Stickstofftrichlorid

Stickstofftrichlorid
Strukturformel
Struktur von Stickstofftrichlorid
Allgemeines
Name Stickstofftrichlorid
Andere Namen

Trichloramin

Summenformel NCl3
CAS-Nummer 10025-85-1
Kurzbeschreibung

gelbe, explosive Flüssigkeit[1]

Eigenschaften
Molare Masse 120,36 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,64 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

−40 °C[2]

Siedepunkt

71 °C[2]

Sicherheitshinweise
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [3]
keine Einstufung verfügbar
R- und S-Sätze R: siehe oben
S: siehe oben
LD50

112 ppm/1H (LC50, Ratte, Inhalation)[4][5]

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

+229 kJ·mol−1[2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

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Stickstofftrichlorid ist eine explosive chemische Verbindung, die zur Gruppe der Stickstoffhalogenide und Chloramine gehört.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1811 experimentierte der französische Chemiker Pierre Louis Dulong mit Chlorgas und einer Lösung von Ammoniumchlorid, wobei sich Stickstofftrichlorid bildete. Bei seinen Experimenten mit der gefährlichen Verbindung kam es zu einer Explosion, bei der Dulong drei Finger verlor, was ihn jedoch nicht davon abhielt, den Stoff weiter zu untersuchen. Nach dem Bekanntwerden des Unfalls beschäftigte sich 1813 auch der britische Chemiker Humphry Davy mit der Substanz. Später wurden andere Herstellungsverfahren von Balard, sowie Böttger und Kolbe gefunden.[6]

Vorkommen

Bei der Desinfektion mit Chlor in Schwimmbädern entsteht durch die Reaktion mit Harnstoff aus menschlichen Ausscheidungen als Nebenprodukt Stickstofftrichlorid[7]. Das Stickstofftrichlorid ist für den typischen Geruch nach "Chlor" in Hallenbädern verantwortlich, der zeitweilig bei einer zu starken Belastung des Badebeckenwassers auftreten kann[8].

Gewinnung und Darstellung

Stickstofftrichlorid wird durch Chlorieren einer gesättigten, sauren Ammoniumchlorid-Lösung gebildet, wobei als Zwischenprodukte Chloramin und Dichloramin entstehen.

\mathrm{4 \ NH_3 + 3 \ Cl_2 \longrightarrow NCl_3 + 3 \ NH_4Cl}

Ein etwa 12%ige Lösung von Stickstofftrichlorid ist zugänglich durch Einleiten von Chlor in eine Mischung aus Kohlenstofftetrachlorid in Chloroform mit einer Ammoniumsulfatlösung.[9]

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Unter Einwirkung von UV-Strahlung im UVB-Bereich bei 340 nm zersetzt sich Stickstofftrichlorid[10] durch Reaktion mit freien Hydroxidionen:

\mathrm{2 \ NCl_3 + 6 \ OH^- \ \rightleftharpoons \ N_2 + 3 \ OCl^- + 3 \ Cl^- + 3 \ H_2O}

Wie Ammoniak besitzt Stickstofftrichlorid eine pyramidale Molekülstruktur mit einem Cl-N-Cl-Winkel von 107,78° und einer Schenkellänge (N–Cl) von 175,3 pm.

Chemische Eigenschaften

Mit Wasser wird Stickstofftrichlorid zu Ammoniak und Hypochlorige Säure (HOCl) hydrolysiert (da Stickstoff etwas elektronegativer ist als Chlor).[11]

\mathrm{NCl_3 + 3 \ H_2O \rightarrow NH_3 + 3 \ HClO}

Verwendung

Früher diente es zur Bleichung von Mehl, wird aber wegen der Bildung giftiger Stoffen wie Methioninsulfoximid heute dazu nicht mehr eingesetzt.[12]

Sicherheitshinweise

Stickstofftrichlorid reizt die Augen, Atemwege und Schleimhäute.[13] Die metastabile Verbindung explodiert bei Temperaturerhöhung. Lösungen mit einer Konzentration bis zu 18 Prozent gelten als ungefährlich.[9]

Studien aus dem Jahr 1983 mit Ratten zeigten einen LC50-Wert von 112 ppm/1H bei Aufnahme über die Atemwege. Aufgetretene Symptome bei den Tieren waren erhöhter Tränenfluss, Krämpfe und organische und funktionale Störungen der Speicheldrüsen.[4][5]

Ende 2010 wurde im Bundesgesundheitsblatt der Verdacht geäußert, dass in gechlortem Beckenwasser entstandenes Stickstofftrichlorid beim Babyschwimmen Asthma auslösen kann. Insbesondere für Kinder unter zwei Jahren, in deren Familien gehäuft Allergien auftreten, rät das Umweltbundesamt so lange vom Babyschwimmen ab, bis weitere Erkenntnisse vorliegen, die für eine Unbedenklichkeit sprechen.[14]

Einzelnachweise

  1. a b Stickstofftrichlorid bei webelements.com
  2. a b c Holleman, Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 102. Auflage, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1.
  3. In Bezug auf ihre Gefährlichkeit wurde die Substanz von der EU noch nicht eingestuft, eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  4. a b American Industrial Hygiene Association Journal. Vol. 44, 1983, Pg. 145.
  5. a b Stickstofftrichlorid bei ChemIDplus.
  6. Lateral Science: Fulminating oils
  7. GESTIS: Messverfahren zur Bestimmung von Trichloramin
  8. siehe http://www.umweltbundesamt.de/wasser/themen/badebeckenwasser/chemie.htm
  9. a b G. Brauer (Hrsg.), Handbook of Preparative Inorganic Chemistry 2nd ed., vol. 1, Academic Press, 1963, S. 479–480.
  10. Fachartikel: Energie- und Wassersparkonzepte für Schwimmbäder (PDF)
  11. T. M. Klapötke, H.-J. Meyer, C. Janiak, E. Riedel: Moderne anorganische Chemie., 2003, Walter de Gruyter, ISBN 3-11017838-9, S. 75
  12. Patrick Otto Ludl: Die Chemie des Stickstoffs und die Rolle seiner Verbindungen für die Chemie der Atmosphäre (PDF) ARGE Chemie, Wien, 2003
  13. Eintrag zu Stickstofftrichlorid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 8. Januar 2008 (JavaScript erforderlich).
  14. Babyschwimmen und Desinfektionsnebenprodukte in Schwimmbädern. Bundesgesundheitsblatt 01/2011, 54:142–144, 29. Dezember 2010 (online publiziert). doi:10.1007/s00103-010-1177-x.

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