Martin Wiese

Martin Wiese

Martin Wiese (* 1976 in Anklam) ist ein in Landshut [1] ansässiger Neonazi, der im Zusammenhang mit einem 2003 geplanten Sprengstoffattentat auf das Jüdische Zentrum München bundesweit bekannt wurde und im Anschluss zu einer 7jährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Beginn seiner Aktivitäten

Der 1976 in Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) geborene Martin Wiese wurde nach der politischen Wende in Ostdeutschland in der Neonazi-Szene aktiv. Er beteiligte sich bereits im August 1992 im Alter von 16 Jahren an einer der bekanntesten Ausschreitungen der bundesrepublikanischen Geschichte, den tagelangen Attacken und Brandanschlägen auf das Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen.

Führender Neonazikader in Süddeutschland

Im Sommer 2002 übernahm der zwei Jahre zuvor nach München übersiedelte Wiese die Leitung der „Kameradschaft Süd - Aktionsbüro Süddeutschland“ (AS), nachdem deren Gründer Norman Bordin wegen schwerer Körperverletzung, begangen bei einem Überfall am 13. Januar 2001 auf einen 31-jährigen Griechen in der Münchner Zenettistraße im Anschluss an die Geburtstagsfeier von Wiese, in Haft gehen musste. Bereits im August 2002 stand Wiese gemeinsam mit Norman Bordin vor einem Münchner Gericht, da Wiese im April 2001 einen Menschen schwarzer Hautfarbe mit einem Faustschlag niedergestreckt hatte. Eine Verurteilung blieb aus, da der Schlag als Notwehr gewertet wurde.

Wiese trat zwischen 2000 und 2003 häufig bei verschiedener Neo-Nazi-Demos oder -Mahnwachen vorwiegend im Münchner Raum auf. Im Jahre 2000 beteiligte er sich an mehreren Infoständen der NPD in der Münchener Innenstadt. Im August 2000 nahm er mit anderen Münchener Neonazis am so genannten Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Wunsiedel teil. Im Oktober 2002 wurde Wiese als stellvertretender Versammlungsleiter einer von dem Hamburger Neonazi Christian Worch angemeldeten Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung vom Kreisverwaltungsreferat München abgelehnt, da er einschlägig vorbelastet sei. Die Demonstration fand trotzdem statt und rund 500 Neonazis zogen durch München. Im November 2002 konnte Wiese mehrere Kundgebungen gegen die gleiche Ausstellung anmelden, so z.B. am 10. November, als rund 50 „freie Kameraden“ an einer Kundgebung am Marienplatz teilnahmen, oder am 30. November 2002. Des Weiteren beteiligte er sich als Redner an Neonazi-Aufmärschen wie in Schwäbisch Hall aus demselben Anlass, wo er über die bei Stalingrad gefallenen Wehrmachtssoldaten äußerte „84.000 aufrecht und tapfer kämpfende deutsche Soldaten, ermordet, verhungert und aufgefressen!“.

In der Zeit unter seiner Leitung stellte die „Kameradschaft Süd“ eine eigene Website ins Internet, für die der Rechtsextremist Robert Stillger aus Baldham (bei München), ein Mitarbeiter der vom NPD-Landesvorstand Bayern herausgegebenen „Bayernstimme“, verantwortlich zeichnete. Auch mit dem seit 2003 aktiven rechtsextremen Verein „Demokratie direkt“ des Münchner Republikaner-Stadtrats Johann Weinfurtner (verstorben am 8. Juli 2005) arbeitete Wiese zusammen und war auf fast allen Veranstaltungen dieses Vereins anzutreffen. Häufig übernahm Wiese dabei zusammen mit weiteren Neonazis den Saalschutz der Veranstaltungen.

Der geplante Sprengstoffanschlag auf das Jüdische Kulturzentrum

Die „Kameradschaft Süd“ führte Wiese bis zu seiner eigenen Verhaftung am 6. September 2003 in Nürnberg im Zusammenhang mit einem geplanten Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung des neuen Jüdischen Kulturzentrums am 9. November 2003 am Münchner St.-Jakobs-Platz. Wiese wurde daraufhin mit insgesamt acht weiteren Mitgliedern des Führungskreises der „Kameradschaft“ wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) und Planung eines Sprengstoffanschlags angeklagt und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die „Kameradschaft Süd“ wurde verboten. Bayerns Innenminister Günther Beckstein sprach damals von einer „Braunen Armee Fraktion“.

Bei dem Prozess gegen Wiese wurden auch einige handgeschriebene Briefe verlesen, die Wiese in der Untersuchungshaft geschrieben hatte und aus der Haft schmuggeln wollte, dann aber im Speisesaal vergaß. Mehrfach hetze er in den mit „Heil Hitler“ unterschriebenen und mit Hakenkreuzen versehenen Pamphleten gegen die „Judenrepublik“, die er „platt machen“ wolle. „Natürlich hat sich nichts an meiner Einstellung zu Führer, Volk und Vaterland geändert. Ich werde erst Ruhe finden, wenn wir den Endsieg gefeiert haben“, heißt es darin. Wiese distanzierte sich von den Schreiben nicht. Er habe eine innere „Beziehung“ zu den Führern des Nazi-Reichs. Während des Prozesses bedrohte er die beiden Mitangeklagten David Schulz und Alexander Maetzing, die ihre Beteiligung gestanden und gegen Wiese ausgesagt hatten.[2]

Während der gesamten Haftzeit wurde Wiese von der neonazistischen "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige" (HNG) betreut.[3] Er verfasste mehrere Hetzschriften auch während der Haft.[4] Eine vorzeitige Haftentlassung wurde deshalb abgelehnt.[5] Der bayerische Verfassungsschutz rechnet damit, dass Wiese nach seiner Haftentlassung im August 2010 wieder eine aktive Rolle in der rechten Szene spielen wird.[6] Er untersteht jedoch der Führungsaufsicht. [7]

Nach der Haftentlassung

Seit Frühjahr 2011 versucht Wiese die rechte Szene im Raum München unter einer neuen Dachorganisation namens "NSB" (Nationale Soziale Bewegung) zu vereinen und trat mehrfach bei Veranstaltungen von Neonazis, unter anderem als Mitorganisator, in Erscheinung.[8] Trotz Führungsaufsicht und Kontaktverbot beteiligte sich Wiese am Montag, den 25. April 2011, an einer Neonazimahnwache auf dem Münchner Marienplatz und verstieß somit möglicherweise gegen das Kontaktverbot gegen die ehemaligen Mitglieder der rechtsterroristischen "Schutzgruppe" der "Kameradschaft Süd".[9]. Am 8. Mai 2011 beteiligte sich Wiese am SS-Gedenken in Bad Reichenhall und soll damit erneut gegen das Kontaktverbot verstoßen haben, da auch Karl-Heinz Statzberger an der Neonaziveranstaltung teilnahm.[10][11] Am 9. Mai 2011 berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass das Polizeipräsidium München wegen des Verdachts der Verletzung des Kontaktverbots gegen Wiese ermittle.[12]

Publikationsverbot und Urteil des BVerfG

Bereits während der Haft versuchte Wiese, Beiträge in einschlägig rechten Zeitschriften zu veröffentlichen. Bei der Entlassung wurde ihm im Rahmen der sogenannten Führungsaufsicht für die Dauer von fünf Jahren untersagt, „rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut publizistisch zu verbreiten“. Die Weisung betraf auch Veröffentlichungen unterhalb der Schwelle der §§ 130, 86a StGB. Dem Urteil des BVerG zufolge war diese Weisung zu unbestimmt. Es sei nicht abgrenzbar, was erlaubt und was verboten sei. „Denn die Einstufung einer Position als rechtsextremistisch ist eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung“, hieß es in der Urteilsbegründung. Die vorbeugende Unterdrückung bestimmter Meinungsinhalte sei unverhältnismäßig. Durch das Verbot werde dem Beschwerdeführer in weitem Umfang unmöglich gemacht, mit seinen politischen Überzeugungen am öffentlichen Willensbildungsprozess zu partizipieren. Dies komme einer Aberkennung der Meinungsfreiheit selbst nahe. Auch das Interesse an einer Resozialisierung rechtfertige ein solches Vorgehen nicht.[13]

Literatur

  • "Sprengstoff in München. Martin Wiese, Kameradschaft Süd, NPD". Eine Broschüre der antifaschistischen informations-dokumentations & archivstelle münchen e.V. (AIDA) in Kooperation mit dem Kurt-Eisner-Verein für politische Bildung in Bayern e.V. München 2005.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Landshut in Sorge: Neonazi Wiese ist in der Stadt, www.wochenblatt.de vom 27. Oktober 2010
  2. SZ: "Martin Wiese bedroht Anwalt" vom 9. März 2005
  3. AIDA-Archiv: "Martin Wiese aus der Haft entlassen" vom 2. September 2010
  4. AIDA-Archiv: "Martin Wiese hetzt wieder" vom 4. Juli 2007
  5. AFP: "Neonazi Martin Wiese muss im Gefängnis bleiben" 'Keine Distanzierung von Nazi-Gedankengut erkennbar' vom 8. Mai 2008
  6. taz: "Razzia bei brauner Hilfe" vom 7. September 2010
  7. Mittelbayerische: "Neonazi Martin Wiese kommt unter Aufsicht" vom 14. August 2010
  8. Bewegung im braunen Sumpf; Süddeutsche Zeitung vom 21. April 2011; Abgerufen am 29. April 2011
  9. Neonazis auf dem Marienplatz, Süddeutsche Zeitung, 27. April 2011
  10. Rechtsextremistische Veranstaltung zum „Charlemagnegedenken“ in Bad Reichenhall auf bayern-gegen-rechtsextremismus.de; Abgerufen am 11. Mai 2011
  11. Erneut SS-Gedenken in Bad Reichenhall auf badreichenhall.org; Abgerufen am 11. Mai 2011
  12. Ermittlungen gegen Neonazi Wiese auf sueddeutsche.de; Abgerufen am 11. Mai 2011
  13. Az: 1 BvR 1106/08

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