Arnolt Bronnen

Arnolt Bronnen

Arnolt Bronnen, eigentlich Arnold Bronner, (* 19. August 1895 in Wien; † 12. Oktober 1959 in Ost-Berlin), mit Pseudonym A. H. Schelle-Noetzel war ein österreichischer Schriftsteller, Theaterautor und Regisseur.

Grab von Arnolt Bronnen auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin

Inhaltsverzeichnis

Leben

1895–1919

Arnold Bronner wurde als Sohn von Martha Bronner, geb. Schelle, und Dr. Ferdinand Bronner, Schriftsteller und Gymnasiallehrer, geboren, wobei er die Abstammung von seinem gesetzlichen Vater später bestritten hat. Er wuchs in Jägerndorf und in Wien auf. 1913 machte er dort seine Matura und schrieb sich anschließend an der Universität Wien ein, wo er für vier Semester Jura und Philosophie studierte. Ab 1915 diente er im Ersten Weltkrieg erst in einem Infanterieregiment, dann bei den 3. Tiroler Jägern. 1916 wurde er an der italienischen Front schwer verletzt und geriet in Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1919 entlassen wurde.

1920–1932

1920 zog Bronnen nach Berlin, wo er anfangs als Angestellter arbeitete, unter anderem im Kaufhaus des Westens. Im selben Jahr erschien sein Stück Vatermord, das ihn berühmt machte und für das er den Kleist-Preis erhielt. Das Stück wurde 1922 in Frankfurt uraufgeführt. In der Folge freundete sich Bronnen mit Bertolt Brecht an, mit dem er bis 1926 wiederholt zusammenarbeitete, unter anderem an dem Drehbuch zu dem Film S.O.S. Insel der Tränen (1923). Ebenfalls 1923 inszenierte er gemeinsam mit Brecht Hans Henny Jahnns Stück Pastor Ephraim Magnus und machte die Bekanntschaft von Friedrich Wilhelm Murnau. 1924 wurde Bronnens Stück Katalaunische Schlacht uraufgeführt, das in der Folge zu Protesten des Nationalverbands Deutscher Offiziere führte. Ab 1926 arbeitete er für den Rundfunk; von 1928 bis 1933 war er Dramaturg bei der Dramatischen Funkstunde Berlin. Spätestens ab 1927 näherte sich Bronnen stärker völkischen, rechten Kreisen an und trat auch zu Ernst Jünger in Kontakt. 1929 führte sein in Oberschlesien spielender Roman O. S. zu heftigen Reaktionen in der Presse; Brecht distanzierte sich von ihm. Ab 1930 verkehrte Bronnen mit Otto Strasser und Goebbels; in diesem Jahr heiratete er auch seine Frau Olga geb. Förster-Prowe. Die junge schöne Schauspielerin war eine Geliebte Goebbels und wurde unter dem Decknamen Agent A229 von 1929 bis 1935 vom NKWD geführt. Es entstand eine Ménage à trois von Olga - Goebbels - Bronnen [1]

1933–1944

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wurde Bronnen aus seiner Stellung beim Sender entlassen. Mit zahlreichen anderen Schriftstellern unterzeichnete er jedoch das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ für Hitler. Vorübergehend wurde er beim Rundfunk wieder eingestellt. Ab 1934 arbeitete er für den ersten Fernsehsender Paul Nipkow; von 1936 bis 1940 war er Programmleiter des Senders. Im folgenden war Bronnens Stellung zum Nationalsozialismus umstritten, da ihm einerseits seine frühen linken Umtriebe vorgeworfen wurden, er aber andererseits schon vor der Machtübernahme der Nazis diese unterstützt hatte. Zudem war Bronnen „Halbjude“ im Sinne der Nürnberger Gesetze, auch wenn er sich - im Zusammenhang mit einer schon 1930 erstmals von ihm erwogenen Vaterschaftsklage - von seiner Mutter seine „arische Abkunft“ hatte eidesstattlich versichern lassen. 1935 beging seine Frau Olga angeblich Selbstmord, was im Zusammenhang mit ihrer Agententätigkeit fraglich ist. 1936 heiratete er seine zweite Frau Hildegard, geborene von Lossow. 1938 wurde Tochter Barbara Bronnen geboren, 1940 Tochter Franziska Bronnen. Carl Zuckmayer schrieb Jahre später – um 1944 – im US-amerikanischen Exil, Bronnen hätte „bei den Nazis kein Glück“ gehabt: „Er hatte früher – als dafür noch ein Markt war – zu viel Brunst geschrieben. Zu viel Mutterbeschlafung – zu viel Excesse. Die Nazis konnten einen Mann mit solch entarteter [sic!] Vergangenheit ihrem Spießbürgerpublikum nicht zumuten… als Autor ist er vergessen.“ (FAZ, 26. Januar 2002).

1937 wurde Bronnen aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen – eine Entscheidung, gegen die er Widerspruch einlegte, die aber 1939 von Goebbels bestätigt wurde. Nachdem es ihm 1941 gelang, seine „arische“ Abstammung auf Grundlage einer erbbiologischen Untersuchung über die Abwesenheit „jüdischer Rassemerkmale“ aktenkundig zu machen,[2] wurde er wieder in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen. In der Folge hatte er jedoch Schwierigkeiten, zu publizieren und die geplante Aufführung seines Stücks Gloriana in München wurde 1943 untersagt; im selben Jahr erhielt er endgültig Publikationsverbot und wurde aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. In diesem Jahr zog er nach Bad Goisern in Österreich und nahm dort über den Gemeindesekretär Franz Sams Kontakt zur Widerstandsgruppe Willy-Fred um Sepp Plieseis auf. Bronnen übernahm für die Widerstandsgruppe Botendienste, die ihn auch nach Aussee zu Karl Feldheimer führten. Im August 1944 wurde Bronnen trotz seines Alters und seiner Verletzung aus dem Ersten Weltkrieg zu einem Ersatzbataillon in Steyr eingezogen, dort jedoch bald als „Wehrkraftzersetzer“ denunziert, inhaftiert und in Wien wegen Hochverrats angeklagt. Durch einen Bombentreffer wurde sein Gerichtsakt in Wien zerstört und das Verfahren daraufhin eingestellt. Er wurde entlassen und zu seiner Einheit nach Steyr zurückgeschickt, welche im Dezember 1944 nach Znaim verlegt wurde. Auch dort kam er schnell in Kontakt zur dortigen Widerstandsgruppe und desertierte wenig später. Über die Wachau und Wien gelangte er schließlich im April 1945 ins Salzkammergut und war in den letzten Kriegstagen bis zum Eintreffen der aus Salzburg vorrückenden Amerikaner wieder im lokalen Widerstand aktiv.

1945–1959

Trotz seiner langjährigen Unterstützung der Nationalsozialisten wurde Bronnen von den Partisanen wegen seiner Verdienste im Widerstand, aber auch wegen seiner Englischkenntnisse, den Amerikanern als Bürgermeister von Bad Goisern vorgeschlagen. So wurde Bronnen vom 7. Mai bis 7. Juli 1945 dort erster Nachkriegs-Bürgermeister. Während seiner Amtszeit organisierte er die Rationierung von Lebensmitteln, den Aufbau eines provisorischen Stromnetzes und erhob von ehemaligen nationalsozialistischen Parteifunktionären eine einmalige Sondersteuer von 10 Prozent ihres Vermögens, was der Gemeindekasse um die 80.000 RM einbrachte. Entlassene Häftlinge des KZ Ebensee wurden auf seine Veranlassung in Goisern auf Gemeindekosten versorgt. Nachdem sich das Chaos der Nachkriegstage etwas gelegt hatte, zog er sich aus der Politik zurück und übergab das Bürgermeisteramt an Martin Langeder von der KPÖ.

1946 wurden Bronnens Werke O. S. (1929) und Roßbach (1930) in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[3]

1947 veröffentlichte Bronnen eine Rechtfertigung seiner politischen Vergangenheit und arbeitete in der Folge in Österreich am Theater und für den Film. Durch seine Kontakte aus der Widerstandszeit begann er auch für die kommunistische Zeitung „Neue Zeit“ in Linz als Kulturredakteur zu schreiben. 1950 ließen sich Bronnen und seine Frau Hildegard scheiden. 1951 wurde er Dramaturg am Neuen Theater in der Scala Wien. 1952 heiratete er die 27 Jahre jüngere Schauspielerin Renate Kleinschmidt, geborene Bertalotti.

1953 wurde sein Werk Kampf im Aether oder die Unsichtbaren (1935) in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[4] 1954 erschien seine Autobiografie unter dem Titel arnolt bronnen gibt zu protokoll. 1957 wurde sein Sohn Andreas geboren.

In dieser Zeit wurde er von den Bürgerlichen wegen seiner KPÖ-Mitgliedschaft zunehmend angefeindet, wegen seiner Nähe zu Joseph Goebbels aber auch von Linken. Dies machte eine weitere Karriere im österreichischen Kunstbetrieb zunehmend schwierig. 1955 entschloss sich Bronnen deshalb mit seiner Frau Renate nach Ost-Berlin zu übersiedeln; die Möglichkeiten eines solchen Umzugs in die DDR hatte er zuvor mit Johannes R. Becher besprochen, den er noch aus den 1920er Jahren kannte. In Ost-Berlin arbeitete Bronnen unter anderem beim Berliner Ensemble, sowie als Kritiker für die Berliner Zeitung. In der DDR konnte Bronnen jedoch nicht mehr wirklich Fuß fassen, da ihn auch dort seine Vergangenheit einholte und ihm seine frühere Nähe zu den Nationalsozialisten vorgeworfen wurde. Mit Brechts Tod 1956 verlor er einen seiner wichtigsten Fürsprecher, und es gelang ihm kaum noch, neue Texte zu veröffentlichen oder Stücke zur Aufführung zu bringen.

1959 starb Arnolt Bronnen in Ost-Berlin an einer Herzkrankheit. Sein Grab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.

Werke

  • Recht auf Jugend, 1913
  • Vatermord, 1920
  • Die Geburt der Jugend, 1922
  • Septembernovelle, 1923
  • Die Exzesse, 1923
  • Anarchie in Sillian, 1924
  • Katalaunische Schlacht, 1924
  • Napoleons Fall, 1924
  • Der blaue Anker, 1925
  • Rheinische Rebellen, 1925
  • Ostpolzug, 1926
  • Reparationen, 1926
  • Film und Leben. Barbara La Marr, 1927
  • Michael Kohlhaas (Bearbeitung für Funk und Bühne nach Heinrich von Kleist), 1929
  • O.S., 1929
  • Roßbach, 1930 (über Gerhard Roßbach)
  • Der Weg in die Freiheit (Bearbeitung eines 1928 entstandenen Hörspiels von Fred von Hoerschelmann), 1932
  • Erinnerung an eine Liebe, 1933
  • Sonnenberg (Hörspiel), 1934
  • Der Kampf im Äther oder Die Unsichtbaren, 1935
  • Fakten aus Akten, 1947
  • N, 1948
  • Die Kette Kolin, 1950
  • Gloriana, 1951
  • Die jüngste Nacht, 1952
  • arnolt bronnen gibt zu protokoll, 1954
  • Deutschland – kein Wintermärchen, 1956
  • Aisopos. 7 Berichte aus Hellas, 1956
  • Viergespann, 1958 (enthält: „Gloriana“, „N“, „Die Kette Kolin“, „Die jüngste Nacht“)
  • Tage mit Bertolt Brecht. Die Geschichte einer unvollendeten Freundschaft, 1960 postum veröffentlicht
  • Begegnungen mit Schauspielern, 1967 postum veröffentlicht

zu Werke: Arnolt Bronnen: Vatermord. Schauspiel in den Fassungen von 1915 und 1922. Hrsg. von Franz Peschke unter Mitarbeit von Isabell Riederer. München 1985

Literatur

  • Willy Antes: Film und Leben. Arnolt Bronnens Romane im Kontext von Kultur und Kulturindustrie der Weimarer Republik. Berlin 1993 (Berlin, FU Berlin, Dipl. Arbeit).
  • Friedbert Aspetsberger: Arnolt Bronnen. Biographie. Böhlau, Wien u. a. 1995, ISBN 3-205-98367-X (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur 34).
  • Harald Kaas: Der faschistische Piccolo: A. B. In: Karl Corino (Hrsg.): Intellektuelle im Bann des Nationalsozialismus. Hoffmann und Campe, Hamburg 1980, ISBN 3-455-01020-2, S. 136–149 (Bücher zur Sache).
  • Wilhelm Pellert: Der Cascadeur. Saarbrücken, UA 1992 (Theaterstück über Arnolt Bronnen).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Кузнцов - НКВД против Гестапо (Москва, 2008)
  2. Friedbert Aspetsberger: „Arnolt Bronnen: Biographie“. Böhlau Verlag, Wien, 1995, ISBN 320598367X, S. 25 f.
  3. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-b.html
  4. http://www.polunbi.de/bibliothek/1953-nslit-s.html

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