- Privatfernsehen
-
Privatfernsehen ist Fernsehen, das nicht von öffentlich-rechtlichen oder staatlichen Sendeanstalten, sondern von privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen betrieben wird. Es wird, wie das Privatradio, von privaten Rundfunksendern produziert und bildet die kommerzielle, zumeist werbe- oder abonnementfinanzierte Komponente des dualen Rundfunksystems in Deutschland.
Die andere Komponente ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der durch über die GEZ erhobene Gebühren finanziert wird.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte des Privatfernsehens in Deutschland
Bereits 1955 gab es mit Telesaar einen ersten privaten Fernsehsender in Deutschland. Das war möglich, weil das Saarland bis Ende 1956 nicht Teil der Bundesrepublik war und deshalb nicht der deutschen Rundfunkhoheit unterlag.
Mit dem 3. Rundfunk-Urteil am 16. Juni 1981, dem so genannten FRAG-Urteil, bereitete das Bundesverfassungsgericht den Weg für privaten Rundfunk. Basis sind die Landesmediengesetze, die innerhalb des dualen Rundfunksystems bis heute ihre Anwendung finden.
Mit der Wahl Helmut Kohls zum Bundeskanzler im Jahre 1982 wurde der technische Ausbau der Breitbandverkabelung unter dem damaligen Postminister Christian Schwarz-Schilling vorangetrieben.
Am 1. Januar 1984 um 9:58 startete in Ludwigshafen mit dem Kabelpilotprojekt Ludwigshafen das duale Rundfunksystem in Deutschland. Aus einem Kellerstudio begrüßte Jürgen Doetz gemeinsam mit der Moderatorin Irene Joest die Zuschauer:
„Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Moment sind Sie Zeuge des Starts des ersten privaten Fernsehveranstalters in der Bundesrepublik Deutschland“.
Die Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenrundfunk (PKS) war geboren, aus der ein Jahr später – im Jahre 1985 – Sat.1 wurde (damals mit Sitz in Mainz). Einen Tag nach dem Sendestart der PKS bzw. von SAT.1, begann RTL plus (heute RTL Television) am 2. Januar 1984 seinen Sendebetrieb aus Luxemburg (heutiger Sitz Köln).
1988 erklärte Edmund Stoiber schriftlich gegenüber Franz Josef Strauß "unsere Politik bezüglich RTL-plus war immer darauf ausgerichtet, eine Anbindung von RTL an das konservative Lager zu sichern beziehungsweise ein Abgleiten nach links zu verhindern".[1]
Dem anfänglichen Sendeangebot vieler Privatsender wurde oft der Vorwurf extrem geringen Anspruchs gemacht (Beispiel: RTL mit Tutti Frutti). Allerdings ging es zunächst auch nur darum, die Bekanntheit der neuen Sender mit nahezu allen Mitteln zu erhöhen, inhaltliche Erwägungen traten in dieser Frühphase hinter dem reinen Kampf um Marktanteile und Einschaltquoten weit zurück.
Heute sind einige Privatsender recht vielfältig und sprechen fast alle gesellschaftlichen Schichten an. Es haben sich auch Sparten herausgebildet, z. B. "Sport-Sender". Auch auf regionaler Ebene haben sich einige Privatsender durchgesetzt, z. B. rheinmaintv für das Rhein-Main-Gebiet mit Sitz in Bad Homburg vor der Höhe.
Geschichte des Privatfernsehens in Österreich
In Österreich hatte jahrzehntelang der ORF eine Monopolstellung. Mitte der 1990er Jahre kamen in Österreich die ersten privaten, lokalen Fernsehkanäle in den weit verbreiteten TV-Kabelnetzen auf. Es gab jedoch für diese Sender weder eine eindeutige gesetzliche Grundlage, noch existierte ein Privatfernsehgesetz für die terrestrische Ausstrahlung von TV-Kanälen. So starteten u.A. 1997 bzw. 1998 in Wien die Sender "True Image Vision“(TIV) und Wien 1 (W1), die nur über das Kabelnetz zu sehen waren. Im Jänner 2000 wurde dieser zu einem österreichweiten Programm namens ATV ausgebaut, das jedoch wegen der damaligen Rechtslage weiterhin nur über Kabel zu empfangen war
Am 1. August 2001 trat das Privatfernsehgesetz in Kraft, das ein bundesweites und drei regionale Fernsehprogramme (in Wien, Linz und Salzburg) zuließ. Für die einzige ausgeschriebene österreichweite Senderkette bewarb sich neben einigen anderen Senderprojekten auch ATV, welches schließlich den Zuschlag erhielt.
Am 1. Juni 2003 startete ATVplus als erster terrestrischer Privatsender Österreichs. Bis dahin war Österreich der letzte Staat in Europa in dem kein frei über Antenne empfangbares Privatfernsehen existierte. Ein Jahr später, am 21. Juni 2004, folgte Puls-TV im Großraum Wien als zweiter terrestrisch empfangbarer Sender. Der Sender wurde später an ProSiebenSat.1 verkauft und von diesen zum neuen Sender Puls 4 umgebaut, der im Februar 2008 als zweites österreichweit empfangbares, privates Vollprogramm auf Sendung ging. Im Dezember 2007 ging Austria 9 TV als dritte private Anstalt ebenfalls österreichweit auf Sendung. Seit 1. Oktober 2009 existiert mit Servus TV ein vierter österreichweit empfangbarer Privatsender.
Die Sender stehen alle reichweitentechnisch weit hinter dem ORF zurück. Allerdings haben 2009 zwei Sender Rekorde erreicht: Puls4 erzielte mit einem Europa League-Spiel einen Rekordmarktanteil von 25,1 %; und ATV lag am 5. November in der Prime Time mit 443.000 Zuschauern vor beiden ORF-Programmen, die 300.000 bzw. 413.000 Zuschauer hatten.
Finanzierung
Die meisten privaten Sender erzielen ihren Umsatz hauptsächlich aus Werbeeinnahmen oder Verkauf von Abonnements (Pay-TV). Ein kleiner Teil der Sender finanziert sich über Spenden (wie z. B. Bibel-TV), durch Teleshopping, oder aus kostenpflichtigen Zuschaueranrufen zwecks Televoting oder Call-in-Gewinnspiele (z. B. 9Live).
Privatfernsehen in Europa
- Niederlande: Tien, SBS 6, RTL (3-5) und unzählige andere Sender
- Frankreich: TF1, M6, Canal Plus
- Dänemark: TV 2
- Großbritannien: ITV, Channel 4
- Polen: u. a. Polsat, TVN
- Spanien: Telecinco, Antena 3, La Sexta, Cuatro
- Italien: ca. 700 Privatsender, darunter Mediaset, Telemontecarlo
- Österreich: ATV, Puls 4, Austria 9 TV, Servus TV, zahlreiche regionale und lokale Kabelprogramme sowie spezielle Österreichversionen deutscher Privatsender
- Russland: STS, TNT, Ren-TV (gehört zu 30 % zur RTL Group)
- Schweiz: 3+, Schweizversionen deutscher Privatsender (ähnlich wie in Österreich)
- Türkei: Star TV (Türkei), Kanal D, Show TV
Siehe auch
Liste deutschsprachiger Fernsehsender
Literatur
- Eric Karstens/Jörg Schütte: Praxishandbuch Fernsehen. Wie TV-Sender arbeiten. Wiesbaden: VS-Verlag, 2005. ISBN 3-531-14505-3
Einzelnachweise
- ↑ Frankfurter Rundschau, zitiert nach RÜCKSPIEGEL Zitate, DER SPIEGEL 44/1988
Wikimedia Foundation.