Militärgefängnis Schwedt

Militärgefängnis Schwedt

Das Militärgefängnis Schwedt war das einzige Militärgefängnis der Deutschen Demokratischen Republik und befand sich in der nordostbrandenburgischen Stadt Schwedt/Oder. Es wurde zur Inhaftierung von Angehörigen der Nationalen Volksarmee und der Kasernierten Einheiten des MdI genutzt. Die Gründe für die Inhaftierungen teilen sich etwa zur Hälfte in Straftaten wie Körperverletzung, Diebstahl aber auch Staatsfeindliche Hetze oder Staatsverleumdung sowie in Militärstraftaten wie Befehlsverweigerung, Fahnenflucht oder Alkohol im Dienst.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Einrichtung des militärischen Strafvollzuges

Nach der Aufstellung der NVA am 1. März 1956 und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 24. Januar 1962 wurde eine Militärjustiz sowie der zugehörige Vollzug eingerichtet. Aus diesem Grund wurde zur Entlastung des bereits 1954 eingerichtetem Strafvollzugskommando Berndshof im Kreis Ueckermünde, 1968 das Gefängnis in Schwedt von der NVA übernommen und für ihre Zwecke umfunktioniert. In Schwedt war die maximale Strafdauer auf zwei Jahre ausgelegt. Freiheitsstrafen ab zwei Jahren wurden in normalen Vollzugsanstalten des Ministeriums des Innern abgesessen. Um in Schwedt inhaftiert werden zu können, musste die Freiheitsstrafe gerichtlich angeordnet werden.

Einführung des Strafarrestes

Parallel zur freiheitsentziehenden Maßnahme gab es für Militärangehörige auch den Strafarrest. Dieser konnte ebenso wie der Freiheitsentzug nur durch ein Militärgericht verhängt werden. Da in der DDR gesetzlich verankert war, dass Freiheitsstrafen mindestens drei Monate lang sein mussten, schloss der Strafarrest die Lücke zwischen Strafen von einem bis zu drei Monaten. Mit der Strafrechtsreform im Jahr 1977 wurde die Mindestdauer von Freiheitsstrafen auf sechs Monate erhöht, somit stieg auch die maximale Dauer des Strafarrestes von drei auf sechs Monate. Der Strafarrest musste in Militärstrafarrestabteilungen abgesessen werden. Da sich in Schwedt die einzige Militärstrafarrestabteilung der DDR befand, wurden alle Verurteilten in Schwedt inhaftiert. Im Gegensatz zum Freiheitsentzug galt der Insasse nach der verbüßten Strafe als nicht vorbestraft.

Der Dienst in der Disziplinareinheit war eine Strafe die ab 1982 von Regimentskommandeuren für eine Dauer von ein bis zwei Monaten und vom Divisionskommandeur bis zu drei Monaten verhängt werden konnte, wenn der Militärstaatsanwalt beziehungsweise das Militärgericht zur Feststellung kam, dass die Straftat nach dem StGB nicht erheblich gesellschaftswidrig war und somit eine gerichtliche Bestrafung nicht notwendig war. Für diese Einheit wurde im Militärgefängnis Schwedt ein neues Gebäude errichtet und die Disziplinareinheit 2 geschaffen. Angewandt wurde die Strafe bei Militärstraftaten sowie Straftaten, die ein Vergehen waren.

Disziplinareinheit

Insgesamt wird die Anzahl der Inhaftierten, die diese Disziplinareinheit von 1982 bis zum Schluss durchlaufen haben auf 2.500 Mann geschätzt. Dies ergibt unter Einbezug der maximalen Strafdauer von drei Monaten eine durchschnittliche Kompaniestärke von 70 Mann. Während der Inhaftierung war es den Insassen nicht gestattet Besuch zu empfangen. Strafkompanie und Disziplinareinheit waren im Objekt getrennt untergebracht. Die Insassen der Disziplinareinheit waren zur Arbeitsleistung verpflichtet. Außerhalb der Arbeitszeiten erfolgte die militärische Ausbildung. Zur Unterbindung von Kontakten zwischen Strafgefangenen und der Disziplinareinheit erfolgte die Arbeit im wechselseitigen Schichtrhythmus.

Da die Disziplinareinheit eine sehr abschreckende Wirkung erzielte, gingen in den Jahren 1980 bis 1982 die registrierten Straftaten in der NVA um 19 Prozent zurück. Wie beim Strafarrest wurde die Inhaftierung nicht ins Strafregister eingetragen, lediglich die Zeit der Inhaftierung musste nachgedient werden.

Im Vergleich zum normalen Tagesdienstablaufplan der NVA gab es bei der Disziplinareinheit eine Verschiebung der Zeiten um zwei Stunden, so wurden die Soldaten der NVA an Wochentagen normal um 6:00 Uhr geweckt und um 22:00 Uhr war Nachtruhe. In der Disziplinareinheit wurden sie bereits 4:00 Uhr geweckt und 20:00 Uhr war Nachtruhe.

Zahlen

Das Ministerium für Nationale Verteidigung übernahm 1982 139 Insassen, die sich in 85 Strafgefangene und 54 Arrestanten aufteilten. Die maximale Anzahl der Insassen von 1982 bis zur Schließung wird mit 800 angegeben. Dies deutet, unter Einbezug der maximalen Strafdauer, auf eine durchschnittliche Anzahl von 70 Insassen hin. Diese Halbierung geht sowohl auf den Rückgang der Straftaten als auch auf die Ersetzung des Strafarrestes durch die Disziplinarmaßnahme Dienst in der Disziplinareinheit zurück. Zum Schluss gab es drei Kompanien für die Straffälligen bis zu zwei Jahren sowie zwei Kompanien der Disziplinareinheit.

Abwicklung

Am 26. April 1990 wurde der letzte Militärstrafgefangene entlassen und am 31. Mai 1990 wurde die Einrichtung geschlossen. Die Gefangenenbaracken wurden in den 1990er Jahren abgerissen, während der zweistöckige Verwaltungsbau bisweilen als Obdachlosenheim dient. [1]

Organisation und Tagesablauf

Im Gelände des Militärgefängnisses Schwedt befand sich eine Werkhalle, in der die Inhaftierten unter gesundheitsschädlichen Bedingungen Aufbauten für militärische Fahrzeuge durch Beschichtung von gepresstem Glaswollevlies mit Epoxidharz fertigten. Daneben betrieb das Tochterunternehmen der NVA, Instandsetzungswerk Pinnow (IWP), eine Tischlerei, in der die Gefangenen Munitionskisten produzierten.

Das Militärgefängnis Schwedt wurde zunächst durch das Ministerium des Innern verwaltet, im Jahr 1982 übernahm das Ministerium für Nationale Verteidigung die Verwaltung. Infolge dessen wurden die 14 Offiziere und 13 Wachtmeister der Volkspolizei, „Organ Strafvollzug“, am 31. Dezember 1982 Angehörige der Nationalen Volksarmee.

grundsätzlicher Tagesdienstablaufplan in der Disziplinareinheit 2
04:00 Uhr wecken
anschließend Frühsport, Morgentoilette
Frühstück  
anschließend Ausbildung im Objekt oder Arbeit im PCK Schwedt
Mittag  
anschließend Arbeit oder Ausbildung im Objekt
Abendbrot  
20.00 Uhr Nachtruhe
Tagesdienstablaufplan am Wochenende
Sonnabend politische Schulung; 22:00 Uhr Nachtruhe
Sonntag 6:00 Uhr wecken und insg. 4 h Freizeit; 20:00 Nachtruhe

Rezeption

Vor der friedlichen Revolution in der DDR war das Militärgefängnis Schwedt DDR-Bürgern außerhalb der NVA kein fester Begriff. Unter NVA-Soldaten löste der Name „Schwedt“ hauptsächlich Angst aus. Details waren nicht bekannt, Gerüchte gab es hingegen viele, deren Kern gerade das Unaussprechliche war: Angeblich redeten entlassene Schwedt-Häftlinge kein Wort über ihre Haftzeit. Schwedt hatte seinen festen Platz in der Alltagskultur von wehrpflichtigen NVA-Soldaten, so wurde die Zahl 133 auf dem Bandmaß der Entlassungskandidaten mit schwarzer Farbe vergittert, was als Symbol für Schwedt mit der damaligen Postleitzahl 1330 stand.

Nach 1989 erschienen eine Reihe von Büchern über Schwedt, erst von Betroffenen, später auch wissenschaftliche Abhandlungen. 2001 sendete der MDR eine Dokumentation mit dem Titel Armeeknast Schwedt. In Leander Haußmanns Buch und Spielfilm NVA (2005) verkörperte der aufmüpfige Soldat Krüger in einer Nebenhandlung die psychischen Auswirkungen der Haft im Militärgefängnis Schwedt. Im vielfach ausgezeichneten Roman Der Turm (2008) von Uwe Tellkamp kommt der Protagonist Christian Hoffmann nach Schwedt.

Literatur

  • Rüdiger Wenzke: Ab nach Schwedt! Die Geschichte des DDR-Militärstrafvollzugs Ch. Links, Berlin 2011, ISBN 3-8615-3638-2.
  • Nicole Kampa: Die Strafgewalt der Kommandeure in der Nationalen Volksarmee (NVA). Eine rechtshistorische und rechtstatsächliche Untersuchung zu dem Rechtsinstitut der „Abgabe von geringfügigen Straftaten“ an den Kommandeur. Shaker, Aachen 2004, ISBN 3-8322-2108-5, (Berichte aus der Rechtswissenschaft), (Zugleich: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 2003).
  • Stefan Wachtel: Delikt 220. Bestimmungsort Schwedt. Gefängnistagebuch. Greifenverlag Rudolstadt 1991, ISBN 3-7352-0247-0.
  • Klaus Auerswald: …sonst kommst du nach Schwedt! Bericht eines Militärstrafgefangenen. Greifenverlag, Rudolstadt u. a. 2010, ISBN 978-3-86939-521-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jens Blankennagel: Vergessene „Schwedter Gardinen“, Berliner Zeitung, 29. Juni 2000
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