Nationalkonservativismus

Nationalkonservativismus

Nationalkonservatismus ist ein Sammelbegriff für politische und gesellschaftliche Bewegungen innerhalb des Konservatismus, deren Hauptziel es ist, eine bestehende Gesellschaftsordnung und einen unabhängigen Nationalstaat zu bewahren und Veränderungen so weit zu gestalten, dass ihrer Meinung nach Revolutionen unnötig seien. Nationalkonservatismus soll dabei keine philosophisch definierte politische Haltung mit abstrakten Werten, sondern jeweils auf die historische Situation bezogen sein - der Nationalkonservatismus des 19. Jahrhunderts hatte somit andere Ideale (ständisch-aristokratisch Legitimation) als der Nationalkonservatismus des 21. Jahrhunderts (demokratische Legitimation), der Nationalkonservativismus in Amerika vertritt andere Werte als der Nationalkonservatismus in der Schweiz, gemeinsam sind ihnen jedoch eine ablehnende Haltung gegen Einwanderung und „Überfremdung“, eine Betonung kultureller und religiöser Traditionen als Teil der nationalen Identität sowie eine Ablehnung von Staatenbünden wie der EU, die ihrer Ansicht nach die Souveränität des Nationalstaates gefährden. Dabei tritt der Begriff auch oft im religiösen Kontext auf. Nationalkonservative Einstellungen finden sich nicht nur in der Parteipolitik selbst, sondern vor allem auch bei Künstlern und Dichtern.

Beispiele für Nationalkonservatismus

  • das Preußische Wochenblatt (1851-1861)
  • die bayerischen Nationalkonservativen in der antiliberalen Strömung der 1870er Jahre
  • die „Gelben Hefte“ (1924-1933)
  • national-konservative Kräfte in der Opposition und im Widerstand gegen den Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945
  • die Deutsche Partei in der Nachkriegszeit
  • die National Union of Conservative and Unionist Associations in Großbritannien war eine der wichtigsten nationalkonservativen Kräfte im Bereich der EU.
  • die SVP in der Schweiz mit Unabhängigkeit und Freiheit in der Schweizer Geschichte als Argument gegen internationale Öffnung in der Gegenwart: die alten Eidgenossen wehrten sich erfolgreich gegen „fremde Richter“ (Habsburger Vögte), also dürfe die Schweiz jetzt nicht der UNO beitreten, weil es dort den internationalen Gerichtshof gibt.
  • in Frankreich sammelten sich die Nationalkonservativen in den achtziger Jahren im Front National, heute auch um den Nationalkatholiken Philippe de Villiers mit seinem Mouvement pour la France.
  • in der Bundesrepublik Deutschland sind die meisten Nationalkonservativen in die Volksparteien integriert. So gelten (und galten) zum Beispiel die CDU-Politiker Alfred Dregger, Manfred Kanther, Wilfried Hasselmann, Hans Filbinger und Martin Hohmann als nationalkonservativ.
  • 1983 gründeten sich in der Bundesrepublik Deutschland Die Republikaner als nationalkonservative Partei.
  • In Österreich treten die FPÖ und das BZÖ als nationalkonservative Kraft auf.
  • Die italienische Regierungspartei Alleanza Nazionale, Nachfolgerin des neofaschistischen MSI, ist ebenfalls zu den nationalkonservativen Parteien zu rechnen.
  • Die Bürgerunion FIDESZ in Ungarn erlebte in den letzten Jahren einen Nationalruck und gilt daher heute als nationalkonservativ.
  • Die Parteien Liga Polnischer Familien (LPR) und Recht und Gerechtigkeit in Polen
  • In den USA können Teile der Republikanischen Partei, insbesondere die Gruppe um Pat Buchanan als nationalkonservativ betrachtet werden.

Literatur

  • Hermann Meyn: Die Deutsche Partei. Entwicklung und Problematik einer national-konservativen Rechtspartei nach 1945, 1965
  • Hermann Meyn: Die Deutsche Partei. Ursachen des Scheiterns einer national-konservativen Rechtspartei im Nachkriegsdeutschland. In: Politische Vierteljahresschrift, 1965
  • Michale Behnen: Das Preußische Wochenblatt 1851-1861. Nationalkonservative Publizistik gegen Ständestaat u. Polizeistaat, 1971
  • Klaus-Jürgen Müller: Die national-konservative Opposition vor dem Zweiten Weltkrieg zum Problem ihrer begrifflichen Erfassung. In: Militärgeschichte, 1982
  • Klaus-Jürgen Müller: Der nationalkonservative Widerstand 1933-1940. In: Der deutsche Widerstand. 1986
  • Klaus-Jürgen Müller: Die nationalkonservative Opposition 1933-1939; von der Kooperation zum Widerstand. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 1986
  • Manfred Messerschmidt: Motivationen der nationalkonservativen Opposition und des militärischen Widerstandes seit dem Frankreich-Feldzug. In: Der deutsche Widerstand. 1986
  • Lothar Gruchmann: Justizminister unter Hitler - das Schicksal des nationalkonservativen Beamten Franz Gürtner (1881 - 1941). In: Justiz im Dritten Reich. 1990
  • Esther Wallies: Georg Nellius (1891-1952); national-konservative Strömungen in der Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts am Beispiel eines Komponisten. 1991
  • Werner Mittenzwei: Der Untergang einer Akademie oder die Mentalität des ewigen Deutschen der Einfluß der nationalkonservativen Dichter an der Preußischen Akademie der Künste 1918 bis 1947. 1992
  • Michael Kugel: Hjalmar Schacht und die nationalsozialistische Diktatur ein Beitrag zum Verhältnis zwischen national-konservativen Eliten und dem Nationalsozialismus. 1992
  • Hans-Heinrich Wilhelm: Die „nationalkonservativen Eliten“ und das Schreckgespenst vom „jüdischen Bolschewismus“. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft „Berlin“. 1995
  • Hans Hartmann: Heile Welt Schweiz - die nationalkonservative Bewegung in der Diskussion. 1995
  • Andreas Biefang: Der Streit um Treitschkes „Deutsche Geschichte“ 1882/83 zur Spaltung des Nationalliberalismus und der Etablierung eines national-konservativen Geschichtsbildes. In: Historische Zeitschrift. 1996
  • Manfred Kittel: Kulturkampf und „Große Depression“ zum Aufbruch der Bayerischen Nationalkonservativen in der antiliberalen Strömung der 1870er Jahre. In: Historisches Jahrbuch. 1998
  • Christoph Hübner: National-konservatives Denken im deutschen Katholizismus der Weimarer Zeit die „Gelben Hefte“ 1924 bis 1933. 2000
  • Rolf Linnenkmap: Das Genie in der Bildenden Kunst Protokoll eines Gottesbeweises; samt einem Exkurs über „Die dritte Kunstkraft im Dritten Reich: der Nationalkonservative Nonkonformismus“; mit 50 Analysen von 108 Kunstwerken. 2001
  • Annette Gümbel: „Volk ohne Raum“ - der Schriftsteller Hans Grimm zwischen national-konservativem Denken und völkischer Ideologie. 2003
  • Mittenzwei, Werner: Die Mentalität des ewigen Deutschen - nationalkonservative Dichter 1918 bis 1947 und der Untergang einer Akademie, 2003
  • Fuhr, Michael: Die Buchreihe der Künstler-Monographien im Verlag von Velhagen & Klasing (1894-1941) als Beispiel national-konservativer Kunstpolitik und ihre Auswirkungen auf die Akzeptanz der Moderne, 2004

Weblinks


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