sachen: Zur materiallen Kultur protestantischer Frömmigkeit
Einzelnachweise
- ↑ Heinrich L. Nickel, Karsten Eisenmenger: Die Marienbibliothek der Marktkirche Unser Lieben Frauen zu halle an der Saale. (Flyer, hrsg. vom Freundeskreis der Marienbibliothek zu Halle e. V.)
- ↑ Heidi Jürgens: Schatz findet neue Heimat. In: Mitteldeutsche Zeitung. 26. Januar 2009, abgerufen am 5. November 2009.
Literatur
- Heinrich L. Nickel (Hrsg.): 450 Jahre Marienbibliothek zu Halle an der Saale. Kostbarkeiten und Raritäten einer alten Büchersammlung. Hrsg. im Auftrag des Freundeskreises der Marienbibliothek zu Halle e. V., Stekovics, Halle 2002, ISBN 3-89923-018-3
- Ute Bednarz, Folkhard Cremer, Hans-Joachim Krause: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt II. Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, München 1999, S. 260 f., ISBN 3-422-03065-4
Weblinks
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Commons: Marienbibliothek – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Bestand und Öffnungszeiten
- Online-Katalog der Marienbibliothek im OPAC der Universitäts- und Landesbibliothek Halle
- Eintrag in der online-Ausgabe des Handbuch der historischen Buchbestände
51.48222222222211.968333333333Koordinaten: 51° 28′ 56″ N, 11° 58′ 6″ OKategorien:- Bibliothek in Sachsen-Anhalt
- Bauwerk in Halle (Saale)
- Erbaut in den 1880er Jahren
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