Rudolf Zuckermann

Rudolf Zuckermann

Rudolf Zuckermann (* 2. Oktober 1910 in Elberfeld ; † 29. April 1995 in Berlin) war ein deutscher Kardiologe, der 1. Lehrstuhlinhaber für Kardiologie in Deutschland.

Er war der Bruder des Juristen und Mitautors der DDR-Verfassung Leo Zuckermann.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Zuckermann war der Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Bis 1929 besuchte er die Oberrealschule Nord in Elberfeld und studierte bis 1933 in Bonn und Berlin Medizin. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten ging er nach Paris um das Studium dort abzuschließen, durfte dort studieren, wurde aber mit der Begründung, dass seine Semester in Deutschland nicht anerkannt würden, 1934 nicht zur Abschlussprüfung zugelassen. Zwischenzeitlich aus Deutschland ausgebürgert, ging er als Staatenloser nach Basel, machte Ende 1936 das Doktorexamen und erhielt im Januar 1937 den Doktortitel. Nachdem mit dem Abschluss des Studiums das Aufenthaltsrecht in der Schweiz beendet war, wollte er nach Frankreich zurück, erhielt auf Grund der zwischenzeitlich geänderten politischen Verhältnisse aber weder eine Einreisegenehmigung noch eine Zulassung als Arzt.

Nach illegaler Einreise meldete er sich im Januar 1937 in Paris beim Comite Sanitaire International für den Einsatz in der von den Faschisten bedrohten Republik Spanien. In Spanien überlebte er einige Schlachten als Arzt, stieg zum Hauptmann auf und trat 1938 der KP Spaniens bei. Nach dem Sieg Francos wurde er, nach Frankreich zurückgekehrt, dort interniert. Seine Mutter und Bruder, die bei Paris lebten, erreichten eine Aufenthaltserlaubnis und er konnte als Arzt, wenn auch nur diagnostizierend arbeiten. Nach einigen Festnahmen und Internierungen in der Folge konnte er sich 1940 in das von Deutschen unbesetzte Südfrankreich nach Marseille absetzen. Mit Hilfe seiner späteren Frau Henny Schönstedt (ebenfalls aktive Kommunistin) gelangte er nach Marokko, wurde aber in Marrakesch wiederum festgesetzt.

Am 11. November 1941 gelang ihm zusammen mit seinem Bruder, der in jüdischen Fluchtorganisationen aktiv tätig war, die Flucht nach Mexiko. Rudolf Zuckermann nahm am Leben der dortigen jüdischen und kommunistischen Exilgruppen, wie an der Bewegung Freies Deutschland, dem Heinrich-Heine-Klub und der KPD-Gruppe um Paul Merker teil, ohne jedoch ein Amt zu übernehmen. Er praktizierte als Arzt und wurde 1945 in das Instituto Nacional de Cardiologia – damals die modernste Herzklinik der Welt – aufgenommen, wo er sich mit Elektrokardiographie (EKG) beschäftigte, Bücher und Forschungsberichte veröffentlichte.

1947 und 1948 erhielt Zuckermann Einladungen aus Ostberlin zur Rückkehr und das Angebot eines Lehrstuhls an der Universität Berlin. Er nahm den Ruf nicht an, hatte noch wichtige Forschungsarbeiten und wollte erst abwarten, wie sich die Tätigkeit seines Bruders, der bereits nach Deutschland zurückgekehrt war, entwickelte. Nach weiteren Kontakten aus Ostberlin entschloss er sich im Januar 1953, politisch unsensibel und trotz Warnungen von Freunden, trotz der in der SED schon laufenden Säuberungswellen gegen Juden und Altkommunisten mit westlichem Emigrationshintergrund sowie trotz der Verhaftung Paul Merkers und der Flucht seines Bruders nach Westdeutschland, in die DDR überzusiedeln. Sein Sohn und seine Frau waren bereits seit Juli 1952 dort.

Er wurde sofort vom MfS und KGB festgesetzt und war für Familie und Freunde unauffindbar. Er wurde monatelang verhört, kam in Einzelhaft und wurde zu falschen Geständnissen gezwungen. Man warf ihm vor, in die DDR gekommen zu sein, um das feindliche Werk seines republikflüchtigen Bruders fortzuführen. Weiter wurde er mit dem absurden Vorwurf konfrontiert, zurückgeschickt worden zu sein und ein Herzinstitut aufzubauen, um an prominente Patienten zu kommen und sie mit Herzmitteln zu ermorden. Da das Instituto Nacional de Cardiologia, an dem Zuckermann in Mexiko gearbeitet hatte, mit Apparaturen bestückt war, welche durch die Rockefeller-Stiftung bezahlt waren, wurde ihm weiter vorgeworfen, im Auftrag der Amerikaner zu handeln.

Nach den Vorgängen um den 17. Juni 1953 mit einigen Säuberungen im Parteikader der SED änderten sich die Akteure bei den Verhören. Am 20. August 1953 begann man mit Zuckermann über eine Freilassung zu verhandeln. Er sollte eine Schweigeverpflichtung über die vergangene Inhaftierung und Verhöre unterschreiben und sich als Geheiminformant (GI „Juan“) des MfS verpflichten. Entnervt ging er auf alles ein, konnte aber durchsetzen, dass er als Arzt im Herzheilbad Bad Liebenstein eingesetzt wurde. Bei der Haftentlassung wurde als Datum der der Einreise in die DDR der 1. September 1953 angegeben.

Man hatte ihn 1954 als altes KPD-Mitglied in die SED übernommen. Da die Vorwürfe gegen ihn nicht annulliert wurden, erklärte er 1956 seinen Austritt. Er weigerte sich, mit dem Hinweis auf diese Vorwürfe, hohe Regierungsfunktionäre zu behandeln. Von inoffiziellen Mitarbeitern des MfS (IMs) in seinem Umfeld wurde er als unpolitisch, politisch nicht motiviert geschildert, der sich nur um seine Arbeit kümmere und darin aufging. Er wurde vom MfS aber weiter intensiv überwacht, erhielt nur eine belanglose Stelle als Bäderarzt in Bad Liebenstein. Diese „langweilige“ Tätigkeit brach er frustriert ab, war 1954 arbeitslos und erhielt am 1. Januar 1955 eine Anstellung als Oberarzt und Leiter der kardiologischen Abteilung in der Universitäts-Klinderklinik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Im Oktober 1957 wurde er habilitiert und erhielt am 1. November 1957 eine Professur mit Lehrauftrag für Kardiologie an der Universität Halle.

Er regte den Bau der Halleschen Herz-Lungen-Maschine an, der durch die Thoraxchirurgen Karl-Ludwig Schober, Rainer Panzner, den Anästhesisten Günther Baust, und den Biophysiker Fritz Struss realisiert wurde. Am 3. April 1962 erfolgte die erste Operationen am offenen Herzen in Halle mit dieser Maschine. Dafür erhielt das Kollektiv den Rudolf-Virchow-Preis der DDR. Am 1. September 1962 erhielt er einen Lehrstuhl für Kardiologie an der Martin-Luther-Universität. Dies war der erste Lehrstuhl für Kardiologie in Gesamtdeutschland. Doch trotz seiner Erfolge kämpft Zuckermann zehn Jahre vergeblich für ein eigenständiges Forschungsinstitut.

Seinen Bruder Leo, der über Westdeutschland wieder zurück nach Mexiko gegangen war, sah er nie wieder.

Veröffentlichungen

  • Atlas der Elektrokardiographie, Rudolf Zuckermann, Leipzig 1955
  • Grundriss und Atlas der Elektrokardiographie, Rudolf Zuckermann, 2. veränd. u. erw. Auflage, 1957, 3. umgearbeitete Auflage, Leipzig 1959
  • Herzauskultation, Rudolf Zuckermann, Leipzig 1963, 2. veränd. u. erw. Auflage, Leipzig 1965

Weblinks

Porträt des Halleschen Kardiologen Rudolf Zuckermann

Literatur

  • Wolfgang Kießling, Partner im Narrenparadies Berlin 1994
  • Wolfgang Kießling: Absturz in den Kalten Krieg: Rudolf und Leo Zuckermanns Leben zwischen nazistischer Verfolgung, Emigration und stalinistischer Maßregelung Berlin: Helle Panke, 1999. Hefte zur DDR-Geschichte Nr. 57
  • Dieter Schwartze, Rudolf Zuckermann - Brückenbauer zwischen Europa und Lateinamerika - Ein Beitrag zur Entwicklung der Kardiologie in Deutschland, Halle 2010, ISBN 978-3-86634-900-1
  • Dieter Schwartze, Zur Erinnerung an Rudolf Zuckermann (2. Oktober 1919 − 29. April 1995) Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 10 (1999) S. 57
  • Dieter Schwartze, Erinnerungen an den 1. deutschen Lehrstuhl für Kardiologie und seinen Inhaber Prof. Dr. Rudolf Zuckermann, Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 21 (2010) S. 73 ISSN 0938-9261

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Zuckermann — ist der Familienname folgender Personen: Ariel Zuckermann (* 1973), Flötist und Dirigent Benedikt Zuckermann (1818–1891) deutscher Bibliothekar und Lehrer Ghil ad Zuckermann (* 1971), Sprachwissenschaftler und Professor für Linguistik an der… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Berger (Theaterintendant) — Rudolf Berger (* 11. August 1960 in Basel, Schweiz) ist ein Theaterintendant und Kulturmanager. Berger wuchs seit seinem fünften Lebensjahr in Innsbruck (Österreich) auf und ist im Besitz der österreichischen und schweizerischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Leo Zuckermann — (* 12. Juni 1908 in Lublin, Kongresspolen; † 14. November 1985 in Mexiko Stadt) war Jurist und jüdischer, deutscher Kommunist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Veröffentlichungen …   Deutsch Wikipedia

  • Zukerman — Zuckermann ist der Familienname folgender Personen: Ariel Zuckermann (*1973), Flötist und Dirigent Hugo Zuckermann (1881 1914), deutscher Schriftsteller und Zionist Leo Zuckermann (1908 1985), deutscher Jurist Marcia Zuckermann (*1957), deutsche… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Zu — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Söhne und Töchter der Stadt Wuppertal — Die Liste der Söhne und Töchter der Stadt Wuppertal enthält eine Übersicht bedeutender, im heutigen Wuppertal geborener Persönlichkeiten, chronologisch aufgelistet nach dem Geburtsjahr. Ob die Personen ihren späteren Wirkungskreis in Wuppertal… …   Deutsch Wikipedia

  • Söhne und Töchter der Stadt Wuppertal — Die Liste der Söhne und Töchter der Stadt Wuppertal enthält eine Übersicht bedeutender, im heutigen Wuppertal geborener Persönlichkeiten, chronologisch aufgelistet nach dem Geburtsjahr. Ob die Personen ihren späteren Wirkungskreis in Wuppertal… …   Deutsch Wikipedia

  • Karl-Ludwig Schober — (* 13. Juli 1912 in Halle; † 11. Oktober 1999 ebenda), Professor für Chirurgie an der Universität Halle, bekanntester Herzchirurg der DDR, unter dessen Leitung die Hallesche Herz Lungen Maschine konstruiert, gebaut und eingesetzt wurde. Als… …   Deutsch Wikipedia

  • Draußen vor der Tür — ist ein Drama des deutschen Schriftstellers Wolfgang Borchert, das er innerhalb von acht Tagen niederschrieb. Der Entstehungszeitraum wird zwischen Herbst 1946 und Januar 1947 angenommen. Am 13. Februar 1947 wurde es erstmals als Hörspiel vom… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Soziologen — Bekannte Soziologen und Soziologinnen Sachbeiträge zur Soziologie siehe auf der zugehörigen Themenliste und der Liste bahnbrechender soziologischer Publikationen; allgemein ist auf das Portal:Soziologie zu verweisen. A Esko Aaltonen Nermin Abadan …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”