Schanzenviertel

Schanzenviertel
Basisdaten
Bundesland: Hamburg
Fläche: 0,4 km²
Einwohner: 9.475 (2004)
Bevölkerungsdichte: 23.140 Einwohner je km²

Als Schanzenviertel, auch Schanze oder Die Schanze, wird in der Hamburger Bevölkerung und Verwaltung ein je nach Auslegung etwa 0,2 bis 0,4 Quadratkilometer umfassendes Quartier in den Stadtteilen Sternschanze und Eimsbüttel bezeichnet. Das Viertel gilt als Szeneviertel Hamburgs.

sog. Piazza am Schulterblatt
Susannenstraße
Fassaden
Hinterhof

Dieser Stadtbereich zeichnet sich vor allem durch ein individuelles soziokulturelles Gepräge der Bevölkerung sowie das dichte Gemisch von Wohn-, Geschäfts- und Gewerbebebauung aus. Seinen Namen hat das Viertel von der 1682 dort gebauten Verteidigungsanlage Sternschanze. Auf diesem Hügel befindet sich heute der Sternschanzenpark mit der angrenzenden U- und S-Bahn-Station Sternschanze und die Schanzenstraße. Die Straße Schulterblatt, die durch das Schanzenviertel führt, trägt in ihren Namen die Erinnerung an eine alte Walfängerkneipe, deren Ladenschild aus dem Schulterblatt eines Wals bestand.

Einst ein verarmtes, heruntergekommenes Altbauviertel, das der autonomen antibürgerlichen Protestbewegung eine Basis bot und dessen Abriss teilweise geplant war, gilt es heute als Szeneviertel in Hamburg und ist bei jungen Erwachsenen ein beliebtes Wohngebiet wegen seiner alternativen Kultur, gestaltet auch durch Immigration. Viele Bars, Restaurants, ausländische Kleinunternehmer, Modeboutiquen und die dazugehörige Kundschaft prägen im Zentrum das Straßenbild. Studenten entdeckten das Arbeiterquartier in den 1970er Jahren als Uni-nahe, preisgünstige Wohngegend.

Während des Internet-Booms von 1998 bis 2001 war das Schanzenviertel ein Zentrum der Entwicklung der New Economy in Hamburg mit Firmen wie Kabel New Media, Fork, Pixelpark und ID-Media, von denen in der darauffolgenden Krise viele pleite gingen. Der Boom machte sich auch durch neue Forderungen nach Law and Order angesichts von Drogenhandel und entsprechende steigende Mieten bemerkbar, die sich sozial Schwächere oft nicht mehr leisten können (Gentrifizierung[1]). So kam es teilweise auch zu sozialen Konflikten zwischen verarmten langjährigen Bewohnern und finanziell bessergestellten Neuankömmlingen. Mit der Roten Flora, einem Kultur- oder Subkulturzentrum, hat hier neben der Hafenstraße das letzte verbliebene Hausbesetzungsprojekt der Stadt überdauert, früher als Rückzugsort für Straftäter kritisiert, heute durch Konzerte bekannt.

Gegenüber der roten Flora liegt die sog. Piazza, eine Gastronomiemeile und ein beliebtes Touristenziel, geplant von der Steg und eingeweiht 2002.

Das allgemeine Lebensgefühl ist links-liberal und von alternativer Mode und Popkultur gekennzeichnet, auch wenn viele der einstmaligen legendären besetzten Häuser (z. B. Laue-Häuser) und improvisierten Orte der Kultur längst verschwunden sind oder kommerzialisiert wurden. Das Viertel ist immer noch bekannt für große Solidarität untereinander, was z. B. in den Konflikten um den Bauwagenplatz Bambule oder um den Hotelbau im ehemaligen Wasserturm des Sternschanzenparks zum Ausdruck kam. Diskussionen um Multikulti und Integration spielen vor Ort so gut wie keine Rolle, konservative oder rechtsextreme Parteien sind unpopulär. Meist gibt es am 30. April, parallel zu Berlin-Kreuzberg, die obligatorische „Tanz-in-den-Mai-Randale“. Die Zeitschrift Spiegel brachte im Jahr 2005 eine Reportage über die Bewohner des Schanzenviertels, sie stellte die Bewohner als Anhänger eines alternativen Konformismus dar, der etwa an der Mode ersichtlich sei (dicke Sonnenbrille, Army-Hose, Nietengürtel).

Inhaltsverzeichnis

Lage

Da das Gebiet keine eigenständige Verwaltung hat, existieren keine festgelegten Grenzen. In der Regel wird das Quartier um das Schulterblatt zwischen Schlachthof Hamburg, Schanzenpark, Altonaer Straße, Max-Brauer-Allee, Sternbrücke, Stresemannstraße und Heiligengeistfeld zum Schanzenviertel gerechnet. Nach diesem Verständnis liegt das Viertel im Wesentlichen im 2008 neu gebildeten Stadtteil Hamburg-Sternschanze, mit kleinen Teilen im nördlichen Randbereich in Eimsbüttel und Rotherbaum; der nordwestliche Teil gehört zu Altona-Altstadt und Altona-Nord.

Für die Stadtplanung wird eine größere Gebietsumgrenzung verwendet, die in der Bevölkerung weniger gebräuchlich ist und zusätzlich zu den oben genannten Gebieten einen Teil von Eimsbüttel zwischen Schäferkampsallee, Bellealliancestraße/Waterloostraße, Eimsbütteler Straße und Altonaer Straße dazurechnet. Nach beiden Definitionen verteilt sich das Quartier über drei der sieben Hamburger Stadtbezirke (Hamburg-Mitte, Altona und Eimsbüttel).

Bis 1864 verlief mitten durch das Viertel die hamburgische Grenze zum Hoheitsgebiet der dänischen Krone, weil das holsteinische Altona im dänischen Gesamtstaat lag. In Erinnerung an den Grenzverlauf Altona/Hamburg, der als Grenze zwischen zwei Städten bis 1938 und zwischen zwei deutschen Teilstaaten bis 1937 Bestand hatte, wurden bei einer Umgestaltung des Platzes vor der roten Flora Grenzsteine in den Bürgersteig eingelassen. Das benachbarte Karolinenviertel (Karoviertel) gehört nicht zum Schanzenviertel, hat mit diesem jedoch viele Gemeinsamkeiten. Aufgrund des „Gesetzes zur Bestimmung der Ortsteilgrenzen des Stadtteils Sternschanze“ vom 6. März 2007 wurde der größte Teil des Schanzenviertels zum 1. März 2008 formell ein eigener Stadtteil und als Ganzes dem Bezirk Altona zugeordnet.

Schanzenfest

Das Schanzenfest ist ein seit 1988[2] jährlich stattfindendes links-alternatives Straßenfest, welches jedes Jahr tausende Besucher anzieht.[3] Dazu gibt es am Schulterblatt und in den umliegenden Straßen einen großen Flohmarkt, verschiedene kulinarische Angebote, Straßenkünstler sowie alternative Musik. Seit 2003 kommt es im Anschluss an das in der Regel friedlich verlaufende Fest zu Ausschreitungen zwischen Linksautonomen und gewaltorientierten jungen Menschen sowie der Polizei. Dabei richtet sich die Gewalt vor allem gegen Banken und Geschäfte,[1] sowie gegen die Polizei selbst, die den Krawallen mit einem Großaufgebot und Wasserwerfern gegenübersteht. Seit 2004 findet das Fest unangemeldet statt, da die Veranstalter die städtischen Auflagen für nicht zumutbar halten.[2]

Im Juli 2009 lieferten sich 1000 Randalierer Straßenschlachten mit der Polizei, wobei die Polizisten mit Flaschen, Feuerwerkskörpern und Molotow-Cocktails angegriffen und im weiteren Verlauf 67 Randalierer vorläufig festgenommen wurden.[4] Da das Fest im Juli 2009 nach Meinung der Veranstalter wegen des Polizeieinsatzes nicht zum Ende geführt werden konnte, wurde es im September 2009 fortgesetzt.[2] Auch die zweite Auflage des Festes 2009 endete mit einem größeren Polizeieinsatz, nachdem eine Polizeiwache angegriffen wurde und es im weiteren Verlauf zu größeren Sachbeschädigungen kam.[5]. Im Jahr 2010 wurde das Schanzenfest erst kurz vor seinem Veranstaltungstag durch die zuständigen Behörden genehmigt. Die Bilanz des Tages: 42 Festnahmen und 14 Verletzte.[6]

Weblinks

 Commons: Hamburg-Schanzenviertel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
53.5617839.962132

Anmerkungen

  1. a b | Kritische Betrachtung „Feldforschung mit Pflasterstein“
  2. a b c Digitaz vom 16. Juli 2009: Ein Fest wird kommen (abgerufen am 17. September 2009)
  3. http://www.welt.de/hamburg/article1207365/Schanzenfest_endet_in_wuester_Strassenschlacht.html (abgerufen am 16. September 2009)
  4. http://www.faz.net/s/Rub77CAECAE94D7431F9EACD163751D4CFD/Doc~E756DB5F61C3A4D149C6274D8553EAC5E~ATpl~Ecommon~Scontent.html (abgerufen am 16. September 2009)
  5. Spiegelonline vom 13. September 2009: Am Ende kamen die Wasserwerfer (abgerufen am 17. September 2009)
  6. http://www.hotspot-hh.de/index.php?option=com_content&view=article&id=78:schanzenfest-42-festnahmen-14-verletzte&catid=51:veranstaltungen&Itemid=57

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