Niederkirchnerstraße

Niederkirchnerstraße
Niederkirchnerstraße; links das Hauptgebäude des Bundesfinanzministeriums an der Wilhelmstraße, rechts ein Teilstück der Berliner Mauer

Die Niederkirchnerstraße ist eine Straße im Berliner Ortsteil Mitte an der Südgrenze des gleichnamigen Bezirks zum Ortsteil Kreuzberg (Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg) im Bereich des ehemaligen Verlaufes der Mauer. Sie ist benannt nach Käthe Niederkirchner, einer Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime. Vor 1951 trug diese Straße den Namen Prinz-Albrecht-Straße. Unter diesem Namen wurde sie von 1933 bis 1945 ein Synonym für den Terrorapparat der NS-Diktatur, weil die Gestapo-Zentrale, das Reichssicherheitshauptamt und die SS dort ihren Sitz hatten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Straße wurde in den 1870er Jahren unter dem Arbeitstitel Verlängerte Zimmerstraße als Privatstraße angelegt. Überwiegend geschah dies auf dem nördlichen Rand des Parks zum Prinz-Albrecht-Palais. 1891 erhielt sie ihre offizielle Widmung nach dem vormaligen Eigentümer des Stadtpalais.

In der Art der Anlage als Verbindung von der Wilhelmstraße zur bisherigen Akzisemauer durch ein langgestrecktes Parkgrundstück ist sie mit der kurz zuvor in gleicher Weise angelegten Voßstraße vergleichbar, die ebenfalls so dicht am Leipziger Platz verläuft, dass sie die Rückseite der dortigen Repräsentationsgebäude bildet.

Nach 1933 wurde die Prinz-Albrecht-Straße zur Schaltzentrale des „SS-Staates“, die sich durch die unmittelbare Nachbarschaft zum Regierungsviertel in der Wilhelmstraße auszeichnete.

Während auf der nördlichen Straßenseite die meisten Gebäude im Zweiten Weltkrieg meist unzerstört blieben, waren sie auf der südlichen – zum Ortsteil Kreuzberg gehörenden – Seite stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

Das gesamte Straßenland einschließlich der Gehwege gehört zum Bezirk Mitte. Deshalb verlief hier auch von 1961 bis 1990 die Berliner Mauer. Diese war – wie allgemein üblich – etwa anderthalb Meter auf die Ost-Berliner Seite zurückversetzt gebaut worden, sodass die DDR-Grenztruppen auf eigenem Territorium Bau- und Sanierungsarbeiten ausführen konnten. Die Grundstücke 1 bis 6 liegen im Bezirk Mitte, die Nummern 7 bis 9 im damaligen Westteil der Stadt.

Grundstücke

Nr. 1 bis 3

Die Bebauung auf der nördlichen Straßenseite ab der Wilhelmstraße erlangte keine besondere historische Bedeutung. Ab 1935 wurde hier das Reichsluftfahrtministerium errichtet.

Nr. 4

Das Grundstück war der Park des Preußischen Kriegsministeriums, der von dem Straßenbauprojekt durchschnitten worden war. Es blieb unbebaut und wurde mit den Grundstücken 1 bis 3 Teil des Reichsluftfahrtministeriums, ist jedoch bis heute ohne größere Baulichkeiten Freifläche geblieben.

Nr. 5

Das Gebäude für das Abgeordnetenhaus – die Zweite Kammer des Preußischen Landtags – wurde hier 1892 bis 1898 durch Friedrich Schulze gebaut. Auf der repräsentativeren Seite des Geländes an der Leipziger Straße wurde anschließend die Erste Kammer, das Herrenhaus, gebaut. Beide Bauteile wurden über einen Mitteltrakt mit Wirtschaftsgebäuden und Kantine verbunden.

Heute ist es als Abgeordnetenhaus von Berlin der Sitz des Berliner Landesparlaments.

Nr. 6

Auf dem nördlichen Eckgrundstück zur Königgrätzer Straße, dann Stresemannstraße, befanden sich Lokale und Unterhaltungsbetriebe.

Eckgrundstück

Auf der südlichen Straßenseite lag ab 1886 auch das Völkerkundemuseum, das aber im Kataster zur Königgrätzer bzw. Stresemannstraße geführt wurde.

Nr. 7

1881 wurde das Kunstgewerbemuseum errichtet, der heutige Martin-Gropius-Bau. Das Museum beherbergte auch die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin. Als die ausgebrannte Ruine 1977 von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dem Land Berlin übereignet wurde, widmete man es im Grundbuch um von „Prinz-Albrecht-Straße 7“ in „Stresemannstraße 110“. Heute ist es als „Niederkirchnerstraße 7“ eingetragen. Es ist das einzige auf dieser Straßenseite erhalten gebliebene Gebäude.

Nr. 8
Gebäude Prinz-Albrecht-Straße Nr. 8 im Jahr 1933

1901 bis 1905 errichtete die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums nach Plänen des Geheimen Oberbaurates Oskar Hoßfeld einen Erweiterungsbau, da die bisherigen Räumlichkeiten im benachbarten Gebäude des Kunstgewerbemuseums nicht mehr ausreichten. 1924 vereinigte sich die Unterrichtsanstalt mit der Hochschule für die Bildenden Künste zur neuen „Vereinigten Staatsschule für Freie und Angewandte Kunst“ und zog in die Charlottenburger Hardenbergstraße 33 um, wo sich bis heute ein Standort der UdK befindet. Die leerstehenden Räume der Unterrichtsanstalt und die Ateliers im Mansardengeschoss wurden vermietet.

Das „Prinz-Albrecht-Gelände“ wurde erstmals im Mai 1933 durch die NS-Diktatur genutzt, als in das Gebäude der ehemaligen Kunstgewerbeschule in der Prinz-Albrecht-Straße 8 das neugeschaffene Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa) einzog. Heute besteht dieses Gebäude nicht mehr. Nur einige Kellerfundamente sind freigelegt worden und gehören zur Ausstellung Topographie des Terrors.

Nr. 9

1888 war hier das „Hotel Römerbad“ errichtet worden, später „Hotel Prinz Albrecht“.

Als Himmler im April 1934 zum „Inspekteur“ der Gestapo ernannt wurde, verlegte er als Reichsführer-SS den Verwaltungsapparat der SS sowie den Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS (SD) von München nach Berlin. Er selbst zog mit seinem Führungsstab in das ehemalige Hotel neben die Gestapo-Zentrale.

Der SD der SS und ab 1939 das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) bezogen das sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindliche Prinz-Albrecht-Palais in der damaligen Wilhelmstraße 102, dessen Grundstück auf der Hofseite direkt angrenzte. Nachdem die bereits von der NSDAP genutzten dazwischen liegenden Gebäude an der Ecke zur Wilhelmstraße ebenfalls in den Komplex einbezogen worden waren, ergab sich ein entscheidendes Machtzentrum der Diktatur. Nach 1939 reichten die Gebäude des Komplexes nicht mehr aus und viele Dienststellen wurden in ganz Berlin angesiedelt.

Eckgrundstück

Das Eckgebäude zählte zur damaligen Wilhelmstraße 98.

Prinz-Albrecht-Gelände

Heute existiert keines der Gebäude Nr. 8, 9 und Wilhelmstraße 98–107 mehr. Soweit sie als Ruinen nach 1945 noch standen, wurden sie Mitte der fünfziger Jahre abgerissen. Das Areal wurde teilweise abgeräumt. Die Erinnerung an die Geschichte schien erfolgreich ausgelöscht. Die Brachflächen am Rand der Mauer wurden vergessen.

Literatur

  • Erika Bucholtz: Die Zentralen des nationalsozialistischen SS- und Polizeistaats. Gebäudenutzung und Bauplanung in Berlin 1933–1945. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 52. Heft 12, 2004, S. 1106–1125 (PDF 231kB).

Weblinks

 Commons: Niederkirchnerstraße – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


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