- Trägheitstensor
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Der Trägheitstensor eines Körpers gibt seine Trägheitsmomente an, also die Trägheit des Körpers bezüglich der Drehungen. Er spielt damit für Drehungen dieselbe Rolle wie die träge Masse für lineare Bewegungen.
Da nicht kugelförmige Körper für Drehungen um verschiedene Achsen im Allgemeinen verschiedene Trägheitsmomente aufweisen (beispielsweise lässt sich die Drehung eines homogenen zigarrenförmigen Körpers leichter um seine Längsachse als um seine Querachse ändern), reicht – anders als bei der trägen Masse – für die Beschreibung der Trägheitsmomente eine einzelne Zahl nicht aus, sondern es muss ein Tensor verwendet werden.
Berechnung des Trägheitstensors
Ist eine Gesamtmasse gegeben durch einzelne Massenpunkte, so ist der Trägheitstensor I gegeben durch:
bzw. in Komponentenschreibweise
Hierbei bezeichnen mi die Masse des i-ten Massenpunkts, xi1 = xi, xi2 = yi und xi3 = zi dessen Ortskoordinaten und seinen Abstand vom Ursprung. Die Indizes α und β nehmen die Werte 1 bis 3 an, entsprechend den drei Raumdimensionen.
δαβ ist das Kronecker-Delta:
Ist die Masse kontinuierlich im Körper verteilt und die Massendichte bekannt, so geht man zur Integration über:
Man nennt die Diagonalelemente des Trägheitstensors Trägheitsmomente und die restlichen Elemente Deviationsmomente. Diese bewirken bei Rotation durch Fliehkräfte ein Drehmoment normal zur Drehachse. Man stelle sich z. B. eine Stange vor, die um eine Achse rotiert, die mit der Symmetrieachse der Stange einen spitzen Winkel einschließt.
Beispiel: Der homogene Würfel mit Kantenlänge 2a
Trägheitstensoren werden im Allgemeinen in kartesischen Koordinaten berechnet. Aus der Summe in der oben angegebenen Definition
lässt sich bei konstanter Massenverteilung mit überall bekannter Dichte , also ein Integral machen. Das ist ein gängiger Trick in der Kontinuumsmechanik. Statt über die zahlreichen Einzelmassen (Atome, Moleküle) zu summieren und ihren jeweiligen Abstand ri zum Bezugspunkt zu berücksichtigen, geht man zu einem Integral der Form
über. In dem Spezialfall, dass der Körper homogen ist, also über eine durchgehend konstante Dichte verfügt, kann man die Dichte als Konstante vor das Integral ziehen und erhält:
Nun lassen sich die 6 (3 Haupt- und nur 3 Deviationsmomente, da die Matrix symmetrisch ist, das heißt, dass Ixy = Iyx gilt) unabhängigen Tensorkomponenten bestimmen. Hier wie auch im allgemeinen Fall ist zu beachten, dass der einzige intellektuelle Anspruch in der Bestimmung der Integrationsgrenzen liegt. Hier ist klar, dass in allen drei Richtungen von -a bis a integriert werden muss. Im Allgemeinen muss man einen Körper in Teilkörper mit geometrisch einfach beschreibbaren Formen zerlegen, dann ergibt sich die Beschreibung der Form durch Abhängigkeit der Integrationsgrenzen von den zu integrierenden Parametern (z. B. für ein in der Diagonale zerschnittenes Quadrat).
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Masse des Würfels ist. Dann hat der Tensor folgende Form:
wobei E die Einheitsmatrix ist.
Setzt man nun noch die Kantenlänge 2a = d, so ergibt sich
Berechnung von Trägheitsmomenten aus dem Trägheitstensor
Das Trägheitsmoment bezüglich einer Achse durch den Ursprung (also anschaulich die Schwierigkeit, den Körper um diese Achse zu drehen) bekommt man aus dem Trägheitstensor folgendermaßen:
Ist ein Einheitsvektor (Vektor der Länge 1) in Richtung der Achse, so ist das zugehörige Trägheitsmoment
wobei nα die Komponenten des Einheitsvektors sind. Insbesondere geben die Diagonalelemente I11, I22 und I33 die Trägheitsmomente um die Koordinatenachsen an.
Beispiel: Trägheitsmoment entlang der Diagonalen
Der Trägheitstensor sei
und die Richtung der Achse sei gegeben durch den Normalenvektor
(das ist gerade eine der Raumdiagonalen). Dann ist das Trägheitsmoment gegeben durch
Berechnung des Drehimpulses aus dem Trägheitstensor
Für eine beliebige Winkelgeschwindigkeit lässt sich der Drehimpuls durch Matrizenmultiplikation des Trägheitstensors mit dem Spaltenvektor der Winkelgeschwindigkeit berechnen:
Herleitung des Trägheitstensors
Es gilt:
Dabei ist der Drehimpuls des Teilchens, der Abstand vom Ursprung, seine Geschwindigkeit, der Impuls und m die Masse. Dann gilt für die i-te Komponente des Drehimpulses:
Dabei ist ε das Levi-Civita-Symbol und δ das Kronecker-Delta. Außerdem wurde die Einsteinsche Summenkonvention benutzt.
Damit ist nun:
Bei einem Körper aus mehreren Massepunkten muss über diese summiert oder integriert werden.
Alternative Herleitung aus der Definition des Trägheitsmoments
Sei ein rotierender Körper aus einzelnen Massepunkten aufgebaut. Für die Ortsvektoren der Massepunkte wird ein kartesisches Koordinatensystem verwendet, dessen Ursprung mit dem Schwerpunkt des Körpers zusammenfällt. Sei der Ortsvektor des n-ten Massepunktes und sn sein Abstand von der Drehachse, dann gilt
und somit für das Trägheitsmoment
mit dem Trägheitstensor
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Eigenschaften des Trägheitstensors
Der Trägheitstensor eines ausgedehnten Körpers hat den Rang 3 und die Dimension (Größensystem) eines Trägheitsmoments, also1 kg·m² als SI-Einheit.
Er ist ein symmetrischer Tensor zweiter Stufe, also
Die Eigenwerte des Trägheitstensors sind die Hauptträgheitsmomente. Sie sind reell und nichtnegativ.
Die drei Hauptträgheitsmomente genügen der Ungleichung
was auch bei beliebiger Vertauschung der Hauptträgheitsmomente gilt.
Hauptträgheitsachsen und Hauptträgheitsmomente
Wählt man als Koordinatenachsen die Achse des größten und die des kleinsten Trägheitsmoments, sowie die auf beiden senkrecht stehende Achse, so ist der Trägheitstensor in diesen Koordinaten diagonal (sind alle Trägheitsmomente gleich, so können drei beliebige aufeinander senkrecht stehende Achsen gewählt werden). Diese drei Achsen nennt man Hauptträgheitsachsen, und die zugehörigen Trägheitsmomente heißen Hauptträgheitsmomente. Die Drehimpulse bei Rotation um diese Achsen können dann durch einfache Multiplikation des jeweiligen skalaren Trägheitsmoment mit dem Winkelgeschwindigkeitsvektor berechnet werden.
Häufig liegt der Trägheitstensor nicht diagonal vor. Da der Trägheitstensor symmetrisch ist, lässt er sich jedoch immer diagonaliseren, d.h. für jeden Punkt im starren Körper lassen sich die Hauptträgheitsachsen finden. Im Grunde ist dies ein Eigenwertproblem. Es werden zunächst die (reellen) Eigenwerte berechnet.
Sind die Eigenwerte I1 = I2 = I3 gleich, so ist der Körper punktsymmetrisch wie eine Kugel oder ein Würfel, und die Matrix müsste ohnehin schon diagonal gewesen sein. Ist , so handelt es sich um einen symmetrischer Körper, wie etwa einen Zylinder. Sind aber I1, I2 und I3 paarweise voneinander verschieden, so liegt keine weitere Symmetrie vor, und/oder der Koordinatenursprung liegt nicht im Schwerpunkt.
Wissen wir zwar über die Eigenwerte bzw. Hauptträgheitsmomente Bescheid, so wissen wir jedoch noch nicht, in welche Richtungen die zugehörigen Achsen zeigen. Wir berechnen uns also aus den Eigenwerten und I die jeweiligen Eigenvektoren. Diese entsprechen nun den Hauptträgheitsachsen und stehen senkrecht aufeinander, bilden also eine orthogonale Basis im Raum, wie dies schon zuvor von unseren Hauptträgheitsachsen gefordert wurde. Die drei Eigenvektoren lassen sich zu einer Matrix zusammenfassen. Diese entspricht einer Transformationsmatrix T welche die Informationen über unser neu ausgerichtetes Koordinatensystem trägt. Es gibt also für jeden Tensor I eine Transformationsmatrix , sodass
- I' = T − 1 * I * T
gilt, wobei I' nun diagonalisiert ist, die Einträge den Hauptträgheitsmomenten entsprechen, und T − 1 die zu T inverse Matrix ist.
Die freie Rotation um eine feste Drehachse (ohne dass die Achse durch Lager festgehalten wird) ist für allgemeine Körper nur bei Rotation um ihre Hauptträgheitsachsen möglich. Dabei ist die Rotation um die Hauptträgheitsachse mit dem größten und dem kleinsten Trägheitsmoment stabil; die Rotation um die Hauptträgheitsachse mit dem mittleren Trägheitsmoment ist dagegen labil.
Dreht sich der Körper nicht um eine Hauptträgheitsachse, so zeigt der Drehimpuls nicht in Richtung der Drehachse. Daher bleibt die momentane Drehachse nicht fest im Raum, sondern läuft auf der Oberfläche des sog. Rastpolkegels um die Drehimpulsachse herum. Der Körper führt dann eine Taumelbewegung (Nutation) aus.
Wirkt außerdem ein äußeres Drehmoment, so wird die Bewegung noch komplizierter. Man kann dies z. B. an einem Spielzeugkreisel beobachten: Zusätzlich zu einer – hier durch das äußere Drehmoment induzierten – Präzession um eine senkrechte Achse kann man durch einen kleinen Stoß eine überlagerte Nutationsbewegung erzeugen. Während die Rotationsachse am Präzessionskegel entlangwandert, führt sie eine zusätzliche Taumelbewegung aus.
Literatur
- Herbert Goldstein,Klassische Mechanik, 6.Auflage, Akademische Verlagsgesellschaft Wiesbaden, 1981, ISBN 3-400-00134-1
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