Ruhrschiffahrt

Ruhrschiffahrt
Die Ruhr - einst schiffbar zwischen Fröndenberg und Ruhrort

Das Kapitel der Ruhrschifffahrt auf dem Fluss, der dem Ruhrgebiet seinen Namen gab, zieht sich seit dem Mittelalter, weiter über das 19. Jahrhundert, wo sie ihren Höhepunkt durch den Ruhrbergbau erreichte, bis in die heutige Zeit.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits seit dem Mittelalter wurde auf der Ruhr eine primitive Schifffahrt betrieben. So verlieh Kaiser Konrad III. der Abtei Werden 1033 das Zollrecht an der zwischen Werden und der Mündung betriebenen Schifffahrt. Aufgrund der Zersplitterung in zahlreiche kleine Staaten kam sie allerdings nie über eine lokale Bedeutung hinaus.

Schon im 16. Jahrhundert gab es bereits keine Schifffahrt mehr auf der Ruhr und erst nach dem Dreißigjähriger Krieg wurde der Entschluss von der clevisch-märkischen Regierung gefasst, die Ruhr wieder schiffbar zu machen.

Die Schiffer mussten auf einer Reise flussaufwärts sechs politische Territorien durchqueren: Herzogtum Kleve (preußisch), Herrschaft Broich bei Mülheim, Herzogtum Berg bei Kettwig, Stift Werden, Stift Essen bei Steele und die Grafschaft Mark. Streitigkeiten zwischen den Territorien verhinderten jedoch die um 1542 wie auch um 1737 beschlossene Schiffbarmachung der Ruhr.

Auf Geheiß des preußischen Königs Friedrich II. („Königliche Preußische Wasser- und Ufer-Ordnung für den Ruhr-Strom, in der Grafschaft Mark“ vom 10. Mai 1781) wurde die Ruhr bis Holzwickede schiffbar gemacht. Sie diente vor allem dem Transport von Steinkohle, aber auch Salz, Getreide und anderer Güter aus dem Ruhrtal und benachbarten Tälern. Beim Ausbau der Ruhr waren zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden, wie Klippen, Sand- und Kiesbänke. Neben den zahlreichen flachen und steilen Abschnitten, welche den Bau von Schleusen erforderlich machte, waren für die Anlage des Leinpfades Grundstücke entlang der Ruhr notwendig. Besonders die Abtei Werden und das Stift Essen wehrten sich gegen die Abgabe von Grundstücken, da durch Schiffbarmachung die märkische Kohle einen günstigen Transportweg erhielt und somit eine Konkurrenz zur Kohle in Essen darstellte.

Ein weiteres Problem bei der Ruhrschifffahrt war das Umladen der Transportgüter an den zahlreichen Wehren und Schlachten der Ruhr. Holz und Kalk vertrugen dies. Es sollten jedoch hauptsächlich Steinkohlen befördert werden. Für die Qualität der Kohle war dies untragbar, denn die Abnehmer in der Grafschaft Kleve wollten Stückkohlen. Der Bau von Schleusen war also notwendig. Die Kohlen wurden an den Kohlenniederlage übernommen.

Insbesondere wurden in den Jahren 1776 bis 1780 zwischen Duisburg und Langschede 16 neue Schleusen angelegt, an denen später bis zu 80 Schiffe täglich geschleust wurden. Zumeist bestanden die Schleusen noch aus Holz, später wurden sie dann mit Steinen erneuert. Zuvor hatten die Stauwehre, auch Schlagden genannt, nur der Energiegewinnung zum Mühlenbetrieb gedient. Heute dienen die Wehre in erster Linie der Wasserwirtschaft. Herzstück der Ruhrschifffahrt waren die Duisburger Häfen. Die Schiffbarmachung der nördlich gelegenen Emscher von Crange bis zum Rhein war von 1767 bis 1774 mit der Preußischen Regierung verhandelt, aber ergebnislos geblieben. Die Ruhrschifffahrt hingegen boomte und machte die Ruhr seinerzeit zu den meist befahrenen Flüssen Europas, obgleich die Ruhr ab Witten nur bis 1801 befahren wurde. Unter der Preußischen Regierung wurde die Ruhr auch reguliert, zahlreiche Untiefen beseitigt und Buhnen sorgen dafür, dass auch bei Niedrigwasser eine Fahrrinne besteht.

Den Höhepunkt erreichte die Schifffahrt 1860, als mit den Ruhraaken (s.u.) 867.734 Tonnen Steinkohle nach Duisburg verschifft wurden. Mit der Errichtung der Ruhrtal-Bahn (1872 bis 1876) verlor die Ruhrschifffahrt ihre Bedeutung. So fiel die Transportleistung parallel zum Bau der Bahn von Styrum nach Hagen auf knapp über 100.000 Tonnen im Jahr 1876 ab. 1889 passierte das letzte Kohlenschiff die Schleuse in Mülheim. Mit der Errichtung der Kanäle Dortmund-Ems-Kanal (1899), Rhein-Herne-Kanal (1914) und Wesel-Datteln-Kanal (1931) machte die Schifffahrt im nördlichen Ruhrgebiet Fortschritte.

Auf den fünf Ruhrstauseen: Kettwiger See (1950), Baldeneysee (1933), Kemnader See (1979), Harkortsee (1931) und Hengsteysee (1929) und in Witten auch auf der Ruhr selbst (MS Schwalbe II) verkehren heute Personenschiffe zur Naherholung. Weiterhin besteht an der Herbeder Schleuse eine Fährverbindung. Die Weiße Flotte mit „Heimathafen“ am Wasserbahnhof in Mülheim an der Ruhr führt die Personenschifffahrt auf dem Unterlauf der Ruhr durch.

Dem Wunsch der Initiative Das Ruhrtal nach mehr Anlegestellen treten die Natur- und Umweltschutzverbände mit einer Forderung nach mehr stiller Erholung und dem Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten entgegen. Auf dem Fluss prägen Ruderer und Kanuten das Bild, auf den Seen auch Windsurfer und kleine Segelboote. Die heute zumeist sehr gut ausgebauten, fast überall asphaltierten früheren Treidelwege der Ruhrschifffahrt teilen sich, nicht immer konfliktfrei, heutzutage Spaziergänger, Hundebesitzer, Fahrradfahrer und Skater.

Schiffe

Nachbau einer Ruhraak auf dem Gelände der Zeche Nachtigall

Die Ruhraaken (Sing.: die Ruhraak) waren Plattbodenschiffe, die früher für den Transport von Kohle auf der Ruhr verwendet wurden. Ähnliche Typenvarianten der Aaken waren die Kölner Aak und die Dorstener Aak.

Die Ruhraaken waren in der Größe den Schleusen angepasst, die auf der Ruhr zwischen 1776 und 1780 gebaut wurden. Die Schiffe besaßen eine Länge von 34 bis 35 m und eine Breite von 5 m. Bei einem Tiefgang von 0,8 m konnten sie bis zu 175 t Nutzlast transportieren.

Ruhraufwärts wurden sie, unterstützt durch Segel, von am Ufer laufenden Pferdegespannen mit bis zu 400 m langen Leinen getreidelt; ruhrabwärts ging es meist nur mit der Strömung. Unterstützt wurden die Schiffer dabei von einheimischen Steuerleuten.

Die Besatzung bestand aus dem Schiffer oder Kapitän, dem Vordermann, zwei Ruderknechten und dem Steuermann als Lotsen. Jede Aak besaß eine Kajüte als Wohnraum für den Kapitän.

Bei einer Qualifizierungsmaßnahme für arbeitslose Jugendliche in Mülheim an der Ruhr wurde ab dem Jahr 2000 eine Ruhraak originalgetreu nachgebaut. Da die Werften im 19. Jahrhundert ohne Zeichnungen arbeiteten, dienten als Quellen unter anderem alte Vertragsunterlagen mit Baubeschreibungen sowie die Ergebnisse einer damaligen Wirtschaftsspionage. Die Ruhraak-Replik steht heute im Industriemuseum auf der Zeche Nachtigall in Witten.

Schleusen

Die Schleusen besaßen eine genormte Kammerlänge von etwa 44,5 und eine Breite von etwa 5,4 Metern. Daneben befanden sich oftmals Häuser für die Schleusenwärter.

Zu den Schleusen zählen um 1780 (in Klammern die Flusskilometer ab der Mündung):

  1. Ruhrschleuse Mülheim (12,6)
  2. Schleuse Kettwig (21,5)
  3. Papiermühlenschleuse Werden
  4. Schleuse Neukirchen
  5. Schleuse Baldeney (29,3)
  6. Schleuse Rohmannsmühle (38,4)
  7. Schleuse Spillenburg (42,0)
  8. Schleuse Horst (47,4)
  9. Schleuse Dahlhausen (49,9)
  10. Schleuse Hattingen (57,5)
  11. Schleuse Blankenstein (61,8)
  12. Schleuse Kemnade, Stiepel (64,3)
  13. Herbeder Schleuse (69,2)
  14. Steinhauser Schleuse
  15. Schleuse Witten
  16. Schleuse Wetter (82,6)
  17. Schleuse Herdecke

Siehe auch

Duisburg-Ruhrorter Häfen, Innenhafen Duisburg, Liste der Sehenswürdigkeiten im Ruhrtal, Treidelstation, Route der Industriekultur – Geschichte und Gegenwart der Ruhr

Literatur

  • Ludwig Benjamin Henz: Der Ruhrstrom und seine Schifffahrts-Verhältnisse, Essen 1840
  • Wilhelm Behrenbeck: Die Schiffbarmachung der Ruhr, Hamburg, 1926
  • Gustav Adolf Wüstenfeld, Wilhelm Dege: Die Ruhrschiffahrt von 1780-1890, 1978, ISBN 392201402X
  • Staatliches Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft Düsseldorf, Außenstelle Duisburg (Hrsg.): 200 Jahre Ruhrschiffahrt, Duisburg 1980
  • Walter Ollenik, Jürgen Uphues: Von Mühlen, Schleusen und Turbinen. Klartext-Verlag. ISBN 3-89861-375-5
  • Olaf Schmidt-Rutsch: Kohlenschiffe auf der Ruhr. Essen 2000
  • Olaf Schmidt-Rutsch: Salzschiffahrt auf der Ruhr. In Memoriam Dr. Jürgen Heinrich Gethmann, in: Märkisches Jahrbuch für Geschichte, hrsg. v. Heinrich Schoppmeyer, 102. Band, 2002, S. 125-143
  • Olaf Schmidt-Rutsch: Schiffahrt auf der Ruhr, in: Märkisches Jahrbuch für Geschichte, hrsg. v. Heinrich Schoppmeyer,
  • Olaf Schmidt-Rutsch: Kohlenschifffahrt auf der Ruhr, in: Zeche Nachtigall. Museumsführer, hrsg. v. Ingrid Telsemeyer, Klartext-Verlag. ISBN 3-89861-179-5, S. 100-139
  • Wolfhard Weber: Die Ruhrschiffahrt im 19. Jahrhundert. In: Jahrbuch des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark zu Witten e. V. 78 (1980), S. 57-65
  • Ralf Molkenthin, Hardy Priester: Schiffe auf der Ruhr, in: Blicke auf das Mittelalter, Aspekte von Lebenswelt, Herrschaft, Religion und Rezeption, Festschrift Hanna Vollrath zum 65ten Geburtstag, hrsg. v. Bodo Gundelach und Ralf Molkenthin, Herne 2004, S. 217-235
  • Ralf Molkenthin: ...‘erlauben Wir, die Ruhr bis zum Kloster mit dem Schiff zu befahren...‘, Mittelalterliche Binnenschiffe auf der Ruhr und anderswo. In: Märkisches Jahrbuch für Geschichte, 105. Band, 2005, S. 7-32.
  • A. Weiß: Die Ruhrschiffahrt bei Hattingen. In: Jahrbuch des Vereins für Heimatpflege im Kreise Hattingen, 1.Jahrgang, 1922, S.129-132
  • Heinrich Blesken: Wittener Heimatbuch, Witten 1948, S.151-159

Weblinks


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