Tanja Nolte-Berndel

Tanja Nolte-Berndel

Günter Werner Freiherr von Gravenreuth (* 12. Juli 1948 in München; gebürtig Günter Werner Dörr) ist seit 1981 Rechtsanwalt und Verleger in München.

Gravenreuth ist Verfasser juristischer Fachveröffentlichungen mit den Schwerpunkten Urheberrecht und gewerblicher Rechtsschutz. Durch eine Reihe von Abmahnungen gegen Betreiber von Webpräsenzen sowie Forumdiskussionen mit seinen Kritikern erlangte er in der IT-Branche Bekanntheit und stieß auf Kritik. Er wurde 2009 wegen Untreue und Betrugs rechtskräftig zu einer Haftstrafe von 14 Monaten ohne Bewährung verurteilt[1].

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Profil

Gravenreuth lernte bis 1966 den Beruf des technischen Zeichners, absolvierte anschließend an der FH München 1973 ein Maschinenbau-Studium als Diplom-Ingenieur (FH) und von 1973 bis 1978 an der LMU München ein Studium in Rechtswissenschaften. Dabei wurde er Mitglied in der K.B.St.V. Rhaetia München. Nebenher machte er damals eine erste EDV-Ausbildung, wobei er eine Cyber 175 mit COBOL-Programmen, in Lochkarten gestanzt, instruierte. Als Rechtsreferendar war er beim Bundespatentgericht, in einer Markenkammer des LG München I sowie in einer auf Patente spezialisierten Kanzlei tätig. Seit 1981 ist er als Anwalt zugelassen und war zunächst bei einer Patent- und Rechtsanwaltskanzlei in München und dann bei einer Freisinger Patent- und Rechtsanwaltskanzlei tätig. Seit 1985 ist er selbständig, seit 1987 mit eigener Kanzlei. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich EDV-Recht, Internet-Recht, Urheberrecht und Gewerblicher Rechtsschutz.

Tätigkeiten

Bereits in den 1980er Jahren gab Gravenreuth Computerzeitschriften wiederholt Interviews zum Thema der so bezeichneten „Raubkopien“ und verfolgte Asterix-Plagiate, in denen unlizenzierte Zeichnungen aus Asterix-Bänden mit neuen Texten in den Sprechblasen versehen wurden, um damit zum Beispiel auf satirische Weise gegen Kernkraft („Asterix und das Atomkraftwerk“), gegen die Nachrüstung („Asterix in Bombenstimmung“) oder gegen die „Startbahn West“ („Asterix im Hüttendorf“) zu protestieren. So wurden Tauschanzeigen von Comics-Sammlern durchsucht und Anfragen nach diesen Comics an alternative Buchhandlungen angeschrieben. Anbieter dieser Hefte erhielten Abmahnungen. Gegen den Veranstalter des Kölner Comic-Tauschtags stellte er Strafantrag, weil ein Teilnehmer dieser Veranstaltung entsprechende Hefte anbot und der Veranstalter dies wusste. Außerdem sorgte Gravenreuth dafür, dass diese Hefte seit 1985 im Comic-Preiskatalog nicht mehr mit Sammlerwert aufgeführt werden. Die Plagiate hatten zuletzt einen Sammlerwert, der um ein mehrfaches höher war als der der Originalhefte.

Bekannt wurde Gravenreuth, als einer seiner Testbesteller Ende 1992 auf verdächtig erscheinende Kleinanzeigen in Computerzeitschriften, in denen überwiegend Privatleute inserierten, die so genannten „Tanja-Briefe“ (unter dem Pseudonym „Tanja Nolte-Berndel“ und einigen weiteren weiblichen Pseudonymen) versandte.[2][3] Teilweise war diesen Briefen sogar ein Foto (aus einer Bildagentur) der vermeintlichen 15-jährigen Schreiberin beigelegt. Falls ein so Angeschriebener auf die Bitte um Software-Tausch des angeblichen Teenagers einging, wurde dieser bei entsprechender Beantwortung wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht abgemahnt, gegebenenfalls auch angezeigt. Auch führten einige Fälle zu Hausdurchsuchungen. Von Kritikern wurde Gravenreuth vorgeworfen, dass er die Abgemahnten zu den Straftaten selbst aufgefordert hätte; dieser Vorwurf wurde jedoch von den Gerichten nicht bestätigt.

Später tauchte sein Name immer wieder im Kontext von Abmahnungen auf, in denen er hauptsächlich Ansprüche aus dem Bereich des Markenrechts und des gewerblichen Rechtsschutzes durchsetzte. Da teilweise weitverbreitete Begriffe Anlass der Abmahnungen waren (wie zum Beispiel „Tricon“, „Explorer“ oder „Webspace“), forderte er im Auftrag seiner Mandantschaft häufig von sehr vielen Personen und Unternehmen kostenpflichtige Unterlassungen ein.

Speziell im Fall Symikron kam es bei der Verteidigung der Marke „Explorer“ auch zu Ungereimtheiten bezüglich mehrerer von Mitarbeitern und Geschäftsführern der Symikron GmbH abgegebener Versicherungen an Eides statt. Das Landgericht München I erklärte im Urteil vom 19. Juni 1996 - 7 HKO 11205/96, dass es diese für unglaubwürdig halte.[4] Später wurde in Prozessen behauptet, Microsoft habe für die Verwendung des Namens „Explorer“ für den in Windows enthaltenen Dateimanager und Browser einen Lizenzvertrag mit Symikron abgeschlossen. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Marke „Explorer“, deren Inhaber Symikron war, wegen Bösgläubigkeit löschen lassen.[5]

Im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2002 machte Günter von Gravenreuth Schlagzeilen mit Abmahnungen und – wenn keine Unterlassungserklärungen abgegeben wurden – auch gerichtlichen Verfahren bezüglich E-Cards gegen Parteien wie die SPD, FDP, PDS, DVU, die Grünen und Die Republikaner. Diese hatten an der Zusendung unerwünschter Werbe-E-Mails über so genannte E-Cards mitgewirkt.

Im Jahre 2007 scheiterte er mit mehreren Anträgen, so einer einstweiligen Verfügung gegen die taz. Im Verfahren 15 O 346/06 scheiterte sein Anspruch daran, dass nach Ansicht des LG Berlin dem Verwender des Double-Opt-In-Verfahren nicht zugemutet werden kann, in jedem Einzelfall auszuschließen, dass dieses nicht missbraucht wird. So scheiterte er im gleichen Jahr auch gegen mindestens eine weitere Firma vor dem AG München ebenfalls darin, mittels einer Einstweiligen Verfügung gegen den Versand von Opt-In-Bestätigungen vorzugehen.

In der IT-Szene und unter anderen Juristen hat Gravenreuth vehemente Kritiker, die sich mit ihm zum Teil erbitterte Streitgespräche in den verschiedensten Diskussionsforen liefern. In einem der bekanntesten deutschen Foren, dem Heise-Forum, wurde ihm mittlerweile „virtuelles Hausverbot“ erteilt und er darf nach Unterzeichnung einer entsprechenden Unterlassungserklärung dort keine Beiträge mehr verfassen.[6][7] Die Widerklage in diesem Prozess, in der es um die Verlinkung privaten Bildmaterials ging, verlor Heise vor dem OLG München.[8]

In ein anderes Forum hat er sich nach einer ähnlichen Sperre erfolgreich wieder „hineingeklagt“.[9]

Verurteilungen

Wegen Urkundenfälschung in 60 Fällen wurde Gravenreuth im Jahr 2000 in München zu einer Geldstrafe verurteilt.[10]

Gravenreuth wurde am 16. April 2008 vom Landgericht München (nach einer Absprache) rechtskräftig zu einer Haftstrafe von elf Monaten verurteilt, die sich aus den Bewährungsstrafen zweier erstinstanzlicher Urteile wegen Untreue von sechs (ursprünglich neun Monaten) und sieben Monaten zusammensetzt. Die erstinstanzlichen Urteile befanden, dass Gravenreuth im Jahr 2002 Mandantengelder rechtswidrig einbehalten und dem eigenen Vermögen einverleibt hat.[11][12][10] Die Verkürzung einer der Vorstrafen um drei Monate und die damit unter zwölf Monaten liegende Gesamtstrafe waren hinsichtlich der weiteren Berufsausübung des Gravenreuth von Interesse, da ihn eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr als unwürdig im Sinne von § 7 Nr. 5 BRAO[13] hätte erscheinen lassen, so dass die Zulassung als Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 BRAO[14] zu widerrufen gewesen wäre.

Am 10. September 2007 wurde Günter von Gravenreuth wegen versuchten Betrugs zu einer Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt.[15] Das Urteil erfolgte, nachdem er den Internet-Domainnamen der taz pfänden ließ und versuchte diesen zu versteigern, wobei er angab, er hätte nach einer einstweiligen Verfügung gegen die taz das darin geforderte Geld nicht erhalten. Die taz stellte daraufhin Strafanzeige. Die Zahlung des in der Verfügung verlangten Geldes konnte durch ein Fax bewiesen werden, welches bei einer Durchsuchung in Gravenreuths Büro gefunden wurde. Dieses Fax war Gravenreuth nach seiner Aussage nicht bekannt und er versuchte sich mit „mangelnder Rechtskenntnis“ und dem „Chaos in seinem Büro“ zu entschuldigen. Die Vorsitzende äußerte in ihrem Urteil, dass „die Allgemeinheit vor Gravenreuth geschützt“ werden müsse. Durch ein vorangegangenes Urteil wegen Urkundenfälschung fiel das Urteil ohne Bewährung aus.[16][17][18][19][20] Gravenreuth legte Berufung ein.[10] Am 17. September 2008 wurde Gravenreuth in diesem Verfahren zu einer Haftstrafe von 14 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil lautete auf versuchten Betrug, die Vorstrafe im Verfahren vom 16. April 2008 wegen Untreue floss in die Strafbemessung mit ein.[21][22][23]. Der Anwalt von Gravenreuth hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat ein anwaltsgerichtliches Verfahren gegen Gravenreuth eingeleitet (siehe dazu auch oben die Angaben zur BRAO und Ehrverlust).[24]

Die Revision wurde mit Urteil vom 2. Februar 2009 zurückgewiesen.[25] Das Kammergericht wertet die strafbare Handlung von Gravenreuth als einen vollendeten Betrug, nicht nur als Versuch. Somit muss Gravenreuth eine 14-monatige Haftstrafe antreten.[26].

Abmahnungen

Gravenreuth war einer der ersten Rechtsanwälte, die Abmahnungen im Bereich der Informationstechnik in großer Menge zur Anwendung (und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit) brachten, was ihm umfangreiche Kritik einbrachte. Im Auftrag verschiedener Mandanten hatte er teilweise massenhaft Abmahnungen versendet (Abmahnwelle), deren inhaltliche und formale Berechtigung in einzelnen Fällen auch unter Juristen umstritten war. Unter anderem waren dies die Fälle der Marken „Rainbow“[27], „Tricon“ [27], „Ballermann“ und „Explorer“ [28]. Durch diese Abmahnungen waren neben großen Firmen auch viele einzelne Personen und kleinere Firmen betroffen, die sich in Unkenntnis der eigenen Rechtsposition oft im Zweifel dafür entschieden, einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang zu vermeiden und die im Rahmen der Abmahnung erhobenen Forderungen zu begleichen. Den Vertrieb einer Linux-Distribution von SuSE stoppte Gravenreuth wegen einer Markenrechtsverletzung mittels einer einstweiligen Verfügung.[29]

Kanzlei

Von 1988 bis 2005 arbeitete Gravenreuth mit Bernhard Syndikus zusammen. Beide traten als Frhr. v. Gravenreuth & Syndikus Rechtsanwälte auf. 2005 schied Syndikus aus der Kanzlei aus.

Änderung des Familiennamens

Günter von Gravenreuth wurde als Günter Dörr geboren, änderte jedoch im Zuge der Liberalisierung des deutschen Namensrechtes am 24. Juni 1980 seinen Familiennamen und nahm den Geburtsnamen seiner Mutter an,[30] die aus der Familie Gravenreuth stammt. Juristisch betrachtet ist diese Namensänderung rückwirkend (ex tunc) gültig: Er trägt also seinen nachträglich angenommenen Familiennamen Freiherr von Gravenreuth rechtlich gesehen bereits von Geburt an.

Gravenreuth scheiterte vor dem Landgericht München mit dem Versuch, die Nennung seines Geburtsnamens in einem Forum verbieten zu lassen.[31]

Schriften

Artikel und Beiträge (Auszug)

  • Unterlassungsanspruch gegen Software-Kopier-Programme? In: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. 1985, S. 504. (Eine Diskussion, die 2004 durch das geänderte Urheberrechtsgesetz erneut aufkam.)
  • Dunkelziffern und Schadenshöhe im Bereich der Software-Piraterie. In: Computer und Recht. 1986, S. 111.
  • Probleme im Zusammenhang mit der Minderung oder Wandelung mangelhafter Software. In: Betriebs-Berater. 1989, S. 1925.
  • Günter Freiherr von Gravenreuth, Alexander Kleinjung: Sind kostenpflichtige Mehrwertdienste-Rufnummern im Rahmen der Anbieterkennung gemäß § 6 TDG zulässig?. In: JurPC. Web-Dok. 273/2003, Abs. 1–22 ([1])
  • Open Source und fremder Code nach zwingendem nationalem Recht. In: JurPC. Web-Dok. 209/2004, Abs. 1–17 ([2])

Bücher (Auszug)

  • Das Plagiat aus strafrechtlicher Sicht, ISBN 3-452203-79-4
  • Computerrecht von A-Z, ISBN 3-423050-72-1
  • Spionageabwehr gegen Computerspiel; Heitere Episoden aus der Cracker- und Computerfreak-Szene. München 1995 ISBN 3-930082-03-9
  • Computerviren - Rechtliche Gesamtdarstellung und technische Grundlagen. Köln/München 1998 ISBN 978-3-452-23820-7

Quellen

  1. http://www.golem.de/0902/65116.html
  2. Dirk Estenfeld: „Die Geschichte der Tanja N. Über die Praktiken des Herrn Grafenreuth“. In: Chippie. hr2, 1.10.1994.
  3. Jörg Reinholz: Drei Beispiele der Tanja-Briefe
  4. Jurawelt.com: LG München I: Explorer/Explora (Wiedergabe des Urteils des Landgerichts München I vom 19. Juni 1996 - 7 HKO 11205/96)
  5. http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/meldung/29547&words=Gravenreuth&T=Gravenreuth
  6. Foreneintrag des Heise-Redakteurs H. Bleich vom 16. 01. 2006 bei Heise-Online
  7. Heise online: Gericht bestätigt Hausrecht für Forenbetreiber, 12. Februar 2007
  8. http://www.jurpc.de/rechtspr/20070147.htm
  9. LG München I Az. 12 O 16615/06 - unveröffentlicht
  10. a b c die tageszeitung: Bewährungsstrafe für von Gravenreuth, Artikel vom 16. April 2008
  11. RA Eisenberg: Urteilsgründe des LG Berlin mit Schilderung der Taten
  12. heise online: Gravenreuth rechtskräftig zu elf Monaten auf Bewährung verurteilt, Meldung vom 16. April 2008
  13. § 7 Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
  14. § 14 Rücknahme und Widerruf der Zulassung
  15. http://www.heise.de/newsticker/meldung/95843 Haftstrafe für Gravenreuth
  16. Freiheitsstrafe für Abmahnanwalt Die Tageszeitung, 11. September 2007
  17. Anwalt Gravenreuth zu Haftstrafe verurteilt , heise online, 12. September 2007
  18. Spiegel Online: Sechs Monate Haft für „Abmahn-Anwalt“
  19. Er hat einfach nicht aufgehört, Interview mit Johannes Eisenberg, Rechtsanwalt der taz, Telepolis, 18.09.2007.
  20. „Wissentlich gegen die Rechtsordnung“, Die Tageszeitung, 6. November 2007
  21. Abmahnanwalt zu 14 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, heise online, 17. September 2008
  22. Wegen Betrugs hinter Gitter, taz, 17. September 2008
  23. Abmahnanwalt zu Gefängnisstrafe verurteilt, Süddeutsche, 18. September 2008
  24. "Abmahn-Anwalt" erhält lange Gefängnisstrafe, Welt Online, 18. September 2008
  25. Revisionsurteil vom 2. Februar 2009, RAe Eisenberg & Dr. König, 6. Februar 2009
  26. Abmahnanwalt muss in Haft, taz, 6. Februar 2009
  27. a b Georg Schnurer: Triton: Vorsicht, Abmahnung!, c't 8/95, S. 26
  28. heise online: OLG München: „FTP-Explorer“-Link verletzt Markenrecht, 2. August 2001
  29. tecCHANNEL: Verfügung: Gravenreuth stoppt SuSE-Linux, 9. Januar 2001
  30. Heise online: Was war. Was wird., 11. Februar 2001
  31. Landgericht München I, Urteil v. 25.10.2006 - Az.: 30 O 11973/05 - Hausrecht bei Internet-Foren,

Weblinks


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