Schockwellen

Schockwellen
USS Iowa (BB-61) feuert eine volle Breitseite während einer Zielübung nahe der Insel Vieques (Puerto Rico) am 1. Juli 1984

Als Stoßwelle (engl. shock wave, oft falsch mit Schockwelle übersetzt) wird in der Strömungslehre eine starke Druckwelle bezeichnet, die durch Explosionen oder andere Phänomene erzeugt wird, die extreme Druckunterschiede hervorrufen. Die Druckwelle läuft dabei als Wellenfront durch das Medium.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und grundlegende Eigenschaften von Stoßwellen

In kompressiblen, d. h. verdichtbaren Medien, beispielsweise Gasen, breiten sich Störungen, etwa von hindurchbewegten Festkörpern hervorgerufene Druckänderungen, durch das Medium als Druckwellen aus, die sich mit der Schallgeschwindigkeit des Mediums bewegen. Bewegt sich die Störung nur langsam im Vergleich zur Schallgeschwindigkeit, erlaubt es die Druckwelle dem Medium, sich neu zu verteilen, um die Störung auszugleichen, und verhält sich genau wie ein inkompressibles Medium.

Bewegt sich die Störung jedoch schneller als die durch sie verursachten Druckwellen, kann die Materie des Mediums nahe der Störungsquelle nicht schnell genug reagieren, um der Störung auszuweichen. Die Zustandsgrößen des Mediums (Dichte, Druck, Temperatur, Geschwindigkeit usw.) verändern sich daher nahezu momentan, um sich der Störung anzupassen. Dadurch werden dünne Störungswellen mit stark ansteigendem Druck erzeugt, Stoßwellen genannt, und eine schockartige Erhitzung des Materials bewirkt. Die Stoßwellen klingen schließlich zu normalen Druckwellen ab, wenn ihre Energie vom Medium absorbiert wird.

Ähnliche Phänomene sind auch außerhalb der Strömungslehre bekannt. Beispielsweise erzeugen Teilchen, die in bestimmten Medien wie etwa Wasser über die dort geltende Lichtgeschwindigkeit (Phasengeschwindigkeit) beschleunigt werden (sie beträgt im Wasser nur etwa 230.000 km/s), einen Schockeffekt, der als Tscherenkow-Strahlung bekannt ist.

Es gibt zwei grundlegende Typen von Stoßwellen, die allerdings physikalisch äquivalent sind und sich nur durch die Wahl des Bezugssystems unterscheiden:

  1. Fortschreitende Wellen im stehenden Medium: Sie werden durch plötzliche Störungen im Medium, etwa durch eine Explosion oder ein Projektil, hervorgerufen und bewegen sich mit Überschallgeschwindigkeit. Siehe auch: Verdichtungsstoß.
  2. Stehende Wellen im fließenden Medium: Sie werden dadurch hervorgerufen, dass von einer Quelle kontinuierlich Materie ausgestoßen wird, wie z. B. der Sonnenwind der Sonne oder die Antriebsgase in einem Raketentriebwerk. Solche Wellen können einen Gleichgewichtszustand erreichen, in dem sie den Windausstoß begrenzen.

Beispiele

Fortschreitende Stoßwellen

  • Detonationen, wie beispielsweise die von Bomben, sind in der Lage, mit ihren Stoßwellen Gegenstände durch die Luft fliegen zu lassen und zu zerstören. Für solche Detonationswellen existieren genaue empirische und theoretische Rechenmodelle. Ein pyrotechnischer Satz bildet keine Stoßwelle aus, er detoniert daher auch nicht, man spricht von (schnellem) Abbrand oder Deflagration.
  • Flugzeuge, die mit Überschallgeschwindigkeit fliegen, verursachen eine kegelförmige Stoßwelle, den Machschen Kegel. Auch in die Atmosphäre eindringende Meteoroide verursachen Stoßwellen, welche für die Lichterscheinung der Meteore mitverantwortlich sind.
  • Das um den Blitzkanal stark aufgeheizte Luftplasma bewirkt durch die von ihm (wenige Meter) ausgehende Stoßwelle den Donnerknall bei Gewittern. Es handelt sich also um eine Art Explosion entlang des Blitzkanals. Infolge der unregelmäßigen, oft stark verästelten Form des Blitzkanals sowie atmosphärischer Temperaturschwankungen und starker Winde, welche den Lauf der Wellen beeinflussen, ertönt nicht ein einziger Schlag sondern meist eine ganze Serie mehr oder weniger starker Schläge, die in größerer Entfernung – wo die Stoßwellen zu akustischen Wellen abgeklungen sind – das typische Grollen oder Rumpeln des Donners bilden.
  • Im Interstellaren Medium können Stoßwellen durch Supernovae oder durch Eindringen von Gas- und Staubwolken (z. B. eine Zwerggalaxie) in eine gasreiche Galaxie wie die Milchstraße verursacht werden und durch die Verdichtung von Gas- und Staubwolken zur Sternentstehung führen. Nachweisbar sind sie auch anhand der vom stoßerhitzten Medium ausgestrahlten Röntgenstrahlung.

Stehende Stoßwellen

  • Die Grenze der Magnetosphäre der Erde wird durch eine Stoßwelle gekennzeichnet, an deren Front die Teilchen des Sonnenwinds abrupt abgebremst werden. Da die mittlere Geschwindigkeit der Teilchen im ungestörten Strom relativ zur Erde größer ist als die Schallgeschwindigkeit innerhalb des bewegten Mediums, kommt es zur Stoßwellenformation.
  • In ca. 50–100 AU Entfernung wird der Sonnenwind durch das Interstellare Medium abgebremst. An der Grenze, dem Termination Shock, kann eine Stoßwelle auftreten.
  • In Raketentriebwerken können bei fehlerhafter Konfiguration Stoßwellen auftreten, die zur Zerstörung der Rakete führen können. Die maximale Ausstoßgeschwindigkeit und damit die Schubleistung wird unter anderem durch die Notwendigkeit der Vermeidung von Stoßwellen begrenzt.

Anwendung in der Medizin und der Physiotherapie

Diese Stosswellen werden außerhalb des Körpers erzeugt, daher heißen sie extrakorporal. Sie können hydraulisch, elektromagnetisch, piezoelektrisch oder pneumatisch-ballistisch generiert werden. Man unterscheidet nach der Form ihrer Ausbreitung zwischen radialen und fokussierten Stoßwellen unterschiedlicher Energien.

In der Medizin werden hochenergetische fokussierte Stoßwellen in der ESWL (Extrakorporale Stoßwellenlithotrypsie) zur Zertrümmerung von Harn-, Gallen-, Nieren- und Speichelsteinen genutzt.

Hochenergetische Stoßwellen (ESWT) nutzt man in der Orthopädie zur Behandlung von nicht heilenden Knochenbrüchen (Pseudarthrosen) und zur Erosion von Verkalkungen an Sehnen und Einlagerungen in Gelenken.

Niederenergetische Stoßwellen ermöglichen eine effektive Behandlung von Schmerzen an Sehnenansätzen wie Tennisellenbogen, Golferellenbogen und dem schmerzhaften Fersensporn und Schmerzen bei Arthrosen (Verschleißerkrankungen) und bei chronischen Schmerzen an knochennahen Weichteilen.

Zunehmend setzt sich die Stoßwelle auch als schmerzarmes Verfahren in der sogenannten Triggerpunkttherapie von Muskelverhärtungen durch. Dabei werden die Triggerpunkte (=Myogelosen) des Muskels z. B. bei Nackenschmerzen und Schmerzen im unteren Rücken behandelt. Mit den Geräten kann nicht nur die Behandlung durchgeführt werden, sondern sie ermöglichen auch eine gezielte Diagnostik der verhärteten und verkürzten, meist oft sehr schmerzhaften Muskelareale. Diese Muskelareale sind je nach Krankheitsbild mit lokalen oder Ferntriggern versehen, die im Verlauf der weiteren Behandlung beachtet werden müssen.

Durch ihre relativ einfache Handhabung (keine bildgebenden Verfahren notwendig, kaum Risiken, wenig Schmerz für den Patienten) findet insbesondere die niedrigenergetische radiale Stoßwellentherapie in der letzten Zeit immer mehr Verwendung in der Physiotherapie.

Siehe auch

Weblinks


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