Stadtkirche Unserer lieben Frauen (Meiningen)

Stadtkirche Unserer lieben Frauen (Meiningen)
Stadtkirche Unserer lieben Frauen
Kirchenschiff
Die Stadtkirche um 1800

Die evangelisch-lutherische Stadtkirche Unserer lieben Frauen, auch St. Marien genannt, ist eine dreischiffige Hallenkirche und der bedeutendste Sakralbau der Stadt Meiningen. Sie ist weiterhin die Pfarrkirche für die evangelischen Gemeinden der Region. Die doppeltürmige, stadtbildprägende Kirche befindet sich am Markt in der Innenstadt und gilt als das älteste Bauwerk der Stadt.

Inhaltsverzeichnis

Bauwerk

Die Kirche besteht baugeschichtlich bedingt aus verschiedenen Baustilen. Der rechteckige Unterbau der Türme ist romanisch, der Chor ist gotisch und der an der Nordseite gelegene Treppenturm ist Renaissance. Dominant ist aber die Neugotik, als 1884 bis 1889 durch einen großen Umbau das Langhaus, das Kirchendach und die Turmspitzen neu errichtet wurden. Das Bauwerk mit seinen beiden 53 Meter hohen Türmen beherrscht das Bild des Marktes. Die Türme besitzen auf rund 35 Meter Höhe je eine umlaufende Galerie, die mit einer Brücke verbunden sind. Im Südturm befindet sich die Glockenanlage. Der Nordturm besitzt auf drei Seiten Turmuhren, direkt darunter befindet sich die Türmerstube, die bis in 1930er-Jahre hinein bewohnt wurde. Beide Turmspitzen sind mit Patina überzogenen Kupferplatten bedeckt. Das Dach des Kirchenschiffes und der Sakristei sind mit buntglasierten Ziegeln, die der Seitenschiffe sind mit weinroten Ziegeln bedeckt. An der Westfront befinden sich eine romanische und eine gotische Rosette. An der Sakristei sind die Wappen des Bistums Würzburg, der Grafschaft Henneberg und von Sachsen-Meiningen angebracht, die vorrangig seit der Gründung der Stadt bis zum Kirchenumbau in Meiningen regierten. Die Orgel ist ein Werk des Würzburger Orgelbaumeisters Martin Schlimbach.

Geschichte

Die Westfront der Kirche 1296

Baubeginn der Kirche war im Jahr 1003, den Ritter des Königsgutes Meiningen veranlassten. Es entstand zunächst eine turmlose frühromanische Basilika. In den folgenden Jahrhunderten fanden zahlreiche Erweiterungs- und Umbauten der Kirche statt, so dass vom Gebäude aus den Gründungsjahren nur noch die Fundamente und kleinere Mauerteile existieren. Von 1175 bis 1278 wurde die Westfront mit zwei gleichhohen Türmen erbaut, von der der Unterbau bis heute mit nur kleinen Änderungen erhalten geblieben ist.

Im 15. Jahrhundert plante man wegen der nun wachsenden Stadt eine Vergrößerung der Kirche im gotischen Stil nach dem Vorbild französischer Kathedralen. So entstand in den Jahren 1443 bis 1455 der bis heute bestehende gotische Chor in bereits größerer Dimension als das bis dahin bestehende romanische Langhaus. Auch die heutige Sakristei entstand im wesentlichen in diesen Jahren. Wegen fehlender Finanzen, verursacht durch gesellschaftliche Umwälzungen und insbesondere durch mehrere große Stadtbrände Ende des 15. Jahrhunderts, mussten die Arbeiten danach vorerst eingestellt werden. Im Zuge der Reformation wurde die Kirche im Jahr 1544 evangelisch. Im ausgehenden 16. Jahrhundert konnten wieder größere Bautätigkeiten an der Kirche durchgeführt werden. 1594 bekamen beide Türme achteckige Obergeschosse und neue Turmhauben im Stil der Renaissance, wobei der Nordturm mehr Geschosse als der Südturm und dazu zwei übereinandergesetzte Laternen erhielt und somit höher als der Südturm wurde. 1763 entfernte man aber die obere Laterne wieder. An den Nordturm wurde ebenfalls 1594 ein Wendeltreppenturm als Zugang für die Türmerwohnung angebaut. An diesem befindet sich über dem Tor das älteste erhalten gebliebene steinerne Stadtwappen. Ein geplanter dritter Turm, der neben dem Südturm entstehen sollte, wurde nicht verwirklicht. 1596 bekam die Kirche eine neue Orgel und im Innern neue Emporen und Ausstattungen. Nach der Gründung des Herzogtums Sachsen-Meiningen 1680 erfüllte die Stadtkirche bis zur Fertigstellung der neuen Schlosskirche 1692 die Funktion einer Hofkirche und man erbaute zum diesen Zweck eine Krypta unter der Sakristei.

Die Kirche im Jahr 1876

Durch die stetigen Um- und Ausbauten im Laufe der Jahrhunderte, die oftmals wegen fehlender Finanzen oder Kriegseinflüssen nicht vollendet wurden, entstand eine große Disharmonie des gesamten Baukörpers. Die Türme hatten verschiedene Höhen und standen versetzt zum Kirchenschiff, der Langbau war kleiner als der Chor und einige Bauteile wiesen Schäden auf oder waren gar baufällig. Auch genügte das Aussehen und die Größe der Kirche nicht mehr den Ansprüchen der wachsenden Residenzstadt. So beschloss man einen Umbau der Kirche, der unter der Bauleitung von Otto Hoppe von 1884 bis 1889 durchgeführt wurde. In diesen Jahren erfuhr die Kirche die größte Veränderung in ihrer Geschichte. Das Gebäude erhielt ein neues Langhaus und ein Kirchendach, das mit farbigen glasierten Ziegeln gedeckt wurde. Hier fungierte der Stephansdom in Wien als Vorbild. Den Südturm versetzte man um fünf Meter nach Süden und beide Turmspitzen wurden in der Höhe und im Baustil angeglichen. Die Turmspitzen verkleidete man mit Kupferplatten. Zwischen den Türmen wurde über der romanischen eine weitere neue gotische Rosette eingesetzt. Hinter dieser fand die neue Orgel ihren Platz. Während der Unterbau der Türme romanisch, der Chor und die Sakristei (ohne Giebel) gotisch und der nördliche Treppenturm Renaissance blieben, erhielten die anderen Bauteile eine neugotische Gestalt. Der Innenraum wurde komplett neu gestaltet.

Beginn des Umbaus 1884
Arbeiten an Sakristei und Südturm 1888

Während seiner Zeit als Meininger Hofkapellmeister von 1911 bis 1914 spielte und komponierte Max Reger regelmäßig auf der Orgel, die auf seinen Rat hin 1932 erweitert wurde. 1938 wurde die bis dahin außen am Südturm angebrachte steinerne Madonna aus dem 14. Jahrhundert in den Chorraum verlegt. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Kirche mit mittleren Schäden, die insbesondere die Bleiglasfenster, das Dach und die Orgel betrafen. 1942 wurden die große Predigt-Glocke und die Abendmahl-Glocke demontiert und zum Einschmelzen für Kriegszwecke nach Hamburg gebracht. Glücklicherweise überstanden die Glocken schadlos die restlichen Kriegsjahre, so dass die Meininger sie am 15. August 1950 feierlich wieder an ihre angestammte Plätze hieven konnten. In die gotischen Fenster des Chorraumes baute man 1961 neue Glasfenster ein, die der Berliner Maler Gerhard Olbrich entwarf und die von den Glaswerkstätten Franz Lehmann in Berlin- Weißensee ausgeführt wurden. Sie stellen Szenen aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes dar.

Von Anfang der 1980er-Jahre bis 1989 war die Kirche ein bedeutender Treffpunkt für die Friedensgebete, die die Wende in der DDR mit vorbereiteten. Diese wurden hier jeden Dienstag anfangs mit nur wenigen Menschen durchgeführt, deren Teilnehmerzahl ab September 1989 stark anstieg. Am 24. Oktober 1989 fand die erste Dienstagsdemonstration (siehe Montagsdemonstration) mit rund 200 Teilnehmern statt, am 7. November 1989 waren es bereits über 25.000 Menschen. Während des Friedensgebets am selben Tag traf in der überfüllten Kirche die Nachricht ein, dass die DDR-Regierung zurückgetreten ist. Nach einem kurzen Moment des Innehaltens erfüllte die Stadtkirche der laute Freudenschrei der Menschen, so dass man den Eindruck gewinnen konnte, das Dach der Kirche hebt sich gleich. Vor und in der Kirche lagen sich Tausende vor Freude in den Armen. Bis heute finden hier monatliche Friedensgebete statt.

Seit 1993 wird die Stadtkirche umfassend saniert. So erhielt sie 2002 in den Seitenschiffen teilweise neue Bleiglasfenster, die Originalfenster wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Bisher konnten drei der neun Bauabschnitte realisiert werden.
Im Jahr 2003 feierten die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Meiningen gemeinsam das tausendjährige Bestehen der Stadtkirche „Unserer lieben Frauen“, die für die evangelische Gemeinden der Region gleichzeitig die Funktion einer Pfarrkirche einnimmt.

Die Glocken

Die Glocken-Anlage der Stadtkirche befindet sich im Südturm und besteht aus fünf Glocken. Diese sind im einzelnen:

Der gotische Chor
  • Die „Tauf-Glocke: e“ wurde bereits um das Jahr 1295 gegossen, hat einen Durchmesser von 62 Zentimeter und wiegt 200 Kilogramm.
  • Ebenso alt ist die „Abendmahl-Glocke: h“, die einen Durchmesser von 82 Zentimeter vorweist und 410 Kilogramm wiegt.
  • Die „Betstunden-Glocke: gis“ hat einen Durchmesser von 113 Zentimeter und wiegt 1,2 Tonnen. Sie wurde 1360 gegossen.
  • Die größte Glocke ist die „Predigt-Glocke: cis“ mit einem Gewicht von 1,82 Tonnen und einem Durchmesser von 146 Zentimeter. Die 1618 gegossene Glocke wurde 1942 demontiert und sollte für Kriegszwecke eingeschmolzen werden. Glücklicherweise überstand sie den Krieg schadlos und konnte 1950 wieder an ihren alten Platz gehievt werden.
  • Die jüngste Glocke ist die 1955 hergestellte und installierte „Friedensglocke“, die vom Superintendent Wolfgang Schwalm geweiht wurde.

Eine weitere Glocke ist die „Schlag-Glocke“ mit einem Durchmesser von 95 Zentimeter, 1594 von Christof in Nürnberg gegossen.

Die Orgel

Die Reger-Orgel

Die Orgel stammt aus dem Jahr 1889 und wurde von der Orgelbaufirma Martin Schlimbach & Sohn hinter dem großen Radfenster an der Westfront, einer gotischen Rosette, eingebaut. Die Disposition der Orgel sind das I. Manual - Hauptwerk C-c, das II. Manual - Oberwerk C-c, das III. Manual - Schwellwerk C-c und das Pedalwerk C-f.

Auf dieser Orgel spielten und komponierten unter anderem Johannes Brahms und Max Reger. Auf Anregung Reger's wurde die Orgel von der Firma Eberhard Friedrich Walcker um das III. Manual Schwellwerk erweitert. Sie wurde somit zur Reger-Orgel und am 10. Oktober 1932 von Professor Erhard Mauersberger eingeweiht.

1945 erlitt die Orgel schwere Kriegsschäden und wurde Ende der 1940er-Jahren nur unzureichend wieder instandgesetzt und verfiel zur DDR-Zeit zusehends. Von 1994 bis 1996 wurde die Orgel von der Orgelbau-Firma Hey restauriert und im Jahr 2006 erhielt diese eine neue Windversorgung.

Veranstaltungen

Blick auf das farbige Dach der Stadtkirche

Neben dem kirchlichen Alltag finden in der Stadtkirche Musikveranstaltungen mit Chören, Folkloregruppen, verschiedene Musikstile ausübende Musiker oder Orgelkonzerte statt. Auch werden regelmäßig Ausstellungen und Sonderaktionen mit kirchlichen Themen in der Kirche durchgeführt.

Zum Stadtfest Anfang Juli und jeden Mittwoch Nachmittag im Sommerhalbjahr kann man über eine Wendeltreppe im Nordturm die Galerien an den Türmen ersteigen, die eine gute Rundumsicht über das Stadtzentrum bieten. Dabei bewirten die „Türmerfrauen“ die Gäste, eine Gruppe engagierter Frauen, die sich für die Restaurierung der Kirche einsetzen.

Quellen

  • „Denkmale der Innenstadt“ vom Kulturbund der DDR, 1982
  • „Die Meininger Stadtkirche“ von Hannelore Schneider (Bielstein-Verlag Meiningen, 2004 / ISBN 3-9809504-1-7)
  • „Über die Stadtkirche in Meiningen“ von Otto Hoppe, 1883
  • „Poligraphia Meiningensis“ von Johann Sebastian Güth, Gotha 1676
  • Kirchenarchiv Meiningen

Weblinks

50.56722222222210.4155555555567Koordinaten: 50° 34′ 2″ N, 10° 24′ 56″ O


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