- Suezkrise
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Sueskrise Teil von: Nahostkonflikt
Operationen während der SueskriseDatum 29. Oktober 1956–März 1957 Ort Sinai-Halbinsel, Sueskanal Casus belli Verstaatlichung des Sueskanales durch Ägypten, Sperrung des Akaba-Golfes und des Sueskanales für israelische Schiffe Ausgang Militärischer Sieg Frankreichs, Großbritanniens und Israels
Politischer Sieg ÄgyptensFolgen UN-Waffenstillstand
UN-Mission an der ägyptisch-israelischen Grenze
Internationalisierung des SueskanalesKonfliktparteien Frankreich
Großbritannien
IsraelÄgypten Befehlshaber Pierre Barjot
Anthony Eden
Charles Keightley
Moshe DajanGamal Abdel Nasser
Abdel Hakim AmerTruppenstärke Frankreich: 34.000
Großbritannien: 45.000
Israel: 175.000Ägypten: 70.000 Verluste Frankreich: 10 Tote und 33 Verwundete
Großbritannien: 16 Tote und 96 Verwundete
Israel: 186 Tote und 899 Verwundete1.650 Tote
4.900 Verwundete
6.185 KriegsgefangeneDie Sueskrise (auch: Suezkrise oder Sinai-Krieg und Sinai-Feldzug) im Jahr 1956 war eine in einen bewaffneten Konflikt mündende Krise zwischen Ägypten auf der einen und einer Allianz aus Großbritannien, Frankreich und Israel auf der anderen Seite. Hauptstreitpunkt war die Kontrolle über den strategisch bedeutsamen Sueskanal. Das Resultat war trotz militärischer Erfolge eine Blamage und Schwächung der europäischen Mächte und eine Stärkung der ägyptischen Position im Nahen Osten. Aufgrund ihrer zeitlichen und politischen Überschneidung mit dem Ungarischen Volksaufstand gilt sie als Teil einer Doppelkrise.
Inhaltsverzeichnis
Beginn der Krise
Die Ursachen der Krise liegen in der Struktur der Nutzung des Sueskanals begründet. Die Erteilung einer Konzession zum Bau an eine ausländische Gesellschaft schloss natürlich deren wirtschaftliche Nutzung durch dieselbe Gesellschaft mit ein. Zudem stieg mit zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung des Erdöls die Abhängigkeit der europäischen Mächte von der Nutzung des Kanals. Die freie Durchfahrt versuchte vor allem Großbritannien durch starke Einflussnahme auf die Innenpolitik Ägyptens und durch militärische Präsenz am Kanal zu erreichen.
Die Anfänge der Krise reichen bis ins Jahr 1952. Nach dem Sturz König Faruqs durch Offiziere der ägyptischen Armee nahm die neue Regierung von der bis dahin auf Kooperation mit den westlichen Mächten abzielenden Politik Ägyptens Abstand und schlug einen nationalistischen, panarabischen und antiisraelischen Kurs ein. Dieser Kurs heizte sowohl den Konflikt mit Israel an als auch den mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich, die an der Kontrolle über den Sueskanal festhielten. 1954 verpflichtete sich das Vereinigte Königreich, im Suez-Abkommen, seine Truppen binnen 20 Monaten aus dem Gebiet abzuziehen. Alles deutete auf eine friedliche Lösung hin.
Motive
Im Laufe des Jahres 1956 verschärfte sich der Konflikt zwischen Ägypten und Israel, das sich zunehmend Angriffen durch Fedajin von ägyptischem Territorium und vom ägyptisch besetzten Gaza-Streifen aus erwehren musste. Ägypten, nun unter der Führung von Präsident Gamal Abdel Nasser, blockierte den Golf von Akaba und sperrte den Sueskanal für israelische Schiffe und verletzte somit Internationales Recht. Zugleich bildete Ägypten gemeinsam mit Jordanien und Syrien ein „Vereinigtes Arabisches Oberkommando“, das aber faktisch nur wenig Befugnisse hatte.
Nasser plante vor dem Hintergrund seines sozialistisch inspirierten Programms zur Beseitigung des Massenelends den Bau des Assuan-Staudamms und versuchte die USA und die Sowjetunion mit deren Zusagen für Finanzierungshilfe gegeneinander auszuspielen. Nachdem die Supermächte diese deshalb zurückzogen, verstaatlichte der unter Druck geratene Nasser am 26. Juli 1956 zur Finanzierung des Dammes den Sueskanal, an dem britische Banken und Unternehmen 44 % der Anteile hielten. Zwar entschädigte er die Anteilseigner, trotzdem wurden sie um den Besitz einer sehr wichtigen Handelsroute gebracht. Die UdSSR und Indien billigten auf drei ergebnislosen internationalen Konferenzen letztlich die Nationalisierung, aber Großbritannien war sowohl ökonomisch als auch machtstrategisch beunruhigt.
Frankreich wiederum kämpfte um seine Kolonien im Maghreb. 1954 war in Algerien der Aufstand losgebrochen, der durch Waffennachschub aus Ägypten unterstützt wurde.
Israel hoffte, sowohl die Ägypter militärisch zu vernichten, als auch den Gazastreifen und Scharm El-Scheich zu erobern. Ein Fallschirmjägerüberfall auf das westliche Ende des Mitla-Passes sollte mit einer Vergeltung von palästinensischen Angriffen begründet werden.
Vorbereitungen
Um die öffentliche Meinung auf die Notwendigkeit eines Krieges einzustimmen, forderte der britische Premierminister Anthony Eden, dass man der Bedrohung durch den „Mussolini vom Nil“ entschlossen entgegentreten müsse. Dies verfehlte seine Wirkung nicht, denn Eden galt als entschiedener Gegner der Appeasement-Politik gegenüber Hitler und Mussolini. Eden erhielt vom Air Marshal Barnett die Versicherung, dass Luftangriffe bereits reichen würden, um einen Sturz der Regierung Nasser zu erreichen. Trotzdem sah der Plan „Operation Musketeer“ massive Luftangriffe auf die Flugplätze der ägyptischen Luftwaffe vor. Fünf Tage nach Beginn des Angriffs sollte die Zurückeroberung der Kanalzone durch Fallschirmjäger erfolgen.
Bei mehreren Treffen in Sèvres nahe Paris wurde die Zusammenarbeit zwischen dem französischen und dem israelischen Geheimdienst verstärkt. So trafen sich am 29. September Frankreichs Außenminister Christian Pineau und Verteidigungsminister Maurice Bourgès-Maunoury mit Israels Vertretern Golda Meïr, Schimon Peres und Mosche Dajan. Im Oktober folgten Zusicherungen Frankreichs und Großbritanniens über Waffenlieferungen. Frankreich sagte außerdem den Schutz des israelischen Luftraums und der Küste zu. Zudem wollte Frankreich mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat einer gegen Israel gerichteten Entscheidung entgegenwirken. Im Oktober 1956 planten die drei Staaten dann die „Operation Musketeer“. Details über dieses Treffen wurden erst Jahre später bekannt. Israel sollte eine Invasion starten, so dass Großbritannien und Frankreich als vermeintliche Friedensmächte intervenieren könnten. Die Europäer würden dann die israelischen und ägyptischen Armeen zum Rückzug auf die jeweilige Seite des Kanals bewegen und eine britisch-französische Interventionsstreitkraft am Kanal um Port Said stationieren.
Die Invasion
Am 29. Oktober 1956 begann Israel mit der Invasion des Gazastreifens und der Sinai-Halbinsel und stieß schnell in Richtung des Kanals vor. Am folgenden Nachmittag wurde der ägyptische Botschafter in London ins Foreign Office gerufen und erhielt vom Vertreter des britischen Außenministers Selwyn Lloyd, Sir Ivone Kirkpatrick sowie vom französischen Außenminister Christian Pineau einen Forderungskatalog überreicht. In dem auf zwölf Stunden befristeten britisch-französischen Ultimatum wurde von den ägyptischen Truppen verlangt, zehn Meilen hinter den Sues-Kanal zurückzuweichen und damit die ganze Sinai-Halbinsel zu räumen. Den Israelis wurde ihrerseits aufgetragen, nicht näher als zehn Meilen an den Sues-Kanal heranzurücken. So weit waren sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht vorgedrungen.
Zudem wurde noch von Ägypten das Einverständnis mit der „vorübergehenden“ Besetzung von Sues, Ismailia und Port Said gefordert. Präsident Nasser wies die Forderung und das Ultimatum wie erwartet zurück. Durch seine Ablehnung lieferte er Großbritannien und Frankreich den erwünschten Grund, die Kontrolle über den Kanal militärisch zurückzuerobern und das Regime Nassers zu stürzen.
Am 31. Oktober begannen Großbritannien und Frankreich mit der Bombardierung ägyptischer Flughäfen.
Das israelische 890. Fallschirmjäger-Bataillon hatte inzwischen nach einer Luftlandung den Ostausgang des strategisch wichtigen Mitla-Passes gesichert. Der Rest der 202. Fallschirmjäger-Brigade unter Ariel Scharon kämpfte sich in zwei Tagen auf dem Landweg die 200 km durch feindliches Gebiet zum Mitla-Pass vor. Ein israelischer Spähtrupp geriet im Pass unter schweres ägyptisches Feuer und wurde vom Rückweg abgeschnitten. Scharon ließ seine Männer den Pass einnehmen, um den Spähtrupp zu retten und gleichzeitig die einzig mögliche Stelle für einen größeren ägyptischen Gegenangriff im südlichen Sinai nachhaltig zu sichern.
Am 5. November landeten alliierte Fallschirmjäger am Flughafen Gamil, sicherten das Gelände und errichteten eine Basis zur Luftunterstützung. In den frühen Morgenstunden des 6. November landeten die Kommandos 40 und 42 der Royal Marines mit amphibischen Fahrzeugen und Feuerunterstützung von Schlachtschiffen an den Stränden Ägyptens. Port Said wurde durch verheerende Brände fast vollständig zerstört.
Beim weiteren Vorstoß trafen die Landekommandos auf harten Widerstand. Kommando 45 der Marines griff per Hubschrauber an (die erste Operation dieser Art in der Kriegsgeschichte) und begann mit dem Häuserkampf in einer Region, wo der Besitz von Schusswaffen für Männer nichts Ungewöhnliches ist. Ägyptische Scharfschützen und eigenes Feuer fügten den Marineinfanteristen zwar schmerzhafte Verluste zu, trotzdem konnten diese das Gefecht für sich entscheiden.
Das eilig verbreitete Gerücht, die sowjetische Armee käme Ägypten zur Hilfe, konnte Nassers demoralisierte Truppen nicht mehr stabilisieren: Die ägyptische Armee und ihre sieben gepanzerten Divisionen mussten wegen des schnellen Vorstoßes der Angreifer und deren Luftüberlegenheit zurückweichen.
Die Kommandos erreichten den Kanal und wandten sich nach Südwesten in Richtung Kairo. Jetzt, da der Kanal in den Händen der „Alliierten“ war, sicherten sie vor einem weiteren Vorstoß nach Süden und Westen ihre Positionen.
Waffenstillstand und Rückzug
Der Kriegsschauplatz wurde am 22. Dezember 1956 wieder geräumt. Versenkte Schiffe versperrten die Durchfahrt jedoch noch bis 1957. Am 10. April 1957 passierte das italienische Schiff Oceania als erstes den für die Schiffsverkehr wieder zugänglichen Sueskanal auf ihrer Fahrt nach Australien.[1]
Die europäischen Mächte erhielten in dem Konflikt keine Rückendeckung von Seiten der Vereinigten Staaten. Diese erachteten vor dem Hintergrund des Kalten Krieges gute Beziehungen zu Staaten der Dritten Welt für wichtiger als englisch-französische Macht- und Wirtschaftsinteressen. Zudem - vielleicht noch wichtiger - wollten sie ein Ausufern des Konflikts zu einem größeren Krieg verhindern, nachdem die UdSSR gedroht hatte, Ägypten militärisch zu unterstützen. Die Rote Armee war jedoch derzeit mit der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes beschäftigt. Heute weiß man, dass die Supermächte USA und Sowjetunion einander gegenseitig freie Hand gaben, Konflikte in eigenen Einflussbereichen zu lösen (s. Jalta).
Die britisch-französische Intervention wurde daher von den USA und den Vereinten Nationen verurteilt; im November 1956 wurden Großbritannien und Frankreich zum Waffenstillstand und Rückzug gezwungen. Die USA drohten Großbritannien auch mit der Veräußerung von Reserven an britischer Währung, was deren Kurs hätte einbrechen lassen können. Des Weiteren wäre im Falle einer sowjetischen Intervention die Aufrechterhaltung des im Zuge des NATO-Bündnisses errichteten nuklearen Abwehrschirms durch die USA gefährdet gewesen. Die Vereinten Nationen stationierten nach dem Rückzug die Friedenstruppe UNEF I (United Nations Emergency Force).
Konsequenzen
Das Engagement am Kanal, obwohl militärisch erfolgreich, entwickelte sich so gerade für Großbritannien zu einer Demütigung ersten Ranges. Premierminister Eden musste zurücktreten, die britische Wirtschaft und Währung kamen unter Druck. Zugleich verfestigte sich Großbritanniens Verlust seiner Weltmachtstellung - es war der letzte Versuch der alten Weltmacht, ohne Zusammenarbeit mit der neuen Weltmacht USA, ihre Interessen durchzusetzen. Zudem wuchs der Widerstand der Staaten der Dritten Welt: Die Niederlage der Briten beschleunigte die Entwicklung, mit der in den nächsten Jahren auch die restlichen britischen und französischen Kolonien auf dem Weg über die Dekolonisation ihre Unabhängigkeit anstrebten.
Zunehmend schaltete sich die UdSSR in den Nahostkonflikt ein und unterstützte Ägypten militärisch und wirtschaftlich.
Auf ägyptischer Seite stärkte die Krise trotz militärischer Niederlage massiv die Position Nassers in der arabischen Welt und seinen Panarabismus.
Siehe auch
Quellen
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