7. Sinfonie (Beethoven)

7. Sinfonie (Beethoven)

Ludwig van Beethovens 7. Sinfonie in A-Dur op. 92 entstand in den Jahren 1811–1812. Die autographe Partitur datiert am 13. April 1812. Der Widmungsträger ist Moritz Reichsgraf von Fries.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Als Beethoven mit der Komposition der 7. Sinfonie begann, war er mit dem Abschluss von Die Ruinen von Athen beschäftigt. Während der Arbeit an der Sinfonie empfand Beethoven Triumph über die sich abzeichnende Niederlage Napoleons.

Beethovens Leben war zu dieser Zeit einerseits von seiner immer stärker werdenden, durch Otosklerose verursachten Taubheit geprägt, die auch nicht von einer von Metronom-Erfinder Johann Nepomuk Mälzel konstruierten „Hörmaschine“ gemildert werden konnte und schließlich die Verwendung von „Konversationsheften“ nötig machte, mit deren Hilfe Beethovens Gesprächspartner schriftlich mit dem Komponisten kommunizierten; andererseits stammt ein von Beethoven am 6./7. Juli 1812 während eines Kuraufenthalts in Teplitz verfasster Liebesbrief an die „Unsterbliche Geliebte“ aus dieser Zeit.[1]

Satzbezeichnungen

  1. Poco sostenuto – Vivace
  2. Allegretto
  3. Scherzo. Presto
  4. Allegro con brio

Besetzung

Besetzt sind je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte, Trompeten, Hörner, Pauken und Streicher. Die Aufführungsdauer liegt etwa zwischen 35 und 42 Minuten, wobei eine Verkürzung der Dauer meist auf nicht ausgeführte Wiederholungen der Exposition im 1. und 4. Satz zurückzuführen ist.

Orchesterbesetzung 2, 2, 2, 2 - 2, 2, 0, 0, timp, Str.

Zur Musik

Erster Satz

In den ersten 62 Takten des ersten Satzes bildet sich immer mehr der das ganze Werk bestimmende Rhythmus heraus, bis er sich in den ersten vier Takten des Vivace endgültig manifestiert.[2] Dieser Rhythmus veranlasste Richard Wagner, die Sinfonie als „Apotheose des Tanzes“ zu bezeichnen; Hector Berlioz wiederum verglich den ersten Satz mit einer „ronde de paysans“ (deutsch: „Bauerntanz“).[3] Das Hauptmotiv im 1. Satz weist Ähnlichkeiten mit dem 2. Thema des 4. Satzes der Sinfonie D-Dur KV 97 auf, die möglicherweise von Wolfgang Amadeus Mozart komponiert wurde. Der Musikwissenschaftler Neal Zaslaw schrieb über diese Ähnlichkeit:

„Gespenstisch ist die Vorwegnahme einer Passage im 1. Satz von Beethovens 7. Sinfonie, nicht nur des Themas wegen, sondern auch wegen seiner ebenfalls sofortigen Wiederholung in Moll. Beethoven kann dieses unveröffentlichte Werk nicht gekannt haben. Wir müssen also entweder an einen erstaunlichen Zufall glauben oder annehmen, dass sie beide von einem Werk eines uns unbekannten Dritten inspiriert wurden.“

Neal Zaslaw: Mozarts früheste Sinfonien. Sinfonie in D-dur, KV 73m/97; London 1986[4]

Zweiter Satz

Im Gegensatz zum ersten Satz wird der zweite Satz von der ersten Note an vom Rhythmus bestimmt. Wolfgang Osthoff setzte den feierlichen Charakter dieses oft als Trauermarsch bezeichneten Satzes in Bezug zur Litaneiformel „Sancta Maria, ora pro nobis“ und verglich ihn mit einer Prozession.[5] Beethoven bricht in diesem Satz mit der Tradition, indem er ihn mit einem Quart-Sext-Akkord, der traditionsgemäß lediglich im Solokonzert zur Kadenz überleiten durfte, beginnen und enden lässt.[6]

Fünf Jahre vor der Komposition der 7. Sinfonie hatte Beethoven ursprünglich geplant, das Thema des zweiten Satzes für den langsamen Satz in seinem Streichquartett Nr. 9 C-Dur op. 59,3 einzusetzen.[7] Karl Nef zufolge enthält der Mittelteil des Satzes mit einer Melodie von Klarinette und Fagott eine motivische Anleihe an die Arie »Euch werde Lohn in besseren Welten« aus Beethovens Oper „Fidelio“.[8]

Dritter Satz

Der dritte Satz beginnt mit dem abgewandelten Thema der Einleitung und bildet mit seinem lebhaften Charakter einen Kontrast zum Allegretto. Die thematische Arbeit besteht aus in keiner Stimme zu Ende geführten Wiederholungen. Das aus fünf Teilen (A-B-A-B-A) bestehende Scherzo (eine solche Fünfteilung findet sich auch in Beethovens vierter Sinfonie sowie auch einigen weiteren Werken aus Beethovens mittlerer Periode[9]) endet relativ abrupt mit fünf Orchesterschlägen, was von Robert Schumann mit den Worten „Man sieht den Komponisten ordentlich die Feder wegwerfen“ beschrieben wurde.

Vierter Satz

Der stürmische Charakter des vierten Satzes veranlasste Carl Maria von Weber angeblich, Beethoven „reif fürs Irrenhaus“ zu erklären (nach anderen Quellen war es der erste Satz[3]); Clara Schumanns Vater Friedrich Wieck mutmaßte, „daß diese Sinfonie nur im unglücklichen – im trunkenen Zustand komponiert sein könne, namlich der erste und der letzte Satz“. Es gilt als unsicher, ob Beethoven von dem irischen Volkslied Nora Creina, von Csárdás-Rhythmen oder von dem von François Joseph Gossec verfassten Triumphmarsch Le Triomphe de la République inspiriert wurde.[10] In seinem Buch Von Beethoven bis Mahler schreibt Musikwissenschaftler Martin Geck, dass „die Verkündigung des Ethos“ aus den Finalsätzen von Beethovens dritter, fünfter, sechster und neunter Sinfonie im Finale der 7. Sinfonie ausbleibt: „Mit seinem Hauptthema [...] wendet es sich eher an die Sinne als an den Geist, fordert eher zum Sich-Gehenlassen als zur Sammlung auf, ist eher auf körperlichen Ausdruck denn auf innere Sublimierung gerichtet.“[10]

Wirkung

Die Sinfonie wurde im großen Redoutensaal der Wiener Universität am 8. Dezember 1813 anlässlich eines Benefizkonzerts zusammen mit Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria unter Beethovens Dirigat uraufgeführt. Im nach Beethovens Tagebuchaufzeichnungen umfangreich ausgestatteten Orchester[11] saßen namhafte Musiker wie Romberg, Spohr, Hummel, Meyerbeer, Salieri und wahrscheinlich auch Mauro Giuliani, der Cello spielte. Für diese Aufführung sah sich Beethoven veranlasst, seinen Schüler, Förderer und Widmungsträger mehrerer Beethoven-Werke Erzherzog Rudolph (erfolgreich) um finanzielle Unterstützung zu bitten.[12] Bei dieser ersten Aufführung und auch bei der zweiten am 12. Dezember des gleichen Jahres wurde der zweite Satz vom Publikum da capo verlangt.

Die Allgemeine musikalische Zeitung schrieb über die 7. Sinfonie:

„Vor allem verdiente die neue, zuerst genannte Sinfonie jenen großen Beyfall und die ausserordentlich gute Aufnahme, die sie erhielt. Man muss dies neueste Werk des Genie's B.'s selbst, und wohl auch so gut ausgeführt hören, wie es hier ausgeführt wurde, um ganz seine Schönheiten würdigen und recht vollständig geniessen zu können. Ref. hält diese Symphonie, nach zweymaligem Anhören, [...] für die melodiereichste, gefälligste und fasslichste unter allen B.schen Symphonien. [...] Das Andante (A moll) musste jedesmal wiederholt werden und entzückte Kenner und Nichtkenner.“

»Allgemeine musikalische Zeitung«: 26. Januar 1814, Spalte 70

Berühmte Aufnahmen

Literatur

  • Renate Ulm (Hrsg.): Die 9 Sinfonien Beethovens. Entstehung, Deutung, Wirkung. Vorwort von Lorin Maazel. 6. Auflage. Bärenreiter, Kassel u. a. 2009, ISBN 978-3-7618-1241-9, (Bärenreiter-Werkeinführungen).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Renate Ulm (Hrsg.): Die 9 Sinfonien Beethovens. Bärenreiter, Kassel 1994, S. 214
  2. Renate Ulm (Hrsg.): Die 9 Sinfonien Beethovens. Bärenreiter, Kassel 1994, S. 204
  3. a b Lewis Lockwood: Beethoven. Seine Musik - Sein Leben. Metzler 2009, S.181
  4. Neal Zaslaw: Mozarts früheste Sinfonien. Sinfonie in D-dur, KV 73m/97 Textbeitrag zu: Wolfgang Amadeus Mozart: Early Symphonies 1764–1771, deutsche Übersetzung von Henning Weber von 1982. Einspielung der Academy of Ancient Music; Konzertmeister Jaap Schröder, Continuo: Christopher Hogwood. Decca Record, London 1986.
  5. Wolfgang Osthoff: Zum Vorstellungsgehalt des Allegretto in Beethovens 7. Symphonie, in: Archiv für Musikwissenschaft, Jg. 34, Heft 1, 1977
  6. Renate Ulm (Hrsg.): Die 9 Sinfonien Beethovens. Bärenreiter, Kassel 1994, S. 207
  7. Alan Tyson: The Razumovsky Quartetts. Some Aspects of the Sources, in: Beethoven Studies, hrsg. von Alan Tyson, New York 1973 (Bd. 1), London 1977 (Bd. 2), Cambridge 1982 (Bd. 3), Band 3, S. 126f.
  8. Karl Nef: Die neun Symphonien Beethovens, Leipzig 1928, Nachdruck Wiesbaden 1970
  9. Lewis Lockwood: Beethoven: Seine Musik - Sein Leben. Metzler 2009, S.182
  10. a b Martin Geck: Von Beethoven bis Mahler – Die Musik des deutschen Idealismus, Stuttgart/Weimar 1993
  11. Renate Ulm (Hrsg.): Die 9 Sinfonien Beethovens. Bärenreiter, Kassel 1994, S. 213
  12. Renate Ulm (Hrsg.): Die 9 Sinfonien Beethovens. Bärenreiter, Kassel 1994, S. 213f.

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