- Schaltfunktion
-
Eine Boolesche Funktion (auch logische Funktion) ist eine mathematische Funktion der Form (teilweise auch allgemeiner ). B ist dabei eine Boolesche Algebra.
Der Funktionsbezeichner, hier F, wird für Boolesche Funktionen im Allgemeinen groß gewählt, da in einer Booleschen Algebra die verwendeten Größen bevorzugt mit Großbuchstaben bezeichnet werden. Boolesche Funktionen sind dann in Ausdrücke der Booleschen Algebra einsetzbar und können wie Variablen behandelt werden. Die Verknüpfungen einer Booleschen Algebra wie ∧, ∨ oder ¬ sehen aus wie spezielle ein- und zweistellige Boolesche Funktionen, sie sind jedoch nicht mit den entsprechenden Booleschen Funktionen zu verwechseln. Es handelt sich lediglich um Verknüpfungen auf einer Menge, über die noch nichts weiter bekannt ist, während für die Definitions- und Wertebereiche einer Booleschen Funktion bereits alle Axiome einer Booleschen Algebra als gegeben vorausgesetzt werden können.
Inhaltsverzeichnis
Unterscheidung nach Stelligkeit
Wie bei der Untersuchung anderer Funktionstypen auch unterscheidet man Boolesche Funktionen gerne nach ihrer Stelligkeit. Aufgrund der auf die Binärzahlen eingeschränkten Definitions- und Wertebereiche sind niederstellige Boolesche Funktionen verhältnismäßig einfach zu handhaben. So gibt es überhaupt nur 4 verschiedene einstellige Boolesche Funktionen, die man als Identität, Negation, konstante 1 und konstante 0 bezeichnen kann. Für die Boolesche Algebra ist hier insbesondere die Negation von Bedeutung. Die Anzahl der zweistelligen Booleschen Funktionen beträgt bereits 16. Zu den wichtigsten zählen dabei Konjunktion, Disjunktion, Äquivalenz, Antivalenz, NAND und NOR. Es existieren allgemein n-stellige Boolesche Funktionen. Beispielsweise existieren verschiedene vierstellige Boolesche Funktionen. Im folgenden werden Boolesche Funktionen verschiedener Stelligkeit etwas näher beschrieben.
Fall n=0
- 220 = 21 = 2
Das sind die zwei Konstanten 1 und 0, auch wahr und falsch, verum und falsum, true und false genannt.
Fall n=1
- 221 = 22 = 4
Die vier möglichen Booleschen Funktionen y = f0(x) … f3(x) mit einer Variablen sind:
x 0 1 Funktion (y =) Name f0 0 0 0 Kontradiktion f1 0 1 x Identität f2 1 0 ¬x = x = 1 − x Negation f3 1 1 1 Tautologie Fall n=2
Für zwei Variablen y = f(x1, x2) gibt es
- 222 = 24 = 16
verschiedene Boolesche Funktionen. Diese Funktionen y = f0(x1, x2) … f15(x1, x2) sind:
Zweistellige Boolesche Funktionen x1, x2 0, 0 0, 1 1, 0 1, 1 Funktion Name f0 0 0 0 0 x1 · x1 0 x1 ∧ ¬x1 Kontradiktion, Nullfunktion f1 0 0 0 1 x1 · x2 ⌊x1, x2⌋ x1 ∧ x2 Konjunktion, AND(x1, x2) f2 0 0 1 0 x1 · x2 x1 > x2 x1 ↛ x2 Inhibition von x1 f3 0 0 1 1 x1 x1 x1 Identität von x1 f4 0 1 0 0 x1 · x2 x1 < x2 x1 ↚ x2 Inhibition von x2 f5 0 1 0 1 x2 x2 x2 Identität von x2 f6 0 1 1 0 (x1 · x2) + (x1 · x2) x1 ≠ x2 x1 ↮ x2 Antivalenz, Alternative, XOR(x1, x2) f7 0 1 1 1 x1 + x2 ⌈x1, x2⌉ x1 ∨ x2 Disjunktion, OR(x1, x2) f8 1 0 0 0 x1 + x2 = x1 · x2 1 − ⌈x1, x2⌉ x1 ↓ x2 Peirce-Funktion, NOR(x1, x2) f9 1 0 0 1 (x1 · x2) + (x1 · x2) x1 = x2 x1 ↔ x2 Äquivalenz f10 1 0 1 0 x2 1 − x2 ¬x2 Negation von x2, NOT(x2) f11 1 0 1 1 x1 + x2 x1 ≥ x2 x1 ← x2 Replikation f12 1 1 0 0 x1 1 − x1 ¬x1 Negation von x1, NOT(x1) f13 1 1 0 1 x1 + x2 x1 ≤ x2 x1 → x2 Implikation f14 1 1 1 0 x1 · x2 = x1 + x2 1 − ⌊x1, x2⌋ x1 ↑ x2 Sheffer-Funktion, NAND(x1, x2) f15 1 1 1 1 x1 + x1 1 x1 ∨ ¬x1 Tautologie, Einsfunktion Fall n>2
Bei drei Variablen gibt es bereits 28 = 256 Boolesche Funktionen, bei vier Variablen 216 = 65.536, bei fünf Variablen 232 = 4.294.966.416, bei sechs Variablen sind es 264 = über 18 Trillionen, also zu viel, um sie hier alle darzustellen.
Grafische Veranschaulichung
Die grafische Veranschaulichung boolescher Funktionen kann zumindest für niedrigstellige Funktionen durch Auftragen von Punkten in einem Koordinatensystem erfolgen. Einstellige Funktionen lassen sich in einem kartesischen Koordinatensystem als Eckpunkte eines Einheitsquadrats auftragen. Für zweistellige Funktionen gelingt dies noch einigermaßen anschaulich mittels der Eckpunkte eines Einheitswürfels in einem dreidimensionalen Koordinatensystem. n-stellige Funktionen lassen sich allgemein in einem n+1-dimensionalen Koordinatensystem als ein n+1-dimensionaler Einheitshyperwürfel darstellen.
Algebraische Darstellbarkeit
Diese Darstellung wird jedoch spätestens ab vier Variablen zu komplex, um noch anschaulich zu sein. Daher ist für höhere Dimensionen unbedingt ein algebraischer Zugang erforderlich. Tatsächlich ist es möglich, jede beliebige (etwa mittels einer Funktionstafel willkürlich festgelegte) Boolesche Funktion rein algebraisch auszudrücken. Ein System von Booleschen Funktionen, welches dies ermöglicht, bezeichnet man auch als vollständiges Operatorensystem oder Verknüpfungsbasis. Vollständige Operatorensysteme sind etwa das UND-ODER-NICHT-System, das UND-Antivalenz-System, das NAND- und das NOR-System. Man beachte, dass es sich bei diesen Funktionen nicht um die Verknüpfungen der zugrundeliegenden Booleschen Algebra handelt, sondern um definierte Funktionen.
Boolesche Grund- bzw. Basisfunktionen
Jede Boolesche Funktion mit zwei oder mehr Eingängen lässt sich mit den Funktionen UND (Konjunktion), ODER (Disjunktion) und NICHT (Negation) realisieren. In der Praxis wird das auch so gehandhabt. Deshalb sind diese drei Boolesche Funktionen die Grundfunktionen.
Wegen der De Morganschen Regel reichen grundsätzlich auch zwei dieser drei Grundfunktionen aus (NICHT zusammen mit ODER oder NICHT zusammen mit UND).
Beispiel XOR-Funktion
Bei der XOR-Verknüpfung ist der Ausgangszustand 1 (wahr), wenn die beiden Eingangszustände x1 und x2 unterschiedlich sind:
x1 x2 y 0 0 0 0 1 1 1 0 1 1 1 0 In der disjunktiven Normalform geschrieben:
Beispiel Mehrheits-Funktion
Angenommen man hat drei Personen, die jeweils einen Schalter vor sich haben. Eine Lampe l soll nur aufleuchten, wenn die Mehrheit, also zwei der Personen oder alle drei, ihren Schalter betätigen:
Da sich und s1s2s3 nur in einem Zustand unterscheiden, kann man den sich unterscheidenden Teil wegfallen lassen: s2s3. Das gleiche gilt für und s1s2s3, sowie für und s1s2s3, so dass am Ende folgende optimierte Funktion übrig bleibt:
Vollständige Logiksysteme
Mit den Grundverknüpfungen AND, OR und NOT können alle anderen Verknüpfungen dargestellt werden. Man bezeichnet daher diese Verknüpfungen als vollständiges System oder auch Verknüpfungsbasis. Für einen Schaltungsentwurf hat dieser Umstand einen Vorteil: Es werden lediglich drei Grundschaltungen benötigt die dieses vollständige System (AND, OR, NOT) realisieren. Durch eine entsprechende Kombination der Grundoperatoren können dann alle anderen Operatoren gebildet werden.
Die NAND-Verknüpfung stellt bereits ein solches vollständiges System dar. Beweisen kann man diesen Sachverhalt sehr einfach indem man mit einem NAND die Grundverknüpfungen AND, OR und NOT nachbildet. Das gleiche gilt auch für die NOR-Verknüpfung.
Normalformen (DNF, KNF, RSNF)
Jede Boolesche Funktion lässt sich in einer Normalform darstellen. Eine Überführung von einer Normalform in eine andere ist möglich. Normalformen sind nützlich für bestimmte Algorithmen, Schaltungen oder Beweise. Beispiele von Normalformen sind:
- Disjunktive Normalform (DNF)
- Konjunktive Normalform (KNF)
- Ringsummennormalform (RSNF)
Besondere Boolesche Funktionen
- Die immer wahr berechnende Funktion heißt Tautologie.
- Die immer falsch berechnende Funktion heißt Kontradiktion.
- Einstellige Boolesche Funktionen, die immer genau den Eingangswert zurückliefern, nennt man Identität.
- Einstellige Boolesche Funktionen, die immer genau die Umkehrung des Eingangswertes zurückliefern, nennt man Negation.
- Symmetrische Boolesche Funktionen, die invariant gegenüber Permutationen der Eingabevariablen sind, d.h. der Funktionswert ist nur von der Anzahl der Einsen im Argument, nicht aber von deren Position abhängig.
Boolesche Funktionen in Kombination
Man kann komplexere Strukturen erhalten, wenn man mehrere Boolesche Funktionen zusammenfasst. So erhält man beispielsweise einen Halbaddierer, wenn man die gleichen Eingänge x und y für die UND- und die XOR-Funktion verwendet, um am Ausgang der UND-Funktion den Carry-Zustand c, und am Ausgang der XOR-Funktion den Summen-Zustand s zu bekommen.
Wikimedia Foundation.