- Ising-Modell
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Das Ising-Modell ist ein von Ernst Ising auf Anregung seines Doktorvaters Wilhelm Lenz um 1925 erstmals genauer untersuchtes Modell der Theoretischen Physik. Es beschreibt insbesondere den Ferromagnetismus in Festkörpern (Kristallen). Das Ising-Modell zählt zu den meistuntersuchten Modellen der statistischen Physik.
Inhaltsverzeichnis
Physikalisch-mathematische Definition
In dem Modell wird angenommen, dass die Spins, welche das magnetische Moment der Atome oder Ionen bestimmen, nur zwei diskrete Zustände annehmen können (Spinwert ). Die Richtung im Raum bleibt aber offen; es handelt sich also um Vektoren (um im klassischen Bild zu bleiben, bzw. quantenmechanisch um Vektoroperatoren).
Der allgemeine Energieausdruck (oder Hamiltonoperator) für eine solche Situation ist durch das Heisenberg-Modell gegeben:
. [1]
Hierbei bezeichnet
- einen (mehrkomponentigen) Spin des Atoms am Platz i des Kristallgitters
- das Magnetfeld
- den Hamiltonoperator
- Jij die Wechselwirkungsstärke (Austauschkopplung) zwischen den Spins an den Plätzen i und j
Der Punkt kennzeichnet das sog. Skalarprodukt.
Beim Ising-Modell wird dagegen die Zahl der Spinkomponenten auf Eins reduziert (d.h. parallel oder antiparallel zu einer ausgezeichneten Achse - hier z-Achse).
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Oft wird zusätzlich angenommen, dass Jij nur für benachbarte Spins ungleich Null ist. Ist die Austauschkopplung positiv, so spricht man von einer ferromagnetischen Kopplung; ist sie negativ, so wird sie antiferromagnetisch genannt. Bei Ferromagneten bzw. Antiferromagneten dominiert das jeweilige Vorzeichen; bei den sog. Spingläsern kommen beide Vorzeichen gleich häufig vor.
Durch geeignete Wahl der Wechselwirkungen können u. a. die schon erwähnten Spingläser (hierbei ist Jij eine Zufallsgröße) oder auch räumlich modulierte magnetische Strukturen (hierbei liegen konkurrierende Kopplungen Jij vor, siehe ANNNI-Modell) modelliert werden. Im Allgemeinen beschreibt das Ising-Modell die magnetischen Ordnungen bei tiefen Temperaturen, die bei höheren Temperaturen jedoch durch thermische Fluktuationen aufgebrochen werden, wobei ein Phasenübergang stattfindet. Eine umfassende theoretische Analyse von Phasenübergängen liefert die Renormierungsgruppentheorie, für die Kenneth G. Wilson 1982 den Nobelpreis für Physik erhielt.
Bei der eindimensionalen Ising-Kette mit hinreichend kurzreichweitigen Wechselwirkungen beobachtet man jedoch keinen Phasenübergang. Dies hatte schon Ernst Ising in seiner Doktorarbeit mit Bedauern feststellen müssen. Die exakte Lösung des zweidimensionalen Ising-Modells mit Wechselwirkungen zwischen nächsten Nachbarn und bei verschwindendem Magnetfeld wurde erstmals 1944 von Lars Onsager berechnet, jedoch aus Desinteresse nicht publiziert – Onsager war dafür bekannt, nur Arbeiten zu veröffentlichen, die ihm wirklich wichtig waren. Die Publikation geschah erst 1952, nachdem es Chen Ning Yang gelungen war, Onsagers Lösung zu reproduzieren. Es stellte sich heraus, dass in diesem Fall ein Phasenübergang auftritt.
Für das dreidimensionale Ising-Modell mit Wechselwirkungen zwischen benachbarten Spins gibt es keine analytisch-exakte Lösung. Dessen Eigenschaften kann man mit Hilfe der Molekularfeldnäherung (oder Landau-Theorie), Monte-Carlo-Simulationen, Reihenentwicklungen oder anderen numerischen Lösungsverfahren berechnen.
Das Ising-Modell gilt wegen seiner konzeptionellen Einfachheit und seinen vielfältigen Eigenschaften als „Drosophila“ der Statistischen Physik. Es hat darüber hinaus Anwendungen in vielen Bereichen der Naturwissenschaften gefunden, bis hin zur Biologie und Hirnforschung. Die nahezu programmatische Aussage 'Ising models still thrive' (Michael E. Fisher) wird wohl noch für viele Jahre gültig bleiben.
Eine Verallgemeinerung des Ising-Modells liefert das Potts-Modell oder das Markov Random Field.
Vereinfachte Darstellung
Dieser Abschnitt diskutiert das einfachste Ising-Modell: kein externes Magnetfeld, Wechselwirkung nur zwischen nächsten Nachbarn (links, rechts, oben, unten). Entgegengesetzte Nachbarspins liefern einen Energiebeitrag J, parallele Spins liefern keinen Beitrag.
Ziel ist die Darstellung der elementarsten Grundlagen für eine breitere Leserschaft.
Energie, Wärme, Wahrscheinlichkeit
Das Bild zeigt symbolisch einen winzigen "Magneten" aus 25 "Eisen-Atomen". Eisenatome verhalten sich wie kleine Magnete. Das Magnetfeld des Gesamtmagneten ist die Summe der Magnetfelder, die von den einzelnen Atomen ausgehen, wobei die Felder entgegengesetzt ausgerichteter Atome einander aufheben.
Fünf der Atome (schwarz) sind hier in eine Richtung ausgerichtet, die restlichen 20 (weiß) in die andere Richtung. Die Nettomagnetisierung ist somit 5 − 20 = − 15 Einheiten. Ein bestimmtes Schwarz-Weiß-Muster bezeichnet man als den Zustand des Magneten.
Die 14 roten Kanten zeigen entgegengesetzt ausgerichtete Nachbarn. Jede rote Kante entspricht einer im Magneten gespeicherten Energiemenge, die J genannt wird (dies steht hier nicht für die Energieeinheit Joule, sondern einfach für eine Kenngröße des jeweiligen Materials).
Jede rote Kante vermindert die Wahrscheinlichkeit, den Zustand in der Natur anzutreffen, und zwar umso mehr, je kälter es ist. Man berechnet dies, indem man die Wahrscheinlichkeit für den Zustand "alle Atome gleichgerichtet" für jede rote Kante einmal mit exp( − J / T) multipliziert. Dabei ist T das Produkt aus der Temperatur in Kelvin und der Boltzmann-Konstanten.
Beispiel: An einem warmen Sommertag (27 Grad Celsius) bewirkt in einem Material, dessen J-Wert 0,0595 Elektronenvolt beträgt, jede rote Kante eine Wahrscheinlichkeitsminderung um den Faktor 10. Bei Abkühlung auf minus 123 Grad Celsius ist der Faktor schon 100 und bei minus 173 Grad sogar 1000.
Das Gesagte betrifft die Wahrscheinlichkeit eines individuellen Zustandes. Sie ist meist sehr klein. Nun gibt es aber meist auch eine sehr große Zahl von Zuständen, die eine bestimmte Magnetisierungsstärke des Magneten (Anzahl schwarzer Quadrate) herstellen (man denke an die zahlreichen Möglichkeiten, einen Lottoschein auszufüllen).
Die große Zahl von Zuständen kann die kleine Wahrscheinlichkeit des einzelnen Zustandes ausgleichen. Tatsächlich gibt es in der Regel bei gegebener Temperatur eine bestimmte Magnetisierungsstärke, die alle anderen an Wahrscheinlichkeit deutlich übertrifft. Diese Magnetisierung wird fast ausschließlich angetroffen. Mit zunehmender Temperatur verschiebt sie sich von "voll magnetisiert" zu "entmagnetisiert".
Extreme Temperaturen
Um ein Gefühl für die Bedeutung des oben gesagten zu finden, betrachte man zuerst die Grenzfälle sehr hoher und sehr geringer Temperatur. Entgegen der Intuition werden die Berechnungen dabei nicht etwa durch große Zahlen erschwert, sondern sogar so einfach, dass man schon durch "Kopfrechnung" zu Ergebnissen kommt.
Bei extrem tiefen Temperaturen (Temperatur nähert sich dem absoluten Nullpunkt) wird der Wahrscheinlichkeitsfaktor exp( − J / T) so klein, dass kein Zustand außer "alle schwarz" oder "alle weiß" jemals angetroffen werden kann. Der Magnet nimmt somit seine volle Magnetisierung an.
Bei extrem hohen Temperaturen hingegen wird der Wahrscheinlichkeitsfaktor exp( − J / T) der Zahl 1 immer ähnlicher, so dass er zu keiner Wahrscheinlichkeitsminderung führt und alle Zustände gleichwahrscheinlich werden. Dann gilt für jede Magnetisierung die reine Anzahl der sie realisierenden Zustände, und die ist eben für "50% weiß - 50% schwarz" am allerhöchsten. Der Magnet ist effektiv entmagnetisiert.
Moderate Temperatur
Der abgebildete Zustand mit einem abweichenden Atom weist vier rote Kanten auf. Bei einem J-Wert von 0,0017 eV ist dieser eine Zustand zehnmal weniger wahrscheinlich als die Vollmagnetisierung (bei 27 Grad Celsius).
Allerdings gibt es 25 Möglichkeiten, genau ein Atom abweichen zu lassen, und so ist eine Magnetisierung von 23 Einheiten (24 - 1 entgegengesetzt) 2,5 mal so wahrscheinlich wie die Vollmagnetisierung.
Kritische Temperatur
Der Zusammenbruch des Magnetismus tritt schon bei einer endlichen Temperatur, der sogenannten kritischen Temperatur TC, auf. Dies zu begründen erfordert umfangreiche mathematische Analysen, die hier nicht ausgeführt werden können.
Nahe der kritischen Temperatur treten jedoch "interessante" Muster (bezüglich der Schwarz-Weiß-Verteilung) auf.
Strukturbildung
Auf dem Weg vom absoluten Nullpunkt zu unendlicher Temperatur gelangt man von perfekter Ordnung zu perfektem Rauschen.
Dazwischen findet man "interessante" Muster. Dafür wird hier eine qualitative Begründung gegeben.
Bezüglich des Magnetisierungswertes bildet sich ein Kompromiss heraus zwischen geringer Zustandwahrscheinlichkeit und großer Zustandszahl.
Analog kann man, wenn Temperatur und Magnetisierung gegeben sind, bezüglich der Streuung schwarzer und weißer Quadrate argumentieren.
Eine beliebig herausgegriffene kompakte Struktur weist zwar weniger rote Kanten auf (und ist daher wahrscheinlicher) als eine beliebig herausgegriffene aufgelockerte Struktur; weil es aber mehr aufgelockerte Strukturen gibt, kann die Eigenschaft "aufgelockert" insgesamt wahrscheinlicher sein. Man wird also einen Kompromiss vorfinden, der weder ganz kompakt noch ganz zerrissen ist, eben eine "interessante" Struktur.
Anwendungen und Interpretationen
Bekannt ist also die „magnetische“ Interpretation des Isingmodells: Die Spinwerte zeigen nach „oben“ bzw. nach „unten“. Aber auch für andere binäre Probleme bietet sich das Isingmodell an: Ein prominentes Beispiel ist das sog. „Ising-Gittergas“, das zur Modellierung von Flüssigkeiten benutzt werden kann: Man betrachtet hierbei ein Gitter, dessen Plätze entweder „besetzt“ oder „unbesetzt“ sein können, je nachdem, ob der dem Gitterplatz zugeordnete Isingspin den Wert +1 oder -1 hat. Es ist auch klar, dass man mit dem Isingmodell sog. Spingläser beschreiben kann, nämlich mit der Energie , wobei die s-Variablen die Ising-Spins bedeuten und die Ji,k feste, aber zufällige Werte annehmen. Sehr wenig bekannt ist aber, dass dieser Hamiltonoperator auch eine Elementarteilcheninterpretation besitzt, die ein stark vereinfachtes Modell der Quantenchromodynamik abgibt: Man kann nämlich die s-Variablen als "Quarks" und die Ji,k als "Gluonen" interpretieren, wenn man beide Größen fluktuieren lässt. Allerdings muss man in diesem Fall zum Hamiltonoperator noch die als Wilson-Loop-Variablen bezeichneten Gluon-Gluon-Kopplungen der Form hinzufügen. Man erhält dann „eichinvariante Modelle“, welche mit unkorrelierten binären Größen und den gekoppelten sog. Eichtransformationen , , genügen; d.h. der Hamiltonoperator bleibt bei diesen Transformationen invariant, so wie die Lagrangefunktion der Quantenchromodynamik gegenüber Transformationen mit den Elementen der Gruppe SU(3) invariant bleibt, die hier durch die ε-Variablen ersetzt sind. Mit diesem Modell – einer Art "Ising Lattice QCD" – wurde die später so genannte Gittereichtheorie eingeführt. Die relevante Veröffentlichung dazu stammt von Franz Wegner. [2]
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ Bezüglich der Mitnahme des Faktors 1/2 gibt es unterschiedliche Konventionen (oft wird er fortgelassen)
- ↑ F. Wegner, Duality in Generalized Ising Models and Phase Transitions without Local Order Parameter, J. Math. Phys. 12 (1971) 2259-2272. Reprinted in Claudio Rebbi (ed.), Lattice Gauge Theories and Monte Carlo Simulations, World Scientific, Singapore (1983), p. 60-73. Abstract: [1]
Literatur
- Ising, E.: Beitrag zur Theorie des Ferromagnetismus Zeitschrift für Physik, Bd. 31, S. 253-258, 1925
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