Modulfunktion

Modulfunktion

Der klassische Begriff einer Modulform ist der Oberbegriff für eine breite Klasse von Funktionen auf der oberen Halbebene (Elliptische Modulformen) und deren höherdimensionalen Verallgemeinerungen (z. B. Siegelsche Modulformen), der in den mathematischen Teilgebieten der Funktionentheorie und Zahlentheorie betrachtet wird. Der moderne Begriff einer Modulform ist dessen umfassende Neuformulierung in Termen der Darstellungstheorie (automorphe Darstellungen) und arithmetischen Geometrie (p-adische Modulformen). Klassische Modulformen sind Spezialfälle der sogenannten automorphen Formen. Sie zeichnen sich durch mehrere Symmetrie-Eigenschaften aus, das Taniyama-Shimura-Theorem verknüpft sie mit elliptischen Kurven.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Begründer der klassischen (rein analytischen) Theorie der Modulformen des 19. Jahrhunderts sind Richard Dedekind, Felix Klein, Gotthold Eisenstein und Henri Poincaré. Die moderne Theorie der Modulformen entstand in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts durch Erich Hecke und Carl Ludwig Siegel. Modulformen in Termen der Darstellungstheorie stammen von Robert Langlands. p-adische Modulformen treten zuerst bei Nicholas Katz und Jean-Pierre Serre auf.

Elliptische Modulformen für \mbox{SL}_2(\mathbb{Z})

Es sei

\mathbb H=\{\tau\in\mathbb C\mid\mathrm{Im}\,\tau>0\}

die obere Halbebene, d. h. die Menge aller komplexen Zahlen mit positivem Imaginärteil.

Für eine ganze Zahl k heißt eine holomorphe bzw. meromorphe Funktion f auf der oberen Halbebene eine holomorphe bzw. meromorphe elliptische Modulform vom Gewicht k zur Gruppe  \mbox{SL}_2(\mathbb{Z}), wenn sie

f\!\left(\frac{az+b}{cz+d}\right)=(cz+d)^kf(z) für alle z\in\mathbb H und a,b,c,d\in\mathbb Z mit adbc = 1
erfüllt und
  • „holomorph bzw. meromorph im Unendlichen“ ist: Das bedeutet, dass die Funktion
\tilde f(q)=f(z) mit q=\mathrm e^{2\pi\mathrm i \,z} für 0 < | q | < 1
bei q = 0 holomorph bzw. meromorph auf die Einheitskreisscheibe fortsetzbar ist.

Man beachte, dass aus der ersten Bedingung f(z + 1) = f(z) folgt; deshalb ist \tilde f(q) wohldefiniert.

Im Falle k = 0 nennt man f eine Modulfunktion.

Ist die Funktion f(z) holomorph im Unendlichen, so heißt f eine ganze Modulform.

Hat darüber hinaus f(z) eine Nullstelle bei z=\infty, so nennt man f eine Spitzenform.

Eigenschaften

Für ungerades k ist stets f = 0, die folgenden Aussagen gelten daher für gerades k.

Die Modulformen vom Gewicht k bilden einen \mathbb{C}-Vektorraum, ebenso die ganzen Modulformen und auch die Spitzenformen.

Bezeichnet man diese Vektorräume mit \mathbb{V}_k, \mathbb{M}_k und \mathbb{S}_k, so gilt:

\mathbb{S}_k \subset \mathbb{M}_k \subset \mathbb{V}_k.

Für die Dimension dieser Vektorräume gilt:

\mathrm{dim} \, \mathbb{M}_k = \begin{cases} [\frac{k}{12}], &amp;amp; \mathrm{falls} \; k\equiv 2 \; \mathrm{(mod} \, \mathrm{ 12)} \\  \mathrm{[}\frac{k}{12}]+1  &amp;amp; \mathrm{falls} \; k\not\equiv 2 \; \mathrm{(mod} \, \mathrm{ 12)} \end{cases}


Da durch die Multiplikation mit der Spitzenform Δ (Diskriminante) vom Gewicht 12 ein Isomorphismus von \mathbb{M}_{k-12} nach \mathbb{S}_k gegeben ist, gilt:

\mathrm{dim} \, \mathbb{S}_k = \mathrm{dim} \, \mathbb{M}_{k-12} \quad \mathrm{ falls } \quad k \geq 12

Beispiele

Die einfachsten Beispiele für ganze Modulformen vom Gewicht k sind die sogenannten Eisensteinreihen Gk, für eine Modulfunktion die j-Funktion oder absolute Invariante und für eine Spitzenform die Diskriminante Δ.

Veröffentlichungen

  • Eberhard Freitag, Rolf Busam: Funktionentheorie 1, 4. Aufl., Springer, Berlin (2006), ISBN 3-540-31764-3
  • Max Koecher, Aloys Krieg: Elliptische Funktionen und Modulformen, 2. Aufl., Springer, Berlin (2007) ISBN 978-3-540-49324-2

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Modulfunktion — Modulfunktion,   eine in der oberen komplexen Halbebene holomorphe Funktion, die unter Transformationen der Form   mit ganzen Zahlen a, b, c, d und ad bc = 1 (diese bilden die Modulgruppe) ihren Wert nicht ändert. Modulfunktionen sind spezielle …   Universal-Lexikon

  • J-Funktion — in der komplexen Ebene (ohne Faktor 12^3) Die j Funktion oder absolute Invariante spielt eine wichtige Rolle in der Theorie der elliptischen Funktionen und Modulformen. Inhaltsverzeichnis 1 Definition …   Deutsch Wikipedia

  • Modulform — Der klassische Begriff einer Modulform ist der Oberbegriff für eine breite Klasse von Funktionen auf der oberen Halbebene (Elliptische Modulformen) und deren höherdimensionalen Verallgemeinerungen (z. B. Siegelsche Modulformen), der in den… …   Deutsch Wikipedia

  • Spitzenform — Der klassische Begriff einer Modulform ist der Oberbegriff für eine breite Klasse von Funktionen auf der oberen Halbebene (Elliptische Modulformen) und deren höherdimensionalen Verallgemeinerungen (z. B. Siegelsche Modulformen), der in den… …   Deutsch Wikipedia

  • Borcherds — Richard Borcherds Richard Borcherds (* 29. November 1959 in Kapstadt, Südafrika) ist ein englischer Mathematiker, der auf den Gebieten Gruppentheorie, Zahlentheorie und Geometrie arbeitet, speziell über Gitter und unendlich dimensionale Algebren… …   Deutsch Wikipedia

  • Carl Ludwig Siegel — in Göttingen, 1975 Carl Ludwig Siegel (* 31. Dezember 1896 in Berlin; † 4. April 1981 in Göttingen) war ein deutscher Mathematiker; sein Spezialgebiet war die Zahlentheorie. Er gilt als einer der bedeutendsten Mathematiker des 20. Jahrhu …   Deutsch Wikipedia

  • Elliptische Funktionen — Im mathematischen Teilgebiet der Funktionentheorie sind elliptische Funktionen doppeltperiodische meromorphe Funktionen. „Doppeltperiodisch“ bedeutet, dass es zwei komplexe Zahlen ω1,ω2 gibt, die keine reellen Vielfachen voneinander sind, so dass …   Deutsch Wikipedia

  • Erich Hecke — (* 20. September 1887 in Buk bei Posen; † 13. Februar 1947 in Kopenhagen) war ein deutscher Mathematiker, der hauptsächlich in den Gebieten der algebraischen Zahlentheorie und der Theorie der Modulformen arbeitete …   Deutsch Wikipedia

  • Heegner — Kurt Heegner (* 16. Dezember 1893 in Berlin; † 2. Februar 1965 ebenda) war ein Ingenieur und Hobbymathematiker in Berlin, der durch seine zahlentheoretischen Entdeckungen bekannt wurde. Heegner machte 1913 sein Abitur am Askanischen Gymnasium in… …   Deutsch Wikipedia

  • Igusa — Jun Ichi Igusa (jap. 井草 準一, Igusa Jun’ichi; * 1924 in Maebashi, Präfektur Gunma, Japan) ist ein japanischer Mathematiker, der sich mit algebraischer Geometrie und Zahlentheorie beschäftigt. Igusa studierte an der Universität Tokio und wurde 1953… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”