Volksbühne Berlin

Volksbühne Berlin
Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (2010)

Die Volksbühne Berlin (heute: Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz) entstand 1890 während einer Gründungsversammlung des Vereins „Freie Volksbühne“. Von ihr spaltete sich im Jahr 1892 vorübergehend die Neue Freie Volksbühne ab, die durch den starken Zuwachs ab 1902 genug Mittel erhielt, sich auch ein eigenes Gebäude zu bauen.

Das heutige Theater befindet sich am Rosa-Luxemburg-Platz im Ortsteil Mitte. Es wurde zwar vor dem Ersten Weltkrieg als gemeinsames Haus der (später wiedervereinten) „Freien Volksbühne“ und der „Neuen Freien Volksbühne“ erbaut, hatte als solches jedoch nur bis zum 17. Mai 1933 Bestand. Ab 1947 wurde das Haus als „Volksbühne“ unter Hoheit des FDGB bespielt. Nach dem Mauerfall übernahm es Frank Castorf.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Gebäude in seiner ursprünglichen Fassung vor der Zerstörung im Krieg (Foto von 1930)
Volksbühne vom Berliner Fernsehturm aus gesehen
Die Volksbühne im Januar 2009

Durch Spenden der Mitglieder, sogenannte „Arbeitergroschen“, konnten beträchtliche Summen aufgewendet werden, um mit dem Bau eines Theaters zu beginnen. Von 1913 bis 1914 wurde es nach Plänen des Architekten Oskar Kaufmann am damaligen Bülowplatz errichtet. Als erstes Theater Berlins präsentierte es sich im Stil der Moderne und war für etwa 2000 Personen ausgelegt.[1]

Der zweite Intendant der Volksbühne am Bülowplatz, der heute Rosa-Luxemburg-Platz heißt, war von 1915 bis 1918 Max Reinhardt. Sein Nach-Nachfolger Fritz Holl engagierte den Theaterreformer Erwin Piscator, der mit seinen Arbeiten als Oberspielleiter der Volksbühne von 1924 bis 1927 zum Begründer des politischen Theaters wurde. So setzte Piscator Satireabende, Sprechchorwerke und politische Revuen im Auftrag der KPD in Szene, in denen er erstmals den Einsatz filmischer Mittel erprobte.

In der nationalsozialistischen Zeit wurden zwei Spieleinrichtungen, das Theater am Horst-Wessel-Platz und das Theater in der Saarlandstraße unter dem Namen Volksbühne zusammengefasst.[1]

Nach schweren Kriegszerstörungen und einer Zwischennutzung der Fläche vor dem Gebäude als Platz für die Berliner Trümmerbahn begann der Wiederaufbau des Hauses. Dazu wurde 1948 ein Wettbewerb organisiert, nach dem vorerst moderne Formen verwendet wurden, wie sie die seitlichen Anbauten dokumentieren. Der prägende Wiederaufbau von 1952 bis 1954 nach einem Entwurf von Hans Richter hatte zum Ziel, „[…] unter weitgehender Benutzung des alten Mauerbestandes ein neues Theater zu bauen.“ Die Wiederherstellung der Umfassungsmauern mit der monumental geschwungenen Hauptfront mit sechs Muschelkalksäulen verzichtete auf den bildkünstlerischen Schmuck von Franz Metzner, behielt aber die äußere Form bei. Anstelle der Kupferhaube und des Dachtambours wurden Flachdächer errichtet, somit erhielt das Bühnenhaus einen geraden Abschluss. Durch die Begradigung der elegant schwingenden Linien der Dachlandschaft erhielt der Baukörper eine wuchtigere stadträumliche Wirkung.

Von 1974 bis 1977 prägte Benno Besson als Künstlerischer Oberleiter und Intendant das Erscheinungsbild der Volksbühne.

Intendanz Castorf

Bühnenbild zu Die Zofen (2009)

Unter dem neunzehnten Intendanten Frank Castorf sorgte das Theater seit 1992 immer wieder für Schlagzeilen. Neben Castorf entwickelten hier Regisseure wie Christoph Marthaler, Christoph Schlingensief, Dimiter Gotscheff und René Pollesch einige ihrer Inszenierungen. Das Ensemble ist berühmt für seine Schauspieler wie Henry Hübchen, Ralf Dittrich, Sophie Rois, Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr, Kathrin Angerer, Bernhard Schütz, Herbert Fritsch, Martin Wuttke, Alexander Scheer, Ursula Karusseit und Klaus Mertens, von denen die meisten die Bühne inzwischen jedoch wieder verlassen haben.[2]

Seit 1992 nutzt die Volksbühne eine weitere Spielstätte im traditionsreichen Altberliner Prater in der Kastanienallee im Stadtteil Prenzlauer Berg. Hier öffnet sich das Theater der Performance-Szene und gibt neben René Pollesch Gruppen wie Gob Squad, Forced Entertainment und She She Pop die Möglichkeit, ihre Arbeiten zu zeigen. Darüber hinaus existiert seit 1993 das Jugendtheater der Volksbühne P14.

2000 wurde Endstation Amerika als beste deutschsprachige Aufführung und beste Ausstattung für den Nestroy-Theaterpreis nominiert. 2003 konnten Bert Neumann und Jan Speckenbach für Forever Young den Nestroy-Theaterpreis für die beste Ausstattung gewinnen. 2006 erhielt Katrin Brack den Faust-Theaterpreis für das Bühnenbild nur aus Theaternebel in der Inszenierung Iwanow von Dimiter Gotscheff.

Von März bis Oktober 2009 wurde das Haus saniert und war geschlossen. Neben dem Austausch der über fünfzig Jahre alten Bühnentechnik wurden der Zuschauerraum, die Verwaltungsbüros und der Brandschutz erneuert. Das Ensemble nutzte während der Bauphase stattdessen den Prater im Bezirk Prenzlauer Berg. Von Mai bis August 2009 gab es außerdem Freilichtbühnen-Vorführungen auf dem Vorplatz der Volksbühne in einem provisorisch errichteten Amphitheater.[3] Am 11. November 2009 wurde das Große Haus der Volksbühne schließlich wiedereröffnet.[4]

Intendanten

1914–1932 1932–1965 seit 1965
Emil Lessing (1914–1915) Heinz Hilpert (1932–1934) Karl Holán (1965–1974)
Max Reinhardt (1915–1918) Bernhard zu Solms-Laubach (1934–1936) Benno Besson (1974–1978)
Friedrich Kayßler (1918–1923) Eugen Klöpfer (1936–1944) Fritz Rödel (1978–1990)
Fritz Holl (1923–1928) Fritz Wisten (1953–1961) W. Wagner, M. van de Kamp, A. Hahn (1990–1991)
Heinrich Neft (1928–1929) Wolfgang Heinz (1961–1963) Annegret Hahn (1991–1992)
Karl Heinz Martin (1929–1932) Maxim Vallentin (1963–1965) Frank Castorf (seit 1992)

Siehe auch

Literatur

  • Tanja Bogusz: Institution und Utopie: Ost-West-Transformationen an der Berliner Volksbühne. Transcript, Bielefeld 2007.
  • Heinrich Braulich: Die Volksbühne. Theater und Politik in der deutschen Volksbühnenbewegung. Henschel, Berlin (DDR) 1976.
  • Cecil Davis: Volksbuhne Movement: A History. Routledge Chapman & Hall, Amsterdam 2000.
  • Thomas Irmer und Harald Müller (Hrsg.): Zehn Jahre Volksbühne: Intendanz Frank Castorf. Theater der Zeit, Berlin 2002.
  • Ute Kiehn: Theater im „Dritten Reich“: Volksbühne Berlin. wvb, Berlin 2001.
  • Siegfried Nestriepke: Geschichte der Volksbühne Berlin. 1. Teil: 1890 bis 1914. Volksbühne, Berlin 1930.
  • Hans-Dieter Schütt und Kirsten Hehmeyer: Castorfs Volksbühne. Schöne Bilder vom häßlichen Leben. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1999.
  • Almut Schwerd: Zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus. Zur Geschichte der Volksbühne von 1918–1933. von Koch, Planegg 1982.
  • Dieter Weigert: Das Theater in der urbanen Wüste. Der Bau der Volksbühne am Bülowplatz. In: Berlinische Monatsschrift 4/2000 beim Luisenstädtischen Bildungsverein

Weblinks

 Commons: Volksbühne Berlin – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Innenansicht der Volksbühne im Berliner Adressbuch von 1940
  2. Matthias Heine: Volksbühne Berlin: Fluchtpunkt Oberhausen. In: Die Welt Online, 10. März 2010
  3. Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wird saniert Presseerklärung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, 19. Februar 2009
  4. Volksbühne wird eröffnet. In: Tagesspiegel, 11. November 2009
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