Sinfonie der Tausend

Sinfonie der Tausend
Erstaufführung in den USA 1916 unter Leopold Stokowski

Die Sinfonie Nr. 8 (Es-Dur) von Gustav Mahler, die auch unter dem nicht von Mahler stammenden Beinamen Sinfonie der Tausend bekannt ist, wurde im Sommer des Jahres 1906 komponiert und im ersten Halbjahr 1907 vollständig orchestriert und fertig gestellt. Mahler versah das Werk bei der Veröffentlichung 1910 mit einer Widmung an seine Frau Alma Mahler.

Die Bezeichnung „Sinfonie der Tausend“ erhielt die achte Sinfonie von dem Konzertveranstalter Emil Gutmann, weil eine sehr große Zahl von Musikern benötigt wird, um dieses Werk aufzuführen. Neben acht Gesangssolisten, zwei großen gemischten Chören und einem Knabenchor wird ein Sinfonieorchester mit mindestens 50 Streichern, 40 Bläsern (4 Flöten + 1 Piccoloflöte, 4 Oboen + 1 Englischhorn, 1 (besser 2) Es-, 3 B- und 1 Bass-Klarinetten, 4 Fagotte + 1 Kontrafagott, 8 Hörner, 4 Trompeten, 4 Posaunen, 1 Basstuba, dazu isoliert platziert 4 Trompeten und 3 Posaunen), Orgel, Harmonium, Celesta, Klavier, mehreren Harfen und Mandolinen und diversen Schlaginstrumenten gefordert. Von der Uraufführung ist tatsächlich eine Zahl von 1030 Mitwirkenden überliefert; verschiedene Quellen deuten aber darauf hin, dass die Zahl von 1000 Mitwirkenden wegen verschiedener Ausfälle und Erkrankungen in letzter Minute nicht erreicht wurde. Mahler verwahrte sich denn auch gegen den Beinamen und die Vermarktung als – wie er schrieb – „mir fatale Münchner Barnum und Bailey-Aufführung“ [1] (in Anspielung auf das bekannte amerikanische Zirkusunternehmen).

Bei der Uraufführung am 12. September 1910 in der Neuen Musik-Festhalle in München (heute: Magazin des Deutschen Museums) dirigierte Mahler selbst das Orchester des Konzertvereins München (heute: Münchner Philharmoniker). Unter den 3000 Zuhörern befanden sich auch viele bekannte Schriftsteller, Komponisten und Dirigenten der Zeit wie Siegfried Wagner, Alfredo Casella, Stefan Zweig, Thomas Mann, Leopold Stokowski und Arnold Berliner, um nur einige zu nennen. Die Uraufführung sowie eine zweite Aufführung am folgenden Tag waren ein überwältigender Erfolg – der größte, der einem Werk Mahlers zu dessen Lebzeiten zuteil wurde. Die achte Sinfonie war auch die letzte, deren Uraufführung Mahler noch erlebte. Seine Spätwerke, die Sinfonie Nr. 9, das „Lied von der Erde" und die Fragmente der 10., wurden erst nach seinem Tod uraufgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Die Sinfonie besteht aus zwei Teilen.

1. Teil

Erstes Hauptthema
Erstes Hauptmotiv
Zweites Hauptthema
Zweites Hauptmotiv
Seitenthema
Seitenmotiv
Durchführungsthema
Durchführungsmotiv

Der erste Teil vertont den mittelalterlichen, lateinischen Pfingsthymnus „Veni, Creator Spiritus“, der im Original Hrabanus Maurus zugeschrieben wird, und dauert etwa 20 Minuten. Beinahe durchgehend wird die musikalische Entwicklung von den Chören und Solisten getragen.

Die Form des sehr komplexen, aus 580 Takten bestehenden Teils entspricht weitgehend einer erweiterten Sonatenhauptsatzform:

Die Exposition beginnt mit dem Hauptsatz, in dem die beiden Hauptthemen und Hauptmotive vorgestellt. Nach einer kurzen Überleitung schliesst sich der in einer Rondoform gehaltenen Seitensatz an; hier wird das Seitenthema und das Seitenmotiv vorgestellt, zudem werden die bereits vorgestellten Themen und Motive weiter verarbeitet. Ein kurzer Zwischensatz nimmt quasi den Hauptsatz nochmals kurz auf, bevor der Schlusssatz das erste Hauptthema und das Seitenthema in variierter Form verarbeiten.

Die Durchführung lässt sich in vier Teile gliedern. Im ersten Abschnitt werden zunächst das erste Hauptmotiv und das Seitenmotiv ausgiebig verarbeitet und variiert, zunächst im Orchester gefolgt von den vokalen Stimmen. Im zweiten Teil werden ein Durchführungsthema und ein Durchführungsmotiv vorgestellt, welche umgehend mit dem zweiten Hauptthema und dem ersten Hauptmotiv verarbeitet werden; diese Verarbeitung mündet im dritten Abschnitt in eine Doppelfuge. Der vierte Teil stellt wiederum eine Art Reprise des ersten Teils dar, mit der zusätzlichen Verarbeitung des Durchführungsthemas und des Seitenthemas.

Die Reprise setzt ein mit der nahezu identischen Wiederaufnahme der ersten 20 Takte der Exposition und führt danach in eine Teilreprise des Seitensatzes. Ein überleitendes Fugato mit zahlreichen Variationen des ersten Hauptmotives mündet in die Coda, welche umgehend alle bisherigen Themen und Motive parallel verarbeitet. Einzelne kirchenmusikalische und liturgische Elemente kommen hier zutage, so z.B. der Cantus firmus des Knabenchors und der antiphonale Gesang zwischen beiden Chören. Die letzten Takte sind gekennzeichnet durch eine mit "Himmelfahrts"-Melismen versetzte Schlusssteigerung zum achttaktigen Schlussakkord.

2. Teil

Der zweite Teil setzt die Schlussszene von GoethesFaust II“ in Musik und bildet eine Mischform aus Musikdrama, Kantate und Oratorium, ist dabei aber zugleich als eine Folge von drei pausenlos ineinander übergehenden Sinfoniesätzen - nämlich langsamer Satz, Scherzo und Finale - deutbar. Den Anfang des zweiten Teils bildet eine Instrumentaleinleitung (die längste rein instrumentale Passage in der ganzen Sinfonie), die Adagio- und Scherzo-artige Abschnitte enthält und somit in gewisser Weise die Funktion der Mittelsätze im Schema der klassischen Sinfonie einnimmt. Der zweite Teil dauert insgesamt gut 55 Minuten.

Diskografie (Auswahl)

  • 1962: Leonard Bernstein; Schola Cantorum of New York; Addison/Amara/Chookaskian/Tourel/Tucker/Flagello/London; New York Philharmonic (Nur erster Satz)
  • 1966: Leonard Bernstein; London Symphony Orchestra Chorus/Leeds Festival Chorus; Spoorenberg/Jones/Annear/Reynnolds/Procter/Mitchinson/Ruzdjak/MacIntyre; London Symphony Orchestra
  • 1970: Rafael Kubelík; Chöre des Bayerischen, Norddeutschen und Westdeutschen Rundfunks/Regensburger Domspatzen; Martina Arroyo/Erna Spoorenberg/Edith Mathis/Julia Hamari/Norma Procter/Donald Grobe/Dietrich Fischer-Dieskau/Franz Crass; Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
  • 1971: Georg Solti; Wiener Staatsopernchor/Wiener Singverein/Wiener Sängerknaben; Heather Harper/Lucia Popp/Arleen Auger/Yvonne Minton/Helen Watts/René Kollo/John Shirley-Quirk/Martti Talvela; Chicago Symphony Orchestra
  • 1971: Bernard Haitink; Cotrubas/Harper/van Nork/Finnila/Dielemann/Cochran/Prey/Sotin; Concertgebouw Orkest
  • 1975: Leonard Bernstein; Wiener Staatsopernchor/Wiener Singverein/Wiener Sängerknaben; Price/Blegen/Zeumer/T. Schmidt/Baltsa/Riegel/Prey/van Dam; Wiener Philharmoniker
  • 1981: Michael Gielen; Robinson/Marshall/Heichele/Wenkel/Laurich/Walker/Stilwell/Simon Estes; Opernhaus- und Museumorchester Frankfurt
  • 1982: Václav Neumann; Benackova/I. Nielsen/Soukupova/Marova/Moser/Schöne/Novak/Kejmar; Tschechische Philharmonie
  • 1986: Eliahu Inbal; Robinson/Cahill/Heichele/Budai/Henschel/Riegel/Prey/Stamm; Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt
  • 1986: Klaus Tennstedt; Connell/Wiens/Lott/T. Schmidt/Denize/Versalle/Hynninen/Sotin; London Philharmonic Orchestra
  • 1989: Lorin Maazel; Sweet/Coburn/Quivar/Fassbaender/Leech/Nimsgern/Estes; Wiener Philharmoniker
  • 1994: Claudio Abbado; Studer/McNair/Rost/von Otter/Lang/Seiffert/Terfel/Rootering; Berliner Philharmoniker
  • 1998: Michael Gielen; Marc/Wray/Boesiger/Pecková/Grunewald/Winslade/Michaels-Moore/Lika; SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
  • 2000: Kent Nagano; Deutsches Symphonie-Orchester Berlin; Rundfunkchor Berlin.
  • 2008: Christoph Eschenbach; Marina Mescheriakova/Erin Wall/Franco Pomponi; Orchestre de Paris.

Quellen

  1. Brief an Bruno Walter, ca. März 1910. Zitiert nach: Herta Blaukopf (Hrsg.): Gustav Mahler. Briefe. Neuausgabe. 2., nochmals revidierte Auflage. Zsolnay, Wien 1996, S. 405, ISBN 3-552-04810-3

Literatur

  • Christian Wildhagen: Die Achte Symphonie von Gustav Mahler. Konzeption einer universalen Symphonik. Lang, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien 2000, ISBN 3-631-35606-4
  • Renate Ulm (Hrsg.): Gustav Mahlers Symphonien. Entstehung – Deutung – Wirkung. Bärenreiter, Kassel 2001, ISBN 3-7618-1533-6

Weblinks


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