- Preußen contra Reich
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Preußen contra Reich ist ein Rechtsstreit, der 1932 vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich in Reaktion auf den Preußenschlag ausgetragen wurde.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Durch eine auf Artikel 48 Absätze 1 und 2 der Weimarer Verfassung gestützte (Not-)Verordnung des Reichspräsidenten betreffend die Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Landes Preußen vom 20. Juli 1932 (RGBl. I S. 377) setzte Reichspräsident von Hindenburg den Reichskanzler von Papen zum Reichskommissar für das Land Preußen ein und brachte das Land so unter Reichskontrolle (sog. Preußenschlag).
Reaktion
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
Das Land Preußen, vertreten durch das Preußische Staatsministerium, sowie die Fraktion des Zentrums und die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Preußischen Landtag stellten daraufhin vor dem Staatsgerichtshof einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Deutsche Reich (StGH. 15/32).
Die Antragsteller bestritten die Verfassungsmäßigkeit der Verordnung und beantragten, dem eingesetzten Reichskommissar im Wege der einstweiligen Verfügung die Dienstausübung zu untersagen. In der am 23. und 25. Juli stattfindenden mündlichen Verhandlung änderte das Preußische Staatsministerium seinen Antrag ab und begehrte nun die Anordnung, dass die Reichskommissare sich nicht als Preußischer Ministerpräsident, Preußischer Staatsminister oder Mitglied der Preußischen Landesregierung bezeichnen dürften, dass sie den Preußischen Staatsministern nicht die Eigenschaft als Staatsminister absprechen dürften, dass sie und ihre Vertreter nicht ohne Vollmacht der Staatsminister Preußen im Reichstag vertreten oder den Mitgliedern der Preußischen Staatsregierung das Recht zur Vertretung Preußens im Reichsrat und zur Instruktion der Reichsratsbevollmächtigten entziehen dürfte und schließlich, dass sie keine Beamtenernennungen oder -absetzungen mit dauernder Wirkung vornehmen dürften. Die beiden Landtagsfraktionen blieben bei ihrem ursprünglichen Antrag.
Mit der Begründung, dass eine einstweilige Verfügung nur zu erlassen sei, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erschiene, und im vorliegenden Fall durch eine Verfügung keine Verringerung der Schwierigkeiten zu erwarten sei, wies der Staatsgerichtshof den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab (RGZ 137, Anhang S. 65 bis 71). Der Staatsgerichtshof hatte überdies ausgeführt, dass die Antragseinzelforderungen nur in dem Sinne verstanden werden könne, dass "der Staatsgerichtshof [...] eine Teilung der Gewalten vornehmen [möge]", und er dem nicht entsprechen könne.
Das Hauptsacheverfahren
Der Staatsgerichtshof verband verschiedene Anträge auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Einsetzung eines Reichskommissars für das Land Preußen und andere (StGH. 15, 16, 17 u. 19/32) für das Hauptsacheverfahren zu einer Streitsache.
Die Beteiligten
Zur ersten Gruppe der Antragsteller gehörten das Land Preußen, vertreten durch das Preußische Staatsministerium sowie die Zentrumsfraktion und die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Preußischen Landtage; Antragsgegner war das Deutsche Reich.
Zur zweiten Gruppe gehörten der Preußische Ministerpräsident Otto Braun sowie die Preußischen Minister des Innern Carl Severing, für Wohlfahrt Heinrich Hirtsiefer, für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Steiger, für Handel und Gewerbe Schreiber, der Justiz Schmidt, für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Adolf Grimme und der Finanzen Klepper. Antragsgegner waren hier das Deutsche Reich und der Reichskanzler als Reichskommissar für Preußen.
Der dritte Antrag war der des Landes Bayern gegen das Deutsche Reich; der vierte der des Landes Baden, beide ebenfalls gegen das Deutsche Reich.
Die Prozessvertretung der Reichsregierung erfolgte durch Carl Schmitt, Erwin Jacobi und Carl Bilfinger. Die SPD-Fraktion des Preußischen Landtags wurde durch Hermann Heller vertreten. Vertreter der Preußischen Landesregierung war Ministerialdirektor im Staatsministerium Arnold Brecht.
Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs
Nach der mündlichen Verhandlung vom 10., 14. und 17. Oktober 1932 fällte der Staatsgerichtshof am 25. Oktober seine Entscheidung (RGZ 138, Anhang S. 1 bis 43).
Eine wirkliche Prüfung bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen einer erheblichen Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nahm der Staatsgerichtshof dabei allerdings nicht vor. Er erklärte die Notverordnung für verfassungsgemäß, soweit sie den Reichskanzler zum Reichskommissar für Preußen bestellte und diesen ermächtigte, preußischen Landesministern vorübergehend Amtsbefugnisse zu entziehen und diese Befugnisse selbst zu übernehmen oder anderen Reichskommissaren zu übertragen. Die Verordnung hätte sich jedoch nicht auf die Vertretung Preußens im Reichsrat oder sonst gegenüber Reich oder Preußischem Landtag erstrecken können.
Literatur
- Henning Grund, "Preußenschlag" und Staatsgerichtshof im Jahre 1932, 1976.
- Jürgen Bay, Der Preußenkonflikt 1932/1933 - Ein Kapitel aus der Verfassungsgeschichte der Weimarer Republik, Erlangen 1965.
- Gabriel Seiberth: Anwalt des Reiches. Carl Schmitt und der Prozess „Preußen contra Reich“ vor dem Staatsgerichtshof. Berlin 2001, zugleich Dissertation, Freie Universität Berlin 2000, ISBN 3-42810444-7.
- Heinrich Triepel, Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs im Verfassungsstreite zwischen Preußen und dem Reiche. Ein Schlußwort, in: Deutsche Juristen-Zeitung (DJZ) 1932, S. 1501 bis 1508.
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