Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten

Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten

Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (kurz AStV) besteht aus den Leitern der Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten bei der EU, den Ständigen Vertretern. Oft wird auch die französische Abkürzung COREPER (frz. Comité des représentants permanents) verwendet (engl. Committee of Permanent Representatives).

Im Ausschuss der Ständigen Vertreter werden die Interessen der jeweiligen Mitgliedstaaten gegenüber anderen Mitgliedsstaaten und Institutionen der Europäischen Union vertreten und Kompromisse mit dem Ziel eines fairen Ausgleichs gesucht. Die Ständigen Vertreter agieren auf Basis von Weisungen aus deren Hauptstädten. Im Rahmen und im Umfeld des AStV verhandeln die Regierungsvertreter Kompromisse mit anderen Ständigen Vertretern, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament (EP). Dabei ist die Europäische Kommission durch hochrangige Beamte in den AStV-Sitzungen vertreten; mit Vertretern des Europäische Parlaments verhandelt in separaten Sitzungen der oder die jeweilige AStV-Vorsitzende auf der Grundlage eines ihm oder ihr zuvor im AStV erteilten Mandats. (Nur in Sitzungen des Vermittlungsausschusses, d.h. im Rahmen der Dritten Lesung zwischen Europäischem Parlament und Rat, sind wiederum alle Mitgliedstaaten durch ihre Ständigen Vertreter vertreten.) Die Mitarbeiter der Ständigen Vertretung liefern Berichte, Analysen und Vorschauen an die jeweiligen Regierungen, um diesen konkrete Grundlagen für die Gestaltung der Positionen im Rat der Europäischen Union zu geben.

Von der Arbeit der Ständigen Vertretungen im Rahmen des durch die EU-Verträge festgelegten legislativen Kräftedreiecks - Europäisches Parlament, Rat und Europäische Kommission - sind die Aktivitäten der auch "Vertretungen" genannten Verbindungsbüros der Bundesländer beziehungsweise Regionen einzelner Mitgliedstaaten zu unterscheiden. Diese analysieren und bewerten das EU-Geschehen in Brüssel für die sie entsendenden Landes- bzw. Regionalregierungen und werben in informellen Kontakten mit Vertretern der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlamentes und ggf. auch des Rates für die Interessen ihrer Herkunftsregionen. Das formelle Gremium der Interessenvertretung der Länder bzw. Regionen ist der seit 1994 arbeitende Ausschuss der Regionen, der allerdings "nur" eine beratende Funktion hat.

Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten wurde bereits 1958 im Rahmen der Geschäftsordnung des Rates nach dem Modell der Koordinierungskommission (Cocor) im Bereich des EGKS-Vertrags eingesetzt. Durch Art. 4 des Fusionsvertrags, in dem der AStV erstmals vertraglich genannt wird, wurden 1967 beide Gremien zusammengeführt. Vertragliche Grundlage ist heute Art. 240 Abs. 1 AEU-Vertrag, der in der Geschäftsordnung des Rates der Europäischen Union näher spezifiziert wird.

Inhaltsverzeichnis

Tätigkeit

Der AStV bereitet die Sitzungen des Rates der Europäischen Union vor. Somit fällt ihm im gemeinschaftlichen Beschlussfassungsprozess eine zentrale Rolle zu, denn er ist sowohl ein Forum des Dialogs zwischen den Ständigen Vertretern sowie zwischen diesen und ihren Regierungen als auch ein politisches Kontrollgremium, das die Arbeit der Sachverständigengruppen lenkt und überwacht.

Bei geringen Kontroversen entscheidet, aufbauend auf den Detaildiskussionen in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe, faktisch der AStV über Rechtsakte oder nicht-legislative Texte. Die entsprechenden Vorlagen können daraufhin im Rat als sogenannte A-Punkte ohne Aussprache beschlossen werden. Kontroverse Vorlagen oder solche, zu denen sich Minister - auch bei hinreichender Mehrheit - politisch äußern wollen, werden dem Rat als sogenannte B-Punkte vorgelegt. Strittige Vorlagen, zu denen im Rat keine Einigung erzielt werden kann, werden an den AStV und von diesem in der Regel zunächst wieder an die zuständige Ratsarbeitsgruppe zurückverwiesen.

Nicht in den Arbeitsbereich des AStV fällt die Gemeinsame Agrarpolitik, für die es ein eigenes vorbereitendes Gremium des Landwirtschaftsministerrats gibt (den Sonderausschuss Landwirtschaft). Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik überschneiden sich die Aufgaben des AStV teilweise mit denen des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK).

Zwei Arbeitsebenen

AStV I

Der AStV I (auch AStV 1. Teil) versammelt die stellvertretenden Ständigen Vertreter (engl. Deputy Permanent Representatives, DPR), die sich im weitesten Sinne wirtschaftlichen Fragen (Binnenmarkt, Industrie, Energie, Telekom, Forschung, usw.) befassen. Der Ablauf der AStV-I-Sitzungen wird von Assistenten der stellvertretenden Ständigen Vertreter vorbereitet, die in der 1993 eingerichteten Mertens-Gruppe zusammenkommen. Die inhaltliche Detailverhandlung der Rechtsakte und nicht-legislativen Texte erfolgt in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe, in die die Mitgliedstaaten Experten aus der Hauptstadt oder mit Weisung versehene Attachés aus ihrer Ständigen Vertretung bei der EU in Brüssel entsenden.

Der stellvertretende Ständige Vertreter Deutschlands im AStV I ist derzeit Guido Peruzzo. Der stellvertretende Ständige Vertreter Österreichs im AStV I ist derzeit Harald Günther.[1]

AStV II

Der AStV II (auch AStV 2. Teil) versammelt die Ständigen Vertreter (engl. Permanent Representatives, ugs. auch permrep genannt), die sich vor allem mit politisch sensiblen Fragen (etwa Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen) beziehungsweise institutionellen und allgemeinen Fragen wie dem Haushalt der Europäischen Union auseinandersetzen. Der Ablauf der AStV-1-Sitzungen wird von Assistenten der Ständigen Vertreter vorbereitet, die in der 1975 eingerichteten Antici-Gruppe zusammenkommen. Die inhaltliche Vorbereitung, d.h. Detailverhandlung der Rechtsakte und nicht-legislativen Texte, erfolgt in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe, in die Mitgliedstaaten Experten aus der Hauptstadt oder mit Weisung versehene Attachés aus ihrer Ständigen Vertretung bei der EU in Brüssel entsenden.

Der Ständige Vertreter Deutschlands im AStV II ist derzeit Peter Tempel. Der Ständige Vertreter Österreichs im AStV II ist derzeit Walter Grahammer.[1]

Einzelnachweise

  1. a b Österreichisches Außenministerium. Ständige Vertretung Brüssel. Wer sind wir?

Literatur

  • Jochen Grünhage: Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten - ein Blick hinter die Kulissen von Politikberatung in Brüssel, in: Steffen Dagger; Michael Kambeck (Hrsg.): Politikberatung und Lobbying in Brüssel, VS-Verlag, Wiesbaden 2007. ISBN 3-531-15388-9
  • Jakob Lempp: Coreper enlarged: how Enlargement Affected the Functioning of the Committee of Permanent Representatives, in: European Political Economy Review, No. 6 (March 2007), S. 32-52.
  • Jakob Lempp / Altenschmidt, Janko: The Prevention of Deadlock through Informal Processes of 'Supranationalization': The Case of Coreper, in: Journal of European Integration, Vol. 30, No. 4, S. 511-527.

Weblinks


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