Bahnbestimmung

Bahnbestimmung

Unter Bahnbestimmung versteht man die Berechnung der Umlaufbahn eines Himmelskörpers oder Satelliten aus den Messresultaten irdischer oder im Weltraum befindlicher Observatorien.

Für diese Standardaufgabe der Himmelsmechanik reicht es nicht aus, nur die 6 Kepler'schen Bahnelemente zu ermitteln, und die Bahndatenbestimmung durch Lösen der Keplergleichung durchzuführen. Eine exakte Bahnbestimmung muss außer der Wirkung der Sonne (ideale Keplerbahn) auch die Bahnstörungen durch die Gravitationskräfte anderer größerer Massen berücksichtigen. Hinzu kommt bereits bei der Erfassung der Beobachtungsdaten das Problem, dass sich alle Messungen auf einen scheinbar bewegten Hintergrund beziehen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtliches

Seit mindestens 5000 Jahren beschäftigen sich Astronomen und Mathematiker damit, die Bahnen der Gestirne im Voraus zu berechnen. Die rätselhaften jährlichen Planetenschleifen stellten die Sternkundigen in Mesopotamien und anderswo vor ein Rätsel, das sie auf der Basis des damaligen Erkenntnisstandes nur durch Eingriffe von Gottheiten lösen konnten. Andere Erklärungen sind nicht überliefert.

Frühe Vermutungen und Erklärungsversuche

In der griechischen Antike fand man dann geometrisch-mathematische Modelle, welche die scheinbar komplizierten Planetenbahnen erklären konnten. Man löste das Problem mit den im Sinn von Aristoteles rundesten Geometrien, die es gibt – mit Kreisen und auf ihnen laufenden zusätzlichen Kreisen, den Epizykeln.

Danach sollten sich die damals bekannten Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn, aber auch Sonne und Mond auf idealen Bahnen um die Erde bewegen, nämlich auf Kreisen, denen jeweils ein Epizykel aufgesetzt ist. Wenn die, wie man heute weiß, elliptischen Planetenbahnen mit einem Epizykel nicht gut genug darstellbar waren, setzte man seit Ptolemäus einfach einen weiteren Epizykel auf den ersten. Dies geschah bei Merkur und Mars mehrfach (aus heutiger Sicht fast eine Fourieranalyse). All das erfolgte zweidimensional auf dem Hintergrund einer Kugelschale, der Himmelskugel.

Brahe, Kepler, Newton

Die sehr exakten Beobachtungen Tycho Brahes (speziell am Mars), die noch ohne optische Hilfsmittel erfolgten, ermöglichten es Johannes Kepler, seine drei Keplerschen Gesetze zu finden. Damit konnte man nun die Bahnen der großen Planeten in einem räumlichen Planetensystem gut beschreiben. Die Bahnen von neuen Himmelskörpern konnten aber damit noch nicht berechnet werden.

1687, fast hundert Jahre später, gelang es Isaac Newton – aufbauend auf den Erkenntnissen Keplers – sein Gravitationsgesetz aufzustellen. Damit war zwar die Ursache für die Bewegung der Himmelskörper erkannt, doch an mathematischen Methoden für die konkrete Berechnung von Bahnelementen fehlte es weiterhin.

Laplace, Gauß: Die analytische Bahnbestimmung

Vollständig wurde das Zweikörperproblem (Bewegung zweier Körper umeinander) um 1800 von Laplace und Gauß gelöst. Um aus drei gemessenen Positionen z. B. eines neuen Kometen seine Bahnelemente zu bestimmen, fanden sie fast gleichzeitig die Lösung auf ganz verschiedenen Wegen:

  • Auf Pierre-Simon Laplace geht die direkte Methode zurück, welche die Kepler-Elemente auf der linken Seite von – allerdings äußerst komplizierten – Gleichungen darstellt.
  • Carl Friedrich Gauß erdachte die indirekte Methode, die mit kleinen Änderungen an Näherungswerten (vor allem der räumlichen Distanzen) operiert. Sie ist durch ihre iterative Vorgangsweise etwas einfacher lösbar.

Mit dieser Methode gelang es Gauß, die Bahn des verlorenen Asteroiden (1) Ceres zu berechnen, was zu dessen sensationeller Wiederentdeckung führte. Noch heute, im Zeitalter der Computer, wird diese Methode angewandt. Sie läuft auf eine numerische Integration hinaus und erlaubt es, alle bekannten Kräfte ohne großen Mehraufwand in das physikalisch-mathematische Modell einzubauen.

Wichtige theoretische Beiträge zur Bahnbestimmung wurden auch von Leonhard Euler und Joseph-Louis Lagrange geleistet. Die erste verlässliche Bestimmung einer stark elliptischen Kometenbahn gelang um 1780 dem späteren Asteroidenentdecker Wilhelm Olbers.

Störungsrechnung der Keplerbahnen

Um die de facto immer vorhandenen Bahnstörungen durch dritte Körper berechnen zu können, verfiel man nach 1800 (?) auf das Modell der oskulierenden (anschmiegenden) Bahnen. Wenn die – nach Kepler ideale – kegelschnittförmige Bahn eines Himmelskörpers allzu variabel war, wurde die momentan gültige Beschreibung als Bezugssystem für die Änderungen genommen, die nach einigen Stunden (Tagen, Wochen..) aus diesem Systemzustand hervorging.

Die Abweichungen von der oskulierenden Ellipse können als Funktion der störenden Kraft berechnet werden. Damit war die Methode Variation der Elemente geboren. Sie erlaubte mit damaligen Rechenhilfsmitteln, eine beliebig genaue Bahnbestimmung, wenn nur der Aufwand entsprechend hoch getrieben wurde. Ihre konsequente Anwendung führte 1846 zur Entdeckung des Neptun und stellte – im Zeitalter der Aufklärung – einen wahren „Triumph der Himmelsmechanik“ dar. Neptuns vermutliche Position war aus kleinen Bahnstörungen des Uranus berechnet worden, und er fand sich kaum 1° davon entfernt.

Methoden und Anwendungen

Die allgemeine Anwendung der bestimmten Bahnen ist die Ephemeridenrechnung, die Bestimmung der Position für einen bestimmten Zeitpunkt.


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