Lutz Ulbrich

Lutz Ulbrich

Lüül, bürgerlich Lutz Ulbrich, (* 30. November 1952 in Berlin-Charlottenburg), ist ein deutscher Sänger, Gitarrist, Texter, Komponist und Schauspieler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

60er

Inspiriert durch die Beatles erlernte er mit zwölf Jahren das klassische Gitarrenspiel bei derselben Lehrerin, die Manuel Göttsching unterrichtete. Erste musikalische Gehversuche unternahm er ab 1965 mit der Schülergruppe The Tigers sowie The Sentries. Anlässlich des Berliner Oktoberfests 1967 gründete Lüül mit Jugendfreund Christoph Franke sowie Lutz Ludwig Kramer und Michael Günter die Gruppe The Agitation aus denen schließlich Agitation Free wurden. Lüül spielte die zweite Gitarre in der Gruppe, die von Leadgitarrist Lutz Ludwig Kramer maßgeblich geprägt wurde. Später verließ Kramer die Gruppe und schloss sich Walpurgis an.

70er

Nach dem Ende von Agitation Free 1974 blieb Lüül in Frankreich und arbeitete als Straßenmusiker. Manuel Göttsching, auf den sich Ash Ra Tempel mittlerweile reduziert hatte, benötigte Unterstützung und so stieg Lüül zunächst für Live-Konzerte und schließlich auch für Studioaufnahmen bei Ash Ra Tempel ein. Ferner steuerten Göttsching und Ulbrich 1975 den Soundtrack für den Film „Berceau de Cristal“ von Philippe Garrel bei, in dem Nico, Anita Pallenberg und Dominique Sanda spielten.

Fortan spielte Lüül auch Keyboards, um Manuel Göttsching mehr Raum für das Gitarrenspiel zu geben. Eine kurzzeitige Reunion von Agitation Free 1976 wurde für das Album „Last“ festgehalten. Im selben Jahr unterstützte er seinen ehemaligen Bandkollegen bei Agitation Free, Michael Hoenig, auf seinem Debüt-Album „Departure from the Northern Wasteland“. Bei einem Festival in Frankreich lernte 1973 Lüül die Sängerin und Musikerin Nico kennen, mit der er die nächsten Jahre ein Paar bildete und parallel zu Ashra, wie sich die Gruppe fortan nannte, primär live zusammen arbeitete. So begleitete er Nico 1976 als Gitarrist auf Tourneen in Spanien, Frankreich und Holland.

Um den ex-Wallenstein Schlagzeuger Harald Großkopf erweitert, gingen Ashra 1977 auf ausgedehnte Tournee in der Schweiz, Frankreich und Belgien. 1978 spielte Lüül mit Ashra das Album „Correlations“ ein, das in den Erd-Studios und Studio Roma, Berlin sowie den Frankfurter Panne-Paulsen-Studios von Mick Glossop produziert wurde. 1979 gingen Nico und Lüül auf Tournee in den USA bzw. Kanada und spielten dort u.a. mit John Cale im CBGB’s sowie dem Whiskey A Gogo.

80er

1980 veröffentlichte Ashra das letzte Album für Virgin Records „Belle Alliance“, das lediglich in Deutschland erschien. Im selben Jahr begann er mit den Aufnahmen für sein erstes Solo-Album „Lüül“, für das er unter anderen das von Nico gesungene „Reich der Träume“ schrieb. Das Album, produziert von Christopher Franke und unter anderen eingespielt mit Harald Großkopf, enthielt auch das Lied „Morgens in der U-Bahn“, das zunächst auf dem Ahorn Records-Sampler „Deutsche Welle“ 1981 erschienen war. Die eingängige Popnummer entsprach dem Zeitgeist der aufkommenden Neuen Deutsche Welle (NDW) und entwickelte sich zu einem Hit in der Independent Hitparade, der auch in der CSSR 1982 als Single veröffentlicht wurde. Im westdeutschen Fernsehen bewarb er die Single mit Auftritten in den Shows „Formel Eins“ (ARD) und „WWF-Club“ (NDR). "Morgens in der U-Bahn" ist einer der ersten Lieder in der deutschen Popgeschichte, die einen Sprechgesang vorweisen und unterstreicht seinen Pionierstatus in der deutschen Rockgeschichte als Protorapper. Lüüls bisweilen kehliger Gesang auf dem eher dem New Wave als der NDW verhafteten Stück, das Einflüsse der New Yorker Band Suicide aufweist .

Inspiriert durch diese Erfolge spielte er 1982 sein zweites Solo-Album „Lüül und ich“ ein, das 1983 erschien und seine kompositorischen Fähigkeiten und stilistische Wandlungsfähigkeit zwischen Wave, Pop und Lied unterstrich. So adaptierte er Heinz Rühmanns „Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frau’n“ auf augenzwinkernde Art. Parallel zu seiner Musikkarriere gründete Lüül das Rocktheater Reineke Fuchs mit und spielte in Theaterproduktionen (“Der Tod des James Dean” und „Erich Mühsam Revue“) mit. Darüber hinaus schrieb er Musik für Theaterstücke und Hörspiele. In den 1980ern spielte er weiterhin sporadisch mit Ashra, so 1985 auf der „Ars Electronica“ in Sheffield, und betätigte sich aufgrund seiner vielfältigen Kontakte in der Berliner Szene als Festival-Organisator. So z.B. für das Event "Wüstenklänge im Planetarium", das im Rahmen der Reihe "Berlin Europäische Kulturhauptstadt Europas E 88“ stattfand.

90er

1995 kam es zu einer kurzfristigen Reunion von Agitation Free mit der Produktion „Fragments“. 1996 erschien sein drittes Solo-Album „Mond von Moabit“, das allgemein die Berliner Szene und im Detail das Leben in seinem Moabiter Mietshaus zum Thema hatte. Lüül erwies sich als hörbar reifer gewordenen Songwriter, der mit typisch Berliner Feinsinn und Selbstironie die Allüren und Spleens seiner Mitmenschen liebenswert dokumentierte. Er formierte die 5 Sterne Combo, um die Platte live zu bewerben. In dem vielfach preisgekrönten Dokumentarfilm „Nico-Icon“ (1996) trat Lüül unter anderen auf und erzählt über sein Leben mit Nico. Im selben Jahr gründet er mit anderen Berliner Musikern die Band 17 Hippies, der er bis heute als Banjospieler angehört. Eine Japan-Tournee mit Ashra – bestehend aus Manuel Göttsching, Harald Großkopf, Lüül und Steve Baltes – war 1997 ein großer Erfolg, die auch auf Tonträger dokumentiert wurde. Die 17 Hippies spielten in den späten 1990ern viele Konzerte, die sie mit dem Livealbum „Rock'n'Roll 13“ dokumentierten. Darüber hinaus erstellten sie auch den Weltrekord für die meisten Konzerte an einem Tag (17 anlässlich der Fête de la Musique Berlin).

Anlässlich seines 45. Geburtstages organisierte Lüül 1997 eine Gala im Tränenpalast. Agitation Free, Ashra, Rocktheater Reineke Fuchs, 17 Hippies feierten ebenfalls mit und gratulierten dem Geburtstagskind. Im selben Jahr erschien sein viertes Solo-Album „Ahoi“, das seine 1993er Süd- und Mittelamerika-Reise zum Thema hat. Das rein akustische Album nahm er mit 17 Hippies-Kollegen auf. So spielte er speziell für dieses Album eine neue Version des Liedes „Bargeld“ ein und schrieb mit „Bahnhof“ einen Klassiker, den er durch seine psychedelische Leadgitarre veredelte. Die 17 Hippies gingen 1998 nach USA und traten dort bei dem legendären SXSW in Austin, Texas, auf. Ashra veröffentlichten die Liveaufnahmen mit Lüül beim KLEM Festival in Nijmegen auf dem Album „Sauce Hollandaise“. Die von Bernhard Potschka (ex-Spliff) produzierten Aufnahmen der reformierten Agitation Free erschienen 1999 auf dem Album „River of Return“. Die 17 Hippies veröffentlichten im selben Jahr das Album „Wer ist das?“ und drehten ein Video unter der Regie von Wolfgang Becker („Good Bye, Lenin!“).

Seit 2000

2000 entstand der Trance Groove Remix von „Reich der Träume“ mit Nico-Gesang, das erstmals 1982 auf seinem ersten Solo-Album erschienen war. Neben dem Soundtrack für den preisgekrönten Film „Halbe Treppe“ , in dem die 17 Hippies auch auftreten, veröffentlichte Lüül 2001 die Doppel-CD „Kurzmusiken“, die verschiedene, rein instrumentale Theater- und Filmmusiken erstmals auf Tonträger vereinte und für Freunde der Berliner Elektronik höchst interessant war.

Eine Reunion von Ashra auf dem Burg Herzberg-Festival wurde 2001 ein Erfolg. Neben den 17 Hippies trat Lüül in der Folgezeit entweder solo bzw. mit Begleitung in Trio- und Quartettform auf. So wurden die Lieder für das Album „Damenbesuch“, das 2004 erschien, in folgender Besetzung aufgenommen: Kruisko (Akkordeon), Kerstin Kaernbach (Violine) und Klaus Janek (Kontrabass).

Das Album, das er mit einer großen Deutschland-Tournee bewarb, so unter anderen auf dem Nürnberger Bardentreffen, erhielt hervorragende Kritiken und wurde mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik in der Sparte Chansons, Songs und Lieder [1] ausgezeichnet. Stefan Krulle bezeichnete Lüüls Alben wie „Damenbesuch“ als „humorigste Aufnahmen der Comedy Republik-Germanien, deren Gegenmodell sie gleichsam stellen, weil ihm für Comedy jeder Hang zum Flachsinn fehlt. Irgendwie scheint Lüül am Ziel angekommen. Zumindest sucht er nicht länger wie die Motte nach dem Licht. Das kann in ein paar Monaten aber schon wieder völlig anders sein.“ [2]

2006 erschien seine Autobiographie „Lüül. Ein Musikerleben zwischen Agitation Free, Ashra, Nico, der Neuen Deutschen Welle und den 17 Hippies“ im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, in denen er sein wechselvolles Musikerleben Revue passieren ließ. Neben kurzen, unterhaltsamen Anekdoten beschrieb er, wie bereits in dem Film „Nico-Icon“, unter anderen schonungslos sein Leben mit Nico. Für den Leser ist es faszinierend, das Leben Ulbrichs als Wandler zwischen den Welten - zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik, zwischen der alten und der neuen Welt sowie verschiedenen musikalischen Stilen vom zerbombten Nachkriegsberlin der Wirtschaftswundergeneration bis zur Gegenwart - nachzuvollziehen. Bemerkenswert sind auch die politischen und gesellschaftlichen Bezüge, die Ulbrich bisweilen überraschend herstellt.

Parallel dazu erschien 2006 mit „Zeitreise“ eine Retrospektive seiner verschiedenen musikalischen Stationen.

Im Januar 2008 erschien das Album „Spielmann“, das Lüül wieder mit der Besetzung Kerstin Kaernbach (Geige), Kruisko (Akkordeon) und Klaus Janek (Bass) sowie den Gästen Danny Dziuk (Orgel) und diversen 17 Hippies-Musikern aufnahm. Gitt Gülden schrieb, dass „seine Weltreisen deutlich durchklingen: Polkaschwof, Cajunwalzer, Reaggae, Raga, Rumba. Hier kommen sich die Völker näher, in 13 Liedern einmal um die Welt. Und komisch ist er sowieso.“ [3] Lutz Ulbrich steht neben Manuel Göttsching und Mani Neumeier (Guru Guru) als eine von 160 Weltpersönlichkeiten im Tokyoter Wachsmuseum. Am 17. Oktober 2008 moderierte und nahm Lutz Ulbrich teil an einem Tribut-Konzert für seine Ex-Gefährtin Nico. Am Konzert an der Volksbühne Berlin erschienen auch u. a. die deutsche Schlagersängerin Marianne Rosenberg, Marianne Enzensberger, James Young (der Keyboard-Spieler bei Nicos letzter Band The Faction) und Ari Boulogne, der Sohn von Nico.

Diskografie (solo)

  • Lüül – GeeBee Records – 1982 – LP (als CD wiederveröffentlicht auf Spalax Records)
  • Lüül und ich – GeeBee Records – 1983 - LP
  • Mond von Moabit – Pool Musikproduktion – 1996 - CD
  • Ahoi – Hipster Records – 1997 – CD (Wiederveröffentlichung: 2006 auf Grundsound / Indigo)
  • Kurzmusiken – Manikin Records – 2001 - DoCD
  • Damenbesuch – Grundsound / Indigo – 2004 - CD
  • Zeitreise – Grundsound / Indigo – 2006 – CD (Sampler)
  • Spielmann - Grundsound / Indigo - 2008

Literatur

  • Lutz Ulbrich: Lüül. Ein Musikerleben zwischen Agitation Free, Ashra, Nico, der Neuen Deutschen Welle und den 17 Hippies – Schwarzkopf & Schwarzkopf – Berlin 2006, ISBN 3-89602-696-8
  • Graf, Christian: "Das NDW-Lexikon" - Schwarzkopf & Schwarzkopf - Berlin 2003, ISBN 3-89602-529-5 (zur NDW-Phase)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.schallplattenkritik.de/li/2004-4.html
  2. Stefan Krulle zitiert in WOM-Journal 5/2006
  3. Gitti Gülden zitiert in WOM-Journal 2/2008

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