Nico (Sängerin)

Nico (Sängerin)

Nico, bürgerlich Christa Päffgen, (* 16. Oktober 1938 in Köln; † 18. Juli 1988 auf Ibiza) war Fotomodell, Schauspielerin und Sängerin. Bekannt wurde sie durch ihren Gesang auf dem Debütalbum der Rockband The Velvet Underground. Ihre Solo-Alben sorgten durch einen experimentellen Klang und eine nihilistische Grundstimmung für Anerkennung und Inspiration bei vielen Musikern.

Nico, 1974

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Herkunft

Über Christa Päffgens Leben existieren unterschiedliche Angaben, so lassen sich besonders die frühen Jahre ihres Lebens schwer rekonstruieren.

Christa Päffgens Vater wurde kurz nach ihrer Geburt zur Wehrmacht eingezogen. Einige Quellen besagen, dass er im Zweiten Weltkrieg starb; nach anderen Quellen überlebte er den Krieg, kehrte aber nicht zu seiner Familie zurück. Auf der Flucht vor den Bombenangriffen der Alliierten zogen Mutter und Tochter 1940 nach Lübbenau/Spreewald. Christa Päffgens Onkel war dort Bahnhofsvorsteher, und so bezogen sie ein Haus in der Nähe des Bahnhofs. Margarete Päffgen, Christas Mutter, ging nach dem Krieg nach Berlin und arbeitete dort als Schneiderin.

Model und Schauspielerin

Mit 16 Jahren wurde Päffgen von dem Fotografen Herbert Tobias als Fotomodell entdeckt. 1954 ging sie von der Schule ab und arbeitete als Mannequin für den Modedesigner Heinz Oestergaard. Dieser verschaffte ihr einen Auftritt in Federico Fellinis Film La Dolce Vita (1960). 1956 (nach anderen Quellen 1959) zog sie aufgrund ihrer erfolgreichen Modellkarriere nach Paris. Dabei lernte sie den Filmemacher Nico Papatakis kennen. Sie experimentierte mit verschiedenen Künstlernamen, so nannte sie sich Christa Nico, Nico Otzak oder nur Nico, nach ihrem Lebensgefährten.

Nach den ersten Filmerfahrungen versuchte sie sich ernsthafter als Schauspielerin und besuchte in New York die Schauspielschule von Lee Strasberg. Sie lernte verschiedene Musiker und Produzenten kennen, wie Bob Dylan, Brian Jones von den Rolling Stones und Jimmy Page von Led Zeppelin. 1962 kam ihr Sohn Christian Aaron Päffgen, Ari genannt, zur Welt. Alain Delon, den Christa während der Dreharbeiten zu La Dolce Vita kennenlernte, wurde von ihr als Vater angegeben, sie versäumte jedoch, dies in der Geburtsurkunde anzugeben. Delon, zu der Zeit mit Romy Schneider liiert, bestritt und bestreitet bis heute die Vaterschaft. Ari Päffgen wuchs ab Ende der sechziger Jahre bei Delons Mutter, Edith Boulogne, in der Nähe von Paris auf und wurde später von deren zweitem Ehemann adoptiert, um ihn in die Familie zu integrieren, dabei aber zu vermeiden, dass Delons Sohn gleichzeitig sein Bruder wurde. Diese Adoption führte zu einem Bruch Delons mit seiner Mutter, der bis zum Tod von Edith Boulogne aufrechterhalten wurde. Erst mit 17 Jahren nahm Ari wieder Kontakt zu seiner Mutter auf.

Andy Warhol und der Weg zur Musik

1965 nahm Nico ihre erste Single I'm Not Sayin auf, erschienen auf Immediate, dem Label von Andrew Loog Oldham. In New York lernte sie Andy Warhol kennen und spielte in seinem Film The Chelsea Girls mit. Dieser brachte sie auch mit der Band The Velvet Underground zusammen, deren Debütalbum The Velvet Underground and Nico (1967) wesentlich durch Nicos Gesang geprägt ist, den ihre charakteristische tiefe Stimme und ihr Akzent unverwechselbar machen. Sie hatte eine kurze Liebesbeziehung zu Lou Reed von The Velvet Underground. Er war jedoch auch die treibende Kraft, die sie aus dem Bandkontext drängte (sie war nie offizielles Mitglied der Band). Nicos neuer Förderer wurde Reeds Bandkollege John Cale.

Nico, 1974

Solo-Karriere

1967 nahm sie in New York ihr erstes Solo-Album Chelsea Girl auf, auf dem sie Songs von Bob Dylan, Tim Hardin, Lou Reed, Jackson Browne und John Cale intonierte. Cale, der 1968 ebenfalls bei The Velvet Underground ausschied, produzierte für sie weiterhin. So entstand 1968 in Los Angeles das im darauf folgenden Jahr veröffentlichte Album The Marble Index, in dem sie sich vom süßlichen Pop ihres Debuts löste. Unter dem unmittelbaren Einfluss des Doors-Sängers Jim Morrison, der sie beim Songschreiben unterstützte,[1] wurde Nicos Musik immer unkonventioneller, war jedoch kommerziell nur wenig erfolgreich. Nico spielte unter anderem ein indisches Harmonium. „Es ist ein Kunstprodukt. Man kann Selbstmord nicht verpacken“, äußerte sich John Cale einmal zum kommerziellen Scheitern von The Marble Index.[2] Das Album Desertshore wurde 1970 in London ebenfalls von Cale produziert. Beide Werke wurden 2007 als remasterte Doppel-CD The Frozen Borderline 1968–1970 mit 17 Bonustiteln wiederveröffentlicht.

Auf ihren Alben fanden sich zahlreiche Gäste, wie Brian Eno, der heute als Erfinder des Ambients gilt, oder Phil Manzanera von Roxy Music.

1974 nahm sie das Album The End … auf, das von der Plattenfirma mit dem Spruch „Warum Selbstmord begehen, wenn Sie diese Platte kaufen können?” beworben wurde, was auf die beklemmend düstere Version des Titelliedes The End (im Original von den Doors) anspielte. Auf dem Album sang sie unter anderem das Deutschlandlied mit einem kleinen Fehler: In der dritten Strophe ersetzt sie … sind des Glückes Unterpfand durch für das deutsche Vaterland.

1981 nahm sie ihr vorletztes Studioalbum Drama of Exile auf. Die Master-Bänder kamen unter ungeklärten Umständen abhanden. Das Album wurde ein zweites Mal in etwas veränderter Besetzung aufgenommen. Beide Versionen kamen auf den Markt, Nico bezeichnete die auf der Erstfassung beruhende LP als Bootleg. 1985 nahm sie dann – wiederum mit John Cale als Produzenten – und begleitet von der Band the faction ihr nun endgültig letztes Studioalbum Camera Obscura auf.

Grabmal von Nico und ihrer Mutter auf dem Friedhof Grunewald-Forst

Tod

Nico, die über Jahrzehnte heroinabhängig war (allerdings Ende der 1980er Jahre nach einer Methadon-Therapie clean war)[3], starb am 18. Juli 1988 auf Ibiza an einem zu spät diagnostizierten und behandelten Aneurysma. Sie wurde am Rande Berlins auf dem Friedhof Grunewald-Forst (am Schildhorn) im Grab ihrer Mutter beigesetzt.

Bedeutung

Vor allem ihr kühles Image und die experimentellen und düsteren Töne ihrer Alben verschafften ihr zu Lebzeiten und auch nach ihrem Tod viele Bewunderer. So gilt sie als Vordenkerin von Dark Wave und Gothic, Künstler wie Siouxsie Sioux (Siouxsie and the Banshees), Ian Curtis (Joy Division) und Ian Astbury (The Southern Death Cult) zählen sie zu ihren Einflüssen. Peter Murphy (Bauhaus) bezeichnete Nicos Alben The Marble Index und The End sogar als erste richtige Gothic-Alben. Zusammen mit Nico stand Murphy im Oktober 1981 in Manchester auf der Bühne und beide sangen den Velvet-Underground-Hit I'm Waiting for the Man.[4] Aber auch Musiker anderer Genres, wie Ambient, Noise oder Punk, berufen sich auf Nico.

Nachruhm

Ein Brief eines unbekannten Fans an Nico auf ihrem Grab

1995 erschien über sie der vielbeachtete Dokumentarfilm Nico Icon der Kölner Regisseurin Susanne Ofteringer. Er wurde ein Jahr später auch vom Auftraggeber, dem ZDF, gesendet.

2002 wurde am Staatstheater Darmstadt Werner Fritschs Nico – Sphinx aus Eis uraufgeführt. Auf Grundlage des von Fritsch geschaffenen Monologs wurde auch ein Hörspiel produziert, das 2003 zum ersten Mal gesendet wurde. Darsteller der Nico im Theaterstück waren unter anderem Birgit Doll und Soap & Skin (2008)[5]

2007 wurde Nico eine Retrospektive bei der Cologne Conference gewidmet. Unter anderem waren selten aufgeführte Filme des französischen Regisseurs Philippe Garrel zu sehen, in denen Nico als Schauspielerin mitgewirkt hatte. In den 1970er Jahren war Garrel Nicos Lebensgefährte.

Das Kölner Museum für Angewandte Kunst widmet ihr 70 Jahre nach ihrem Geburtstag erstmalig eine multimediale Schau (30. Oktober 2008 – 1. Februar 2009), die Mode, Film und Musik Nicos zeigt. [6][7]

Am 17. Oktober 2008 fand ein Tribut-Konzert für Nico in Berlin statt, das von ihrem Ex-Gefährten Lüül, Lutz Ulbrich, moderiert wurde. Am Konzert an der Volksbühne Berlin, erschienen u.a. die deutsche Schlagersängerin Marianne Rosenberg, die österreichische Sängerin Anja Plaschg alias Soap&Skin, Marianne Enzensberger, James Young (der Keyboard-Spieler bei Nicos letzter Band The Faction) sowie Ari Boulogne (manchmal Ari Päffgen genannt), der Sohn von Nico, der schon 2001 in Frankreich ein Buch mit seinen Lebenserinnerungen unter dem Titel L'amour n'oublie jamais veröffentlichte, dessen Umschlag ein Foto von ihm und seiner Mutter zeigt.[8]

Auf dem 2004er Album der Indie-Band Angelika Express befindet sich das Stück Nico Päffgen, zudem findet sich auf dem 2005er Album der Emo-Rock-Band Anberlin die Hommage Dance, Dance Christa Päffgen.

Diskografie

  • 1967: The Velvet Underground and Nico
  • 1967: Chelsea Girl
  • 1969: The Marble Index
  • 1970: Desertshore
  • 1974: The End
  • 1974: June 1, 1974 (mit Kevin Ayers, John Cale und Brian Eno)
  • 1981: Drama of Exile
  • 1981: Lüül: Lüül (Gesang bei "Reich der Träume")
  • 1982: Do or Die: Diary 1982 (Nico in Europe)
  • 1984: Camera Obscura
  • 1985: Nico Live in Pécs
  • 1986: Live Heroes
  • 1986: Behind the Iron Curtain
  • 1987: Nico in Tokyo
posthum
  • 1989: Hanging Gardens
  • 1994: Heroine
  • 1994: Fata Morgana (Nico’s Last Concert), live 1988
  • 1998: The Classic Years
  • 2002: Innocent and Vain
  • 2007: All Tomorrow’s Parties (live 1983, Doppelalbum)
  • 2007: Nico: The Frozen Borderline

Literatur

  • Vagn Lundbye: Nico. Berg, Dänemark 1969
  • Richard Witts[9]: Nico: The Life and Lies of an Icon. Virgin Books, London 1993, ISBN 1852274700
  • James Young: Songs They Never Play on the Radio: Nico, the Last Bohemian Bloomsbury, London 1992 ISBN 0-7475-1194-2
    • Nico - Reise in die Finsternis: Die letzten Jahre einer Rock-Legende, Übersetzung von Rüdiger Völckers, VGS 1992, ISBN 3-8025-2233-8
    • Nico - The End, USA-Ausgabe, The Overlook Press, USA, 1993 ISBN 087951504X
    • Nico - Songs They Never Play on the Radio, Zweite Engl. Auflage, Arrow 1993, ISBN 0-09-927571-6
    • Nico - Songs They Never Play on the Radio, Dritte Engl. Auflage, Bloomsbury 1999, ISBN 0-7475-4411-5
  • Lutz Ulbrich: Lüül. Ein Musikerleben zwischen Agitation Free, Ashra, Nico, der Neuen Deutschen Welle und den 17 Hippies. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin, 2006, ISBN 3-89602-696-8
  • Ari (d.i. Ari Boulogne/Päffgen): L'amour n'oublie jamais. 1. Auflage. Pauvert, Paris 12. April 2001, ISBN 2-720-21400-0
  • Antoine Giacomoni: Nico. Photographies. Dragoon, Paris 2002
  • Nico, Jacques Pauvert, Ari Boulogne: Nico. Cible mouvante. Chansons, Poèmes, Journal. Pauvert, Paris 2001
Literatur inspiriert von Nicos Biographie

Einzelnachweise

  1. Stephen Davis: Jim Morrison – Life, Death, Legend. Gotham, New York 2004. S. 192.
  2. Dave Thompson: Schattenwelt. Helden und Legenden des Gothic Rock. Hannibal, Höfen 2004, ISBN 3-85445-236-5, S. 70.
  3. Alexandra Wach: Der Traum vom Abgrund, die Kölner Sängerin Nico wäre heute 70 geworden, in: Kölner Stadtanzeiger, Kultur, vom 16. Oktober 2008, S. 26
  4. Dave Thompson: Schattenwelt. Helden und Legenden des Gothic Rock. Hannibal, Höfen 2004, ISBN 3-85445-236-5, S. 154–158.
  5. kulturwoche.at Nico - Sphinx aus Eis im brut im Künstlerhaus
  6. museenkoeln.de Nico – Köln, Berlin, Paris, New York – Stationen einer Popikone Museum für Angewandte Kunst Köln: 30. Oktober 2008 bis 1. Februar 2009
  7. Alexandra Wach (KStA)
  8. Serge Mironneau: L'amour n'oublie jamais. In: Nico, Bibliography (http://smironne.free.fr/NICO/book.html). 2. Januar 2008, abgerufen am 18. Oktober 2008.
    Ari Boulogne: L'amour n'oublie jamais. 1. Auflage. Pauvert, Paris 12. April 2001, ISBN 2-720-21400-0 (Auf Französisch).
  9. http://www.richardwitts.com/ Richard Witts website
  10. kulturstiftung-des-bundes.de Nico – Sphinx aus Eis. Ein Theaterprojekt an den Sophiensaelen Berlin
  11. lyrikwelt.de Nico - Sphinx aus Eis. Monolog von Werner Fritsch (2005, Suhrkamp). Besprechung von Wolfgang Lange in Neue Züricher Zeitung vom 19.04.2005

Weblinks

 Commons: Nico – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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