Paul Merker

Paul Merker
Briefmarke mit Abbild von Paul Merker
Bildmitte links: Paul Merker, Bildmitte rechts: Otto Grotewohl (1949)

Paul Merker (* 1. Februar 1894 in Oberlößnitz, heute Radebeul; † 13. Mai 1969 in Berlin) war ein Politiker und Funktionär der KPD und der SED.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gewerkschaft, USPD, KPD

Der aus einer protestantischen Familie[1] stammende Merker arbeitete nach dem Besuch der Volksschule als Kellner und Hotelangestellter. 1914–1918 war er Soldat im Ersten Weltkrieg. 1918 trat er der USPD und 1920 der KPD bei. Bis 1922 war er als Gewerkschaftsfunktionär aktiv, 1923–1924 Sekretär des KPD-Bezirkes Westsachsen und 1924-1932 Abgeordneter des Preußischen Landtages. 1927–1930 und 1934-1945 war er Mitglied des Zentralkomitees und des Politbüros des ZK der KPD. Zu seinen Schwerpunkttätigkeiten Ende der 1920er Jahre gehörte wieder die Arbeit in der Gewerkschaftsabteilung der Partei. Ab 1929 bekleidete Merker die Funktion des Reichsleiters der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO).[2] Bereits im April 1930 wurde er wegen "linkssektiererischer Abweichungen" aus dem Politbüro und dem ZK der KPD abberufen. Auch seinen Posten als RGO-Reichsleiter musste Merker an Fritz Emrich abgeben. Merker besetzte anschließend zweitrangige Funktionen in der Partei und wurde 1931 der Kommunistischen Internationale zur Verfügung gestellt.

USA, Sowjetunion, Deutschland

Von 1931 bis 1933 lebte er im Auftrag der Kommunistischen Internationale unter dem Decknamen Max Fischer als Berater der Kommunistischen Partei in den USA. Im Sommer 1933 übersiedelte er nach Leningrad. Anfang 1934 kehrte Merker zur illegalen Arbeit nach Deutschland zurück und wurde wieder als Mitglied des Reichskomitees der illegalen RGO tätig. 1934-1935 war er als Nachfolger von Philipp Daub Mitglied der illegalen KPD-Landesleitung. 1935 und 1939 wurde Merker wieder ins ZK und Politbüro der KPD gewählt.

Emigration und Rückkehr

Ab Februar 1937 war er Mitglied des Sekretariats des ZK der KPD-Auslandsleitung in Paris und koordinierte von dort die illegale Gewerkschaftsarbeit der KPD im Deutschen Reich. Nach dem Kriegsausbruch war er 1940-1942 in Le Vernet interniert. 1942 gelang Merker die Flucht, woraufhin er nach Mexiko emigrierte. Hier betätigte er sich als Sekretär des Lateinamerikanischen Komitees der Bewegung Freies Deutschland und verfasste regelmäßig Artikel für die Zeitschrift „Freies Deutschland“. 1946 kehrte Merker nach Deutschland zurück, wo er Mitglied des Parteivorstandes, des Zentralsekretariats und des Politbüros der SED, Abgeordneter des Brandenburger Landtages, seit 1948 Mitglied des Volksrates und der Provisorischen Volkskammer und 1949-1950 Staatssekretär im DDR-Landwirtschaftsministerium war.

Parteiverfahren gegen Paul Merker als „zionistischer Agent“

1950 wurde ein Parteiverfahren gegen ihn eröffnet. Er musste vor die Zentrale Parteikontrollkommission der SED treten. Merker hatte in den 1940ern in Mexiko und danach in seinen Artikeln im "Neuen Deutschland" eine Entschädigung für die von den Nationalsozialisten enteigneten jüdischen Vermögen gefordert; er unterstützte die Gründung eines jüdischen Staates (Israel) und plädierte für eine Anerkennung der Juden als nationale Minderheit in Deutschland. In den 1940er Jahren nahm Merker damit keine ungewöhnliche Position in der Bewegung Freies Deutschland ein. Aber im August 1950 geriet er dadurch in Konflikt mit der Stalinschen Linie. Merker wurde vorgeblich wegen seiner Kontakte zu dem angeblichen Agenten Noel Field aus der SED ausgeschlossen. Er arbeitete bis 1952 als Leiter einer HO-Gaststätte in Luckenwalde, bis das Ministerium für Staatssicherheit ihn im Zusammenhang mit dem Slánský-Prozess in Prag am 30. November 1952 verhaftete. Nach mehr als zweijähriger Untersuchungshaft in Berlin-Hohenschönhausen wurde er am 30. März 1955 in einem Geheimprozess als „zionistischer Agent“ zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.[3]

Ordensverleihung nach dem Tod

Im Januar 1956 wurde er aus der Haft entlassen. Nach zweimonatiger Bettlägrigkeit rechtfertigte er in Briefen an den Präsidenten Wilhelm Pieck und die Zentrale Parteikontrollkommission seine Zurückweisung der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen und forderte seine öffentliche Rehabilitierung. Der SED-Vorsitzende Walter Ulbricht antwortete ihm, dass die "Freilassung von der Partei und von den staatlichen Organen als Rehabilitierung betrachtet" werde. Im Juli 1956 sprach ihn dasselbe Gericht, das ihn verurteilt hatte, in einer geheimen Verhandlung frei. Seit 1957 arbeitete er als Lektor im Verlag Volk und Welt. Als Merker 1969 starb, zeichnete die DDR-Regierung ihn posthum mit dem Vaterländischen Verdienstorden aus. Seine Urne wurde an der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde beigesetzt.

Schriften

  • Deutschland. Sein oder nicht Sein? 1. Band: Von Weimar zu Hitler, El libro libre, México 1944
  • Deutschland. Sein oder nicht Sein? 2. Band: Das 3. Reich und sein Ende, El Libro Libre, México 1945

Siehe auch

Literatur

Aufsätze

  • Jeffrey Herf: East German Communists and the Jewish Question. The Case of P. M. in: Journal of Contemporary History Vol. 29, No. 4, Okt. 1994, S. 627 - 661
    • in Deutsch: Antisemitismus in der SED. Geheime Dokumente zum Fall P. M. aus SED- und MfS-Archiven, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 42. Jg., H. 4, Okt. 1994, S. 635 - 667 (auch online)
  • Kai Posmik: Die Verfolgung geht weiter, in Berliner Zeitung vom 21. August 2010. Online

Weblinks

 Commons: Paul Merker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Jeffrey Herf, Divided Memory. The Nazi Past in the Two Germanys (Harvard UP, 1997; deutsche Fass. siehe Lit.
  2. Vgl. zu Details Stefan Heinz: Moskaus Söldner? Der "Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins": Entwicklung und Scheitern einer kommunistischen Gewerkschaft, Hamburg 2010, S. 89 ff., 94 ff., 277 ff.
  3. Vgl. Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen: Kurzbiografie Merkers.
  4. Merker: passim, ca. 50 Nennungen, auch zusammenhängende Kap. über ihn

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