Rudolf Lehmann (Militärrichter)

Rudolf Lehmann (Militärrichter)

Rudolf Lehmann (* 11. Dezember 1890 in Posen; † 26. Juli 1955 in Bonn) war ein deutscher Jurist. Als Leiter der Rechtsabteilung beim OKW und deutscher Generaloberstabsrichter in der Zeit des Nationalsozialismus wurde er bei den Nürnberger Prozessen als Kriegsverbrecher verurteilt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Lehmann, Sohn eines Professors der Rechtswissenschaften,[1] wuchs in Breslau und Hanau auf und studierte zwischen 1909 und 1912 Rechtswissenschaften in München, Freiburg im Breisgau, Leipzig und Marburg. Er begann die Referendarzeit in Hessen und meldete sich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Kriegsfreiwilliger. Er wurde als Frontoffizier mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.

Nach dem Zweiten Staatsexamen und der Promotion arbeitete er in zunächst der hessischen Justiz sowie zeitweilig im Reichspostministerium und ab 1922 als Landgerichtsrat in Berlin. 1925 wechselte er ins Reichsjustizministerium, wo er bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten zum Ministerialrat aufstieg.

Er war seit 1933 in der Kleinen und Großen Strafprozesskommission an der Ausarbeitung der neuen Strafverfahrensordnung beteiligt. 1937 wurde er als Senatspräsident ans Reichskriegsgericht versetzt und leitete von 1938 bis 1945 als Ministerialdirektor die Wehrmachtrechtsabteilung des OKW.

1938 war er am Ehrengerichtsverfahren gegen den Oberbefehlshaber des Heeres, General Werner von Fritsch, als Beisitzer beteiligt. Die Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) und die Kriegsstrafverfahrensordnung (KStVO) von 1938 wurden unter seiner verantwortlichen Leitung erarbeitet. Vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion wirkte er an der Ausarbeitung der „Richtlinien auf Sondergebieten zur Weisung Nr. 21“ und des „Kriegsgerichtsbarkeitserlasses“ mit. Er befürwortete die Ausschaltung der Wehrmachtsgerichtsbarkeit über sowjetische Landeseinwohner und „trug so entscheidend zur Brutalisierung und verschärften Ideologisierung der Kriegführung der Wehrmacht bei“.[2]

Am 23. und 24. April 1941 nahm er an der Tagung der höchsten Richter teil, in der sie durch den Reichsjustizminister Franz Schlegelberger über die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ in der Euthanasienmord-Aktion T4 unterrichtet wurden.[1] Im selben Jahr war Lehmann an der Ausarbeitung des Nacht-und-Nebel-Erlasses beteiligt,[1] der im Dezember 1941 in Kraft trat und das beabsichtigte spurlose Verschwindenlassen von Widerstandskämpfern aus den besetzten Gebieten zum Inhalt hatte. 1944 wurde Lehmann wegen seiner „Verdienste“ zum Generaloberstabsrichter ernannt.

Als einziger Militärrichter wurde er nach dem Zweiten Krieg von den Vereinigten Staaten in Nürnberg im sogenannten Generalsprozess angeklagt. Die Urteilspunkte: Begehen von Kriegsverbrechen und Begehen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Am 27. Oktober 1948 erfolgte das Urteil: 7 Jahre Haft, von denen allerdings drei Jahre durch die Untersuchungshaft als verbüßt galten. Lehmann wurde vor allem wegen seines verantwortlichen Mitwirkens „als Generaloberstabsrichter [und] ranghöchster Militärjurist des ‚Dritten Reiches’“ an den mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbarenden deutschen kriegsrechtlichen Bestimmungen der Wehrmacht für den Russlandfeldzug verurteilt.[3] So konnten aufgrund des „Barbarossa-Gerichtsbarkeitserlasses“ Übergriffe deutscher Soldaten gegen die Zivilbevölkerung in der Sowjetunion straffrei ausgehen, und der Kommissarbefehl befahl ausdrücklich die Tötung sowjetischer Kommissare. Die Verteidigung berief sich wie auch in anderen Fällen auf entsprechende Anordnungen Adolf Hitlers.

Am 16. August 1950 wurde Lehmann vorzeitig aus der Haft im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg am Lech entlassen. Anschließend lebte er in Bad Godesberg, wo er als Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Bergbau tätig war.[1] An seinem Grab sprach sein ehemaliger Untergebener und Oberstrichter Werner Hülle[4], der in der Bundesrepublik zum Richter am Bundesgerichtshof aufgerückt war.[5]

Literatur

  • Norbert Haase: Generaloberstabsrichter Dr. Rudolf Lehmann; in: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Hitlers militärische Elite Bd. 1, Primus : Darmstadt 1998, ISBN 3-89678-083-2, S. 154-161

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 362–363.
  2. Norbert Haase: Generaloberstabsrichter Dr. Rudolf Lehmann; in: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Hitlers militärische Elite Bd. 1, Primus Verlag, Darmstadt 1998, S. 157; siehe auch Manfred Messerschmidt / Fritz Wüllner: Die Wehrmachtjustiz im Dienste des Nationalsozialismus. Zerstörung einer Legende. Nomos Verlag, Baden-Baden 1987, S. 208.
  3. Norbert Haase: Generaloberstabsrichter Dr. Rudolf Lehmann, S. 158
  4. zu Werner Hülle siehe Eintrag bei Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Ausgabe 2003 S. 273f
  5. Norbert Haase: Generaloberstabsrichter Dr. Rudolf Lehmann, S. 154

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